Auf in eine alte Welt mit dem Namen New World.
New World – Die nicht so schöne neue MMORPG-Welt
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Zwei Dinge seien im Vorfeld dieses Blog-Eintrages erwähnt: Dieser Eintrag spiegelt eine persönliche Meinung wider und versucht erst gar nicht so etwas wie Objektivität vorzugaukeln. Weiterhin will ich erwähnen, dass ich bereits in einer sehr frühen Alpha bei New World dabei war. Ich habe also einige Entwicklungen miterlebt, die letztendlich zu dem geführt haben, was New World aktuell darstellt.
Dieser Eintrag soll unter dem Motto stehen – Soll es das nun gewesen sein, Amazon? Damit sollte der Grundtenor dieser Einlassung bereits zu erkennen sein. Denn ich will im Folgenden auch der Frage nachgehen, was wir, die Spieler, eigentlich von einem MMORPG erwarten, und ob neuere MMOs dem überhaupt Rechnung tragen können. Vorweg – Können sie nicht!
Ich spiele MMORPGs seit einer Zeit, in der man sich noch mit dem Modem ins Internet einwählen musste. Das war kurz, nachdem das Feuer erfunden wurde und Herr Newton dafür sorgte, dass Äpfel stets nach unten fallen. MMORPGs wurden damals nicht zuletzt durch die breite Verfügbarkeit – zumindest unter den Nerds dort draußen – von Internet bedingt. Damit wurde der damals neuen Entwicklung Rechnung getragen. Das Internet schuf eine vollkommen neue Dimension des Computerspiels. Plötzlich konnte man mit Anderen zusammenspielen. Wenn man bedenkt, dass klassische PC-Spiele oftmals von Brettspielen und dergleichen inspiriert wurden, die man meist in der Gruppe spielte, dann schloss sich hier irgendwo der Kreis.
Damals, da waren MMOs etwas vollkommen Neues. Viele Spiel-Elemente, die man heute oftmals als Selbstverständlich nimmt, waren damals ein Novum. Entsprechend begeistert waren dann auch viele Spieler. Wenn man die Entwicklung der MMORPGs dann heute einmal in der Retrospektive betrachtet, dann muss man leider auch erkennen, dass der Höhepunkt des Genres bereits mit Spielen wie UO, DAoC, Everquest und letztendlich World of Warcraft erreicht war. Das ist teils nahezu 20 Jahre her. Betrachtet man nun die Entwicklung des MMORPGs seit jenen Tagen, dann muss man leider feststellen, dass sich das Genre seither kaum bis gar nicht entwickelt hat.
Warum erzähle ich euch das nun? Weil es wichtig ist, wenn wir nun auf New World zu sprechen kommen. New World ist ein MMORPG, welches von den Amazon Games Studios entwickelt wird. Das impliziert, dass es zumindest nicht am Geld scheitern sollte. Leider findet sich hier auch einmal mehr ein Beispiel dafür, dass Geld allein kein gutes Spiel macht. Denn, was Amazon mit New World abliefert, und hier schließt sich der Kreis zu meiner Einführung, ist nicht mehr als das, was wir bereits vor 20 Jahren gespielt haben. Technische und grafische Entwicklungen einmal außen vorgelassen. Es geht rein um spielerische Entwicklungen. Nimmt man etwaige QoL-Features (Quality of Life aka „wir machen das Spiel einfach“) raus, dann bleibt im Kern ein 08/15-MMO.
Da, ich habe es gesagt. Leider fällt es mir denn auch schwer, es irgendwie anders zu beschreiben. Ja, freilich werden mir nun Spieler widersprechen, und das ist auch in Ordnung. Dennoch muss wohl auch der geneigte Spieler erkennen, dass sich Amazon auf ein 08/15-Gerüst aus MMO-Bausteinen stützt. Nicht mehr und auch nicht weniger. Zum Glück nicht weniger. Wobei… Wenn Spieler sagen, dass sie New World mögen, dann hat das, so meine ich, auch viel damit zu tun, dass diese Spieler froh sind, überhaupt etwas „Neues“ im MMO-Bereich spielen zu können. Ein neuer Anstrich, ein anderes Setting. Das gereicht Vielen schon, um sich auf ein neues MMO zu freuen.
Das impliziert aber nicht, dass sich diese Spieler nicht auch mehr wünschen würden. Seit beinahe 20 Jahren, und Ausnahmen bestätigen sicherlich auch hier die Regel, entwickelt sich das MMORPG-Genre kaum weiter. Wo andere Genres im Laufe der Zeit eine Evolution, manchmal sogar eine Revolution durchlaufen haben, ist der Status der MMOs immer noch bei den Spiel-Elementen von vor 20 Jahren verhaftet.
Amazon will mit New World vorgeben innovativ zu sein. Ja, sie versuchen es. Leider ist auch das mehr Schein als Sein. Klassen gibt es nicht! Die Waffe entscheidet darüber, wie wir dem Gegner eine neue Frisur verpassen. Innovativ? Nein, mitnichten. Hat es alles schon gegeben und ist so innovativ wie Pizza mit Schokoladenaufstrich. Fertigkeiten auf drei aktive begrenzt, dafür aber mehrere Waffen im Wechsel. Innovativ? Wo kommen wir denn da hin. Eher bedenklich, weil der Kampf maximal zum stumpfen Button-Mashing verkommt. Ob man die Waffe nun im Kampf wechselt, macht effektiv kaum etwas aus.
Leider reduziert Amazon das Spielerlebnis auch darüber hinaus auf ein absolutes Minimum. Das Quest-Design würde selbst dem Erfinder der Kill- und FedEx-Quests die Schamesröte ins Gesicht treiben. Die Story scheint so eindimensional, dass selbst ein Blatt Papier von der Seite betrachtet dreidimensional daherkommt. Die Erzählung ist so steif, dass selbst Marcel Reich-Ranicki – Gott habe ihn selig – dabei schreiend aus dem Studio des Literarischen Quartetts gerannt wäre.
Glaubt man den Berichten, und hier muss ich mich auf Augenzeugenberichte stützen, dann scheint auch so etwas wie ein Endgame, fern ab der ewigen Klopperei gegen andere Spieler, nicht vorhanden. Wer also nichts mit PvP zutun hat, der wird spätestens am Ende vor Langeweile vom Racing-Chair kippen.
Ja, dieser Eintrag klingt wie ein Verriss. Und verdammt, das soll er auch. Denn das was Amazon dort abliefert ist einfach unwürdig und ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich bei jeder neuen MMO-Ankündigung wie Bolle persönlich freuen, weil es endlich mal etwas Neues geben könnte. Nur, um dann wieder enttäuscht zu werden. Wie kann es sein, dass so mancher Indy-Entwickler innovativer und mutiger daherkommt, als ein Unternehmen wie Amazon? Wie kann ein solcher Entwickler die Frechheit besitzen und Spielern ein halbgares 08/15-MMO vorsetzen, welches wirkt, als käme es aus der Konserve? Als hätte jemand eine Blaupause angelegt und die Standard-Zutaten beigemischt.
Nein, New World ist sicherlich kein schlechtes MMO. Freilich, es krankt an so vielen Stellen, dass es hier den Rahmen sprengen würde, auf alles einzugehen. Unterm Strich bleibt eben doch ein solides 08/15-MMO. Ein Standard-MMO. Nicht mehr. Ist es das, was sich Spieler im Jahr 2020 wünschen? Ist es das, was ein Studio wie Amazon Games den Spieler vorsetzen will? Kann es das denn sein?
Leider merkt man New World zudem seine Schlingerfahrt während der Entwicklung an. Es ist in vielen Dingen, bei den so genannten Features, eben sehr inkonsistent. Man merkt sehr wohl, dass es ursprünglich als PvP-MMO geplant war. Übrigens war es dort auch nicht innovativ oder gar herausragend gut. Nicht ohne Grund hat man sich dazu entschlossen umzudenken. Leider hat man offenbar nicht weit genug gedacht und so sieht man dem MMO seinen Flickenteppich sehr wohl an. Unter der Oberfläche schlummert ein Spiel, dass nicht ganz weiß, was es will. Will es nun PvE oder PvP? Oder Beides, aber dafür nichts wirklich gut?
Ja, dieser Eintrag mag befangen sein. Er mag nicht objektiv sein. Er mag tendenziös und vernichtend sein. Er mag nicht einmal immer fair sein. Es darf und kann aber nicht die Lösung sein, dass sich Spieler fortwährend mit dem Mittelmaß, und nichts Anderes ist New World, zufriedengeben, weil es sowieso keine Alternativen gibt. Frei nach dem Motto „in der Not frisst der Ozelot die Giraffe.“ Für viele Spieler dort draußen, wird New World eine Spielzeit von 1-3 Monaten bieten, maximal. Danach werden die Zelte abgebrochen und es geht weiter zum nächsten 08/15-MMO. Und das soll okay sein? Das wollen wir uns, wir Spieler, weiter bieten lassen?
New World ist keine neue Welt. Es ist dieselbe Welt, die wir MMO-Spieler seit Jahren vorgesetzt bekommen. Ein paar andere Hüte, ein paar andere Waffen, eine Story aus dem Generator, und ein ideenloser Entwickler, der den Mut einer Raufasertapete aufweist. New World ist der Versuch Amazons irgendwie einen Fuß in die Tür des Gamings zu bekommen. Es hat seinen Grund, warum es kaum noch Entwickler gibt, die sich an das MMO-Genre rantrauen. Das Genre ist einfach nicht mehr lukrativ genug. Aber woran liegt denn das? Fragt man die Spieler, dann wird doch eigentlich klar, dass neue MMOs schlicht wie die alten sind. Sie bieten kaum Herausforderungen und Innovationen, und damit auch kaum einen Grund länger als irgend nötig dabei zu bleiben. Das rechnet sich weder für Spieler, vom Zeit- und Geldeinsatz her, aber auch für Entwickler nicht. Und doch versuchen es Einzelne immer wieder. Wie eben Amazon. Leider machen sie alle dieselben Fehler wie die, die vor ihnen gescheitert sind. Gleich einem Haufen Lemminge.
Am Ende, und das kann als Schlusswort stehen, ist New World auch nur ein Symptom eines krankenden Genres. Eines Genres, dass dereinst für volle Konten bei Publishern und Entwicklern gesorgt hat. Von dem jeder ein Kuchen abhaben wollte. Und eines, an dem Viele gescheitert sind, weil sie einfach versucht haben, den Erfolg zu kopieren. Und selbst heute versuchen sie es noch. Noch immer glauben Studios wie Amazon, dass wenn sie Erfolgstitel wie WoW oder andere kopieren, und nur die Grundbausteine 1:1 übernehmen, dass sie damit Erfolg haben könnten. Meine Glaskugel verrät mir, dass sie es damit schwer haben werden. Sehr schwer.
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