Sein oder Nichtsein?

Von 8Lisa91 · 17. Juli 2015 · Aktualisiert am 17. Juli 2015 ·
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  1. Die Frage nach der Identifikation mit der Spielfigur.

    Videospiele haben eine Art Sonderstellung in der Medienwelt inne - sie sind interaktiv; der Konsument wird selbst zum Teil der Geschichte und der Handlung. Er kann selbst durch Knopfdruck entscheiden, was die Spielfigur macht und wann. Videospiele machen es dem Rezipienten möglich, Dinge auszuprobieren, die man so im echten Leben nie machen könnte/würde. Mit dem Fallschirm aus dem Heli springen? - Kein Problem! - Im echten Leben? - Na mal schauen...
    Da kostet das dann doch schon einiges an Überwindung.

    Viele Medienwissenschaftler und Psychologen sind der Überzeugung, dass immer eine Identifikation des Spielers mit der Spielfigur stattfindet.
    Das ist eine Frage, die mich seit einiger Zeit beschäftigt: Ist tatsächlich immer eine Identifikation gegeben? Variiert diese Identifikation stark von Spieler zu Spieler oder gibt es einen hohen Konsens hierzu?

    Es gibt die Theorie, dass beispielsweise männliche Spieler ihre weibliche Seite ausleben würden, wenn sie eine weibliche Figur spielten, dass das dann eine Art Trans-Gender-Erfahrung wäre. Im ersten Moment war ich etwas skeptisch und auch jetzt bin ich mir nicht sicher, ob man das (pauschal) so sagen kann. Ich als Frau müsste ja quasi ziemlich oft meine männliche Seite ausleben, wenn ich Videospiele zocke, egal ob es um einen Mario-Titel geht, um die frühen Pokémon-Editionen, in denen man nur als Junge auf Reisen gehen konnte, oder wenn ich den Ritter Galahad durch ein viktorianisches/steam-punkiges London steuerte (+ diverse weitere Beispiele). Auch kann ich nicht sagen, ob ich "eher männliche" Verhaltensweisen (gibt es so was überhaupt?) an den Tag lege, wenn ich die Geschichte eines männlichen Protagonisten vorantreibe.
    Ein Kumpel von mir übernimmt in WoW immer eine weibliche Figur. Die Gründe hierzu haben (laut ihm) zwar nichts mit einem Quasi-Dasein als Frau zu tun, aber vielleicht gibt es ja doch so einen kleinen Teil in ihm, der das virtuell mal erleben möchte? Der anonym "als Frau" Teil einer rein männlichen Gruppe sein möchte?

    Ich dachte darüber nach, wann ich mich wirklich mit dem Charakter identifiziere, wann ich das Gefühl habe, wirklich selbst Teil der Handlung zu sein und ich muss sagen, wenn ich einen kleinen pixeligen Mario durch diverse Level jagte, kam dieses Gefühl von Identifikation nicht bei mir auf (obwohl ja gesagt wird, dass sogar bei Mario-Titeln schon eine Art Identifikation auftritt). Dies kann natürlich an der eher dürftigen Präsenz einer Geschichte liegen. Bei Rollenspielen kommt das Sich-in-den-Charakter-hinein-Leben nämlich schon eher auf. Irgendwie war ich ja schon der, der da durchs hohe Gras stapfte und Pokémon fing. Aber lag das damals vielleicht an meiner lebhaften, kindlichen Imagination? Und auch obwohl ich Galahad nur über die Schulter linse, bin trotzdem ich diejenige, die bestimmt, auf welchen Gegner als nächstes gezielt wird und mit welcher Waffe ab jetzt gefeuert wird.
    Am liebsten ist mir aber immer noch die Ego-Sicht (wie ja in vielen Horrorspielen gegeben). Die Unmittelbarkeit und die Direktheit (die natürlich trotzdem nicht an die Realität reicht - ist ja klar), macht für mich noch immer das beste Spielgefühl aus. Erst dadurch ist für mich ein wirklich starker Grad an Identifikation erreicht. Ansonsten gibt es da ja doch immer eine (virtuelle) Schranke, die mir vor Augen führt, wer die Abenteuer eigentlich (zumindest im Spiel) erlebt.

    Wahrscheinlich hängt das stark von der Persönlichkeit, etc. ab. Vielleicht gibt es auch nur geringe/wenige Unterschiede zwischen verschiedenen Spielern. Aber das ist (wie schon gesagt) eine Thematik, die sich mir oft stellt und mich irgendwie nicht so recht loslässt.

    Über den Autor

    8Lisa91
    Schreiben, Kino, Games&Medien, Kultur

Kommentare

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  1. HeerHenker
    Ich glaube eher, dass eine Auseinandersetzung mit dem/der Protagonist/in und der Spielwelt im Allgemeinen ensteht. Die Identifikation ist, glaube ich, nicht das wichtigste, das pure Auseinandersetzen mit dem Spiel lässt den Spieler in das Spiel einsinken.
    Ich glaube, dass das oft verwechselt wird.
    Wenn wir das mal Annehmen, wäre die Identifikation, und die Ablehnung des/der Protagonisten/in gleich wichtig für das Erleben des Spiels.

    Obwohl man den/die Protagonist/in nicht mag oder sich nicht mit ihm oder ihr Identifiziert, ist man durch die Auseinandersetzung damit auf die selbe Metaebene vorgedrungen, welche es dem Spieler möglich macht das Spiel auf dieser tiefen Ebene zu erleben wie wir es alle tun.
  2. Bumsfallera
    Der Plural. :ugly:
  3. Hallaflame
    Manchmal möchte ich mich in die Figur und deren Identität rein versetzen die ich "vorgesetzt" bekomme (Witcher, oder sogar "Commander" @C&C) manchmal hab ich eine eigenen Idee von Figur und möchte diese verwirklichen (generic RPG).
  4. WINDoSt
    Diese Frage hat sich mir nie gestellt. Natürlich bin ich nicht der Charakter, den ich steuere. Selbst in MMOs, wo man mit anderen über seinen Charakter interagiert, ist mir das nie in den Sinn gekommen. Ich hab auch nie diese Leute verstanden, die versuchen, irgendwas in die Tatsache hinein zu interpretieren, dass ich weibliche Charaktere spiele, oder die, die absolut keine weiblichen Charaktere spielen können, als würde ihr Dödel abfallen, wenn sie auf den Kreis mit dem nach unten zeigenden Kreuz in der Charaktererstellung klicken. Einen weiblichen Charakter zu spielen ist kein "heimlich die unterdrückte weibliche Seite ausleben". Ich spiel die, weil sie hübsch anzuschauen sind. Was ist denn daran so merkwürdig?
  5. Ritter des Herbstes
    Ich glaub da liegt der Hund begraben: Das Genre ist einfach aufgrund seiner Wurzeln falsch benannt.
    In den meisten Spielen spielt man einfach Theater- mit mal mehr, mal weniger "künstlerischer Freiheit" beim Protagonisten.



    Ich muss bei dem Thema immer an diesen ganz furchbar mittelmässigen Xcom Shooter denken, der da einen ganz coolen, wie ich fand, Twist hatte. Ich will an der Stelle aber nicht spoilern :x .

    Der Faktor Genre ist meiner Meinung nach wichtig. Keine ahnung, aber im Jump and Run geht die Identifkation gleich null- Ich seh mich da weder als Fleischkubus, noch als italienischer Klemtner oder Meisterninja.
    Wie ja schon angemerkt wurde, sind die meisten modernen Figuren zu einem bestimmten Teil offen gehalten, eben weil zu "abgeschlossene" Figuren gerne mal zu irritationen führen. An der Stelle kann man wohl "Spec ops: the line" nennen, ein Spiel, das viele ja nach einer aufgezwungenen Entscheidung im ersten Drittel (keine Ahnung warum ich drum herum schreibe, die Szene sollte ja jeder kennen)gerne mal aufgehört haben zu spielen.
  6. Serenaya
    Interessante Diskussion. Wenn ich einen Charakter lenke, erlebe ich seine/ihre (hoffentlich gute) Geschichte, aber ich identifiziere mich als Person nicht damit. Das ist für mich wie ein Buch oder Film, aber ich darf Einfluß nehmen auf den Verlauf. Selbst wenn der Charakter die Freiheit bietet, gut oder böse sein zu können, spiegelt dass meiner Meinung nach nicht den eigenen Charakter wieder. Manche spielen halt mal als "böse", einfach nur um zu sehen, was das für Auswirkungen hat. Und da man ein Spiel spielt, hat dieses Ausprobieren keine Konsequenzen auf reale Personen etc.

    Für mich alles eine Frage des gesunden Menschenverstandes ;)
  7. Ajunta
    Ich identifiziere mich nicht mit meiner Spielfigur sondern ich will eine spannende Geschichte erleben. Eine weibliche, oder männliche Hauptrolle entscheide ich eigentlich nur dadurch was meiner Meinung nach gerade besser zum Szenario passt.
    Ich überlege mir wie ich die Hauptrolle einschätze, welche Charaktereigenschaften sie hat.
    Meine Entscheidungen in einem Spiel richten sich bewußt danach wie eben jene Hauptrolle reagieren würde, nicht wie ich reagieren würde. Dabei ist mir am wichtigsten das die Geschichte voran kommt, und wenn die Hauptfigur auf ein Happy End verzichten muss damit die Geschichte intensiver ist, ist es halt so.

    Ein Beispiel: In Mass Effect 1, hat meine Jane Shepard Kaidan Alenko zum sterben zurück gelassen obwohl sich mit ihm eine Romanze angebahnt hat. Einfach weil ich Shepard als eine Person gesehen habe die, die Mission, schweren Herzens, über persönliche Gefühle stellt. Das gab Dramatik.

    Das sagt ja eigentlich schon das Wort "Rollenspiel". Man spielt nicht sich selbst sondern eine Rolle.

  8. Raet
    Identifiziere mich nicht mehr mit den Figuren als in Filmen und Büchern. Teils gibt es in Spielen weniger zu interpretieren und umdeuten aber selbst vielschichtigen RPGs sind die Entfaltungsebenen zwangsläufig vorgegeben und streng limitiert.
    Eine gewisse Empathie mit dem Avatar und Szenario kann dabei das Sahnehäubchen sein. Eine Identifizierung mit der Figur welcher deutlich über jene der traditionielleren Medien herausragt wäre aber eine zu intensive Erfahrung.

    Gestern einen Fragebogen-link von Wargiming bekommen und war überrascht wie sehr er sich mit der Spielmotivation und derren Verknüfung mit der Realität befasste.
    U.a. wurde gefragt ob man sich mit der Spielweise identifiziert, ob seltene Erfolge angestrebt werden und auch ob man sich erst dadurch wirklich lebendig fühlt. Auch ob man sich selbst einschränkt um später ingame-Inhalte zu erwerben...

    In Spielen sehe ich gerne meinen Fortschritt auch in der Veränderung und Reifung der Avatare, weswegen ich unabhängig vom Genre die 3th Person Ansicht bevorzuge (Leiter hochkleter vs. Leiter hochschweben). Zudem bieten einige Titel für manche Geschlechter/Klassenmischungen nur geringen athmosphärischen Support; wie anderst liese sich erklären warum die vermeindliche würdevolle Ganzkörperrobe bei einen weiblichen Avatar angemessen wirkt während der männliche Gegenpart im Schlafanzug zu stecken scheint?
    Ohne die entsprechende Berichtersattung oder Vor-Information würde ich dabei etliche Möglichkeiten ungenutzt lassen weil ich sie auf den ersten Blick Reflexartig abgelehne.
    Wer hätte gedacht das es Spass machen könnte sich als Kleinkind mit Tränen gegen monströse Föten aktiv zu verteidigen?
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