Muss es immer episch sein?

Von Grumpy · 13. Dezember 2016 · Aktualisiert am 20. Dezember 2016 ·
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  1. Mein ursprünglicher Plan war es eigentlich , ein Review zu Dragon Age Inquisition zu verfassen. Aber noch während ich mich mit den Stärken und Schwächen des Spiels beschäftigt habe, bin ich immer wieder auf die gleiche Frage gestoßen, die ich persönlich anscheinend weitgehend anders beantworte, als ein Großteil der Gaming-Community. Müssen Spiele denn immer „groß“ sein? Mit „groß“ ist hier jedoch nicht nur die Fläche der Spielwelt und die Spieldauer gemeint, sondern vielmehr die erzählte Geschichte. Eine besseres Wort, das ich aber mittlerweile zutiefst verabscheue, wäre wohl „episch“. Die Dragon Age Reihe ist für mich ein perfektes Beispiel, dafür, wie sich potenziell großartige Geschichten selbst zerstören, indem sie allzu sehr dem Wunsch nach einem epischen Spielerlebnis nacheifern. Da ich mit meiner Ansicht aber nach eigener Erfahrung relativ alleine, oder zumindest in der Minderheit bin, wollte ich einmal einen Diskussionsanstoß in Form dieses ziemlich spontanen Gedankenauszugs geben.

    Um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, worauf ich eigentlich hinaus will, möchte drei Kurzreviews zu den Dragon Age Spielen geben.




    Dragon Age Origins: Die perfekte 0815-Story

    Der erste Teil der Reihe machte nahezu nichts falsch. Das Gameplay war gut, Grafik und Sound entsprachen absolut den Standards und die Geschichte funktionierte, wie man es von Bioware gewohnt war. Manch einer würde behaupten, sie funktionerte sogar zu sehr, wie die anderen Bioware-Titel. Denn auch wenn man sich mit den unterschiedlichen Origin-Stories um etwas Neues bemühte, so entspann sich doch nach altbekanntem Muster eine sehr vorhersehbare, aber nichtsdestotrotz tadellos funktionierende Geschichte. Alles in allem ein sehr gelungenes Spiel (wer unbedingt Zahlen will, es würd bei mir wohl im gehobenen 80er Bereich landen).

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    Dragon Age II: Der überhastete Geistesblitz

    Nach dem Erfolg des ersten Teils waren die Erwartungen für den Nachfolger natürlich groß und anscheinend war es auch der Zeitdruck, denn was wir vorgesetzt bekamen, war schlicht und ergreifend nicht fertig, bzw. überhastet produziert. Der Grafikstil wurde sehr kontrovers diskutiert, der fixe Hauptcharakter war für viele Spieler ein Problem, die lieblose Wiederverwertung von Leveln sorgte für Kopfschütteln und das actionlastigere Kampfsystem gefiel den Fans klassischer RPGs nicht. Und doch machte das Spiel etwas, was mir persönlich sehr gut gefiel. Es machte die Geschichte kleiner. Ich musste auf einmal nicht mehr die Welt retten, sondern es ging "nur" noch um das Schicksal einer Stadt. Eine Stadt, die nur so vor interessanten Konflikten strotzte. Die Qunari, die die Bevölkerung mit einer völlig anderen Weltanschauung konfrontieren und in meinen Augen zu den interessantesten Gegnern zählen, denen ich einem Rollenspiel bisher gegenüberstand. Die Auseinandersetzung zwischen Templern und Magiern und den nachvollziehbaren Argumenten, die es für beide Seiten gab, auch wenn dieser Story-Zweig völlig unnötig mit dem roten Lyrium erklärt aufgelöst wurde. Die Ideen, die hinter dieser Verkleinerung stehen, halte ich bis heute für brillant, auch wenn deren Umsetzung nicht immer besonders gut gelang. Es gelang mir kaum eine Beziehung zu der Stadt aufzubauen, der ich helfen sollte, zu generisch und langweilig war sie entworfen worden und auch mit den meisten Gefährten konnte ich persönlich weniger anfangen, als noch im ersten Teil. Letztendlich war mein Wunsch für den dritten Teil die neu eingeschlagene Richtung im Bereich der Erzählung beizubehalten und das Spiel sorgfältig und mit Liebe zum Detail wirklich fertigzsutellen. (Wer unbedingt eine Wertung will: niedriger 70er Bereich)


    Dragon Age Inquisition: Das Spiel, das alle Spiele sein wollte

    Und dann kam Inquisition. Ich habe es noch am Tag des Release gekauft und es gestern (12.12.16) zum ersten Mal fertiggebracht, durchzuspielen. Daran ist zwar auch zu großen Teilen meine persönliche Spielweise Schuld (ich will ein Gebiet abschließen, bevor ich die Story fortsetze), aber auch das Design des Spiels trägt massiv dazu bei. Man merkt Inquisition an allen Ecken an, dass es nach dem Erfolg von Skyrim und dem Aufblühen der berüchtigten Ubisoft-Formel entstand und gleichzeitig zu The Witcher 3 entwickelt wurde. Das Spiel vermittelt mir den Eindruck, als hätte man versucht, alle Spiele, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, irgendwie in ein "Super-Spiel" zusammenzupacken und darauf noch das typische Bioware-Storytelling zu setzen. Bevor ein falscher Eindruck aufkommt. Inquisition ist ein gutes Spiel, welches, mir fällt kein besseres Wort dafür ein - funktioniert - für mich eine Wertung im niedrigen 80er-Bereich. Doch es ist eine Sache die mir persönlich die Lust am Weiterspielen genommen hat. Alles war episch. Es geht wieder einmal um das Wohl und Wehe der ganzen Welt, um Götter und gottähnliche Wesen, um Kaiserinnen, das Fortbestehen der Kirche (wie wird denn Chantry im Deutschen widergegeben?) und die Herrschaft über Königreiche. Nicht falsch verstehen, die cineastische Umsetzung der Geschichte war hervorragend, die einzelnen Story-Missionen gut und abwechslunsgreich gemacht. In meinen Augen hat man aber das enorme Potenzial, das man mit dem zweiten gelegt hat verschenkt.



    Alles wird episch

    Diese Entwicklung betrifft aber in meinen Augen nicht nur Dragon Age. Generell neigen Franchises, die allzu lange laufen dazu, mit jedem Teil eine noch größere Bedrohung zu kreieren, den Einsatz noch weiter zu erhöhen und damit die Geschichten beinahe ins Absurde zu treiben. Ein weiteres Beipsiel dafür ist (auch wenn es nichts mit Gaming zu tun hat) das erweiterte Star Wars Universum, welches nach Episode VI spielt und mit immer noch mächtigeren und hanebüchenen Gegnern aufwartet.

    Mein Wunsch für das Genre der Rollenspiele ist die "Verkleinerung" der Geschichten, einen stärkeren Rückbezug auf das persönliche Umfeld der Charaktere und als Folge daraus ein stärkerer emotionaler Bezug zu den Geschehnissen. Denn das hat mir Inquisition gezeigt: Auch wenn es hervorragend insziniert war, wirklich bewegt oder berührt hat es mich nur ganz selten, um ehrlich zu sein nur zwei mal.



    Dieser Blog ist noch nicht alles, was ich zu dem Thema zu sagen habe. Vielleicht schreibe ich weitere Teile, vielleicht ergibt sich der Rest auch aus der Diskussion dazu. Ihr seid auf jeden Fall herzlich dazu eingeladen, eure Meinung zu äußern, auch gerne, warum ihr die großen, epischen Geschichten bevorzugt.



    Vielen Dank fürs Lesen

    Euer Grumpy

Kommentare

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  1. Apfelkomplott
    Vielleicht nicht ganz das Thema des Artikels, aber schlägt in die gleiche Kerbe:

    Ich finde heutige Rollenspiele dürften sich durchaus etwas mehr "Rollenspiel" leisten. Stattdessen bekommt man meist einen customizable Blankohelden vorgesetzt, den man dann 08/15-mäßig personalisieren kann (Magier, Krieger...) und der dann während des Spielens "Persönlichkeit" nach Wahl des Spielers bekommt (Ich helf allen/Ich hau allen auf die Nase). Dazu passend bekommt man schön reflektionsfrei dann auch noch die möglichst epische Weltretterrolle zugewiesen.

    Eben weil man sich so die größte Zielgruppe erhofft. Schöner sind allerdings, wie schon im Artikel angeführt, die kleinerskaligen Rollenspiele. Wo der Hauptcharakter auch wirklich "Charakter" hat. Wo die Probleme eben nicht immer episch, sondern einfach - menschlich - sind. Das fehlt mir sehr in der aktuellen Rollenspielwelt. Weshalb ich auch lieber pen&paper spiele als am PC.
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  2. N3aera
    Ich liebe aus genau diesem Grund the Witcher 1. Es geht nicht darum den Kontinent oder gar die Welt zu retten. Jemand ist Geralt persönlich auf den Schlips getreten und dafür gibts was auf die Zwölf.
    Das war nicht nur fantastisch um Stil der Bücher umgesetzt (Geralt will überhaupt nichts mit Politik und den Retten der Welt an Hut haben), der Abspann gab einen perfekten Vorgeschmack auf die von Anfang an geplante Trilogie.
    Auch der dritte Teil ist eine sehr persönliche Geschichte: Geralt will seine Ziehtochter retten und daraus spinnt auch eben eine größere (epische, wenn man so will) Geschichte.
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  3. Ritter des Herbstes
    Naja, epischer Fantasy vorzuwerfen, dass sie episch ist... ist etwas schwierig.
    Ich versteh natürlich das Problem- die ewige "Sie sind der Hausmeister dieser.... DER HELD DIESER WELT, MEINE ICH!"-Geschichte ist halt auf Dauer ermüdend.
    Witzigerweise hab ich orginins, das ich sehr liebe, und auch den etwas mauen IIer nicht so empfunden.
    In Teil eins stolperst du halt in diese Hoffnungsträgerrolle- aber eigentlich haben die alle keinen Bock auf dich und, und das fand ich damals wie heute sehr cool, der Twist am Ende (ich schreibs mal nicht aus) ist ja übertragbar.
    Teil 2 ist man schon eher in der Rolle des klassischen Helden- auch wenn man sich diese narrativ erst verdienen musste- aber da ist die Sache halt regional arg abgesteckt- keine Ahnung, als Champion einer Stadt kam ich mir nicht so überambitioniert vor, wie die diversen Schicksalsträger in anderen Spielen.
    Teil 3 ist in dieser, wie ich finde in so vielen Hinsichten, denn ich teile deine Beurteilung nicht, schauderhaft aufgebläht.

    Finde es aber auch immer wieder merkwürdig, dass man immer nur das Weltenretterszenario serviert bekommt- also, im Mainstream. Spontan fiele mir aber nur die Shadowrunserie ein, wo man nicht automatisch Weltenretter ist... und das Szenario ist ja wohl nicht jedermanns.
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  4. TheVG
    Danke für die Erkenntnis, dass es doch noch welche gibt, die sich von der überbordernden Epik nicht ganz so sehr blenden lassen. Mir persönlich geht diese Entwicklung auch schon auf den Zeiger, aber das geschieht mir recht oft, wenn diese ständige Wiederverwendung einfach kein Ende nimmt.

    Gegenhalten muss ich dir aber auch, dass Rückwärtsschritte die Gefahr in sich bergen, ins Provinzielle bzw. Daily-Soap-hafte abzudriften. Das kann gerade bei Rollenspielen einen Genickbruch bedeuten.
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  5. Yeager
    Sehr schöner Blog!

    Das epische Feeling ist natürlich etwas, das sich super vermarkten lässt: Sei der Retter der Welt! Du! Ja, du allein! Sei der Held! Sei der Drachentöter! Sei...(schnarch).

    "Schnarch" weil ich zum tausendsten Mal dieser Jemand sein soll. Es nutzt sich ab. Andererseits bleiben den Machern auch nur wenig (echte) Alternativen: Man kann es invertieren, dann ist man der Super-Bösewicht. Also dasselbe in grün. Man kann in den Spectator-Mode gehen, d.h. es handelt eigentlich von jemand anderen, aber man selbst spielt das Zünglein an der Waage. Man kann der vermeintliche Anti-Held sein, der in die Sache irgendwie reingeschlittert ist, wie Gordon Freeman in Half-Life. Aber wenn man keine epische Story erzählt, wenn Dragon Age nur von dem Konflikt zwischen Magiern und Templern handeln würde, Mass Effect nur von lokalen Auseinandersetzungen und Geralt nur Familienstreitigkeiten klärte, dann wäre die Luft raus.

    Es sei denn, es wäre sehr gut gemacht!
    Aber damit würden sich die Macher selbst unter Druck setzen. Dann doch lieber generische Helden-Story, die 1253ste. Ist wesentlich einfacher, denn dafür gibt es Schablonen: Tolkien machte es vor, eigentlich vorher noch Heldensagen, Mythen und Märchen - und alle anderen machten es nach, bis heute. Auch Star Wars ist ein direkter Erbe Tolkiens. Ich glaube daher, dass wir nicht weniger epische (schnarchige) Stories erleben werden, eher noch mehr. Aber mal ganz ehrlich: Wenn diese gut gemacht sind, wenn sie einen mitreissen, wenn alles stimmt, auch die Musik, dann ist das nicht verkehrt. Oder doch?

    So oder so: Mich faszinierten die taktischen Kämpfe des ersten noch am meisten. Unabhängig von der Story.
      10 Person(en) gefällt das.
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