Es wird allgemein viel darüber gesprochen, wie gut Storytelling - also das Erzählen einer Handlung - in Videospielen ist, beziehungsweise sein kann. Dabei teilen sich die Experten in zwei Gruppen: Gruppe 1 hält sämtliche Story in Spielen grundsätzlich für den letzten Schund und Gruppe 2 hat einen beinahe religiösen Glauben daran, dass auch anspruchsvolle Handlungen in Videospielen erzählt werden können. Beide Gruppen haben einschlägige Argumente, aber letztlich vermag keiner ein abschließendes Fazit zu verkünden. Wie auch, bei einem Thema, das subjektiver kaum sein könnte. Spieler, denen Thomas Mann's "Buddenbrooks" als abendlichen Lektüre zu anspruchslos geworden ist, werden ein anderes Empfinden für die erzählerische Qualität einer Story haben, als Spieler die jeden Abend über einem "Lustigen Taschenbuch" einschlafen.
Braucht ein Spiel überhaupt eine Story?
Pong war das erste kommerziell erfolgreiche Videospiel. Eine tiefgreifende Handlung suchte man hier jedoch vergeblich. Tetris hat unzählige Menschen stundenlang an den Bildschirm gefesselt, warum man jedoch Blöcke aneinanderreihen musste, die dann plötzlich verschwanden, wurde dem Spieler nie erklärt. Man sieht also, ein Spiel braucht nicht unbedingt eine Geschichte. Dennoch ging das erste Spiel, dass schließlich Ansätze einer übergreifende Handlung mit sich brachte, durch die Decke: Donkey Kong. Die Geschichte von Jumpman (später auch als Mario bekannt), der seine Freundin Pauline aus den Fängen eines aggressiven Affen befreien muss, gilt noch heute als Ursprung des Storytellings in Videospielen. Wenngleich beim spielen selbst vermutlich kaum mehr einer an die Story gedacht hat.
Donkey Kong kam im Jahr 1981 in die Spielhallen; also vor etwas mehr als 30 Jahren. Verglichen mit dem Medium "Film", welches seit dem Jahr 1895 existiert, haben Videospiele eine rasante Entwicklung hinter sich. Beim Film hat es allein über 30 Jahre gedauert, bis zu der visuellen auch die akustische Komponente hinzukam. So kam der erste vertonte Film erst im Jahr 1926 in den Kinos. Umso beeindruckender ist es, wie viel sich beim Storytelling in Videospielen in dieser vergleichsweise kurzen Zeitspanne bereits entwickelt hat. Spiele wie Silent Hill, Mass Effect oder Heavy Rain haben Meilensteine gesetzt, die schwer zu erreichen sind.
Environmental Storytelling
Oft wird die Story dabei nicht nur in Zwischensequenzen oder durch die Charaktere erzählt. Vielmehr ist die Umgebung ein wichtiges Element der Narration geworden. Man spricht vom "Environmental Storytelling". Perfekt eingesetzt wurde dieses Werkzeug in Spielen wie Half Life 2 oder The Last Of Us, die den Spieler in eine unbekannte Welt werfen, ohne ihn über die genauen Hintergründe seiner aktuellen Situation zu informieren. Die Umwelt lässt dann vermuten, welche Szenen sich in der Vergangenheit abgespielt haben müssen oder wie die Welt zu dem geworden ist, was sie heute ist. Hier ist auch die Fantasie des Einzelnen gefragt. Je umfangreicher und lebhafter man sich selbst diese "nicht erzählten" Szenen ausmalt, umso packender empfindet man die gesamte Story.
Mit dem Storytelling in Videospielen ist es ein wenig wie mit Autoren und Regisseuren. Es gibt die, die ihr Handwerkszeug beherrschen und diejenigen, die sich besser einer anderen Berufung zugewandt hätten. Mit einer falschen Herangehensweise kann man umfangreiche und zunächst interessant anmutende Handlungen komplett zerstören. Ein gutes Beispiel hierfür ist Assassins Creed. Während man dem ersten Teil noch einigermaßen folgen konnte, wurde die Handlung im zweiten und dritten Teil so wirr und unzusammenhängend erzählt, das letztlich niemand mehr wusste, um was es eigentlich geht. Der Spieler wurde regelrecht mit Informationen überflutet, die er letztlich nicht mehr zuordnen konnte. Das ist Schade, vor allem wenn der Einstieg der Story viel Potenzial versprochen hat.
Zu guter Letzt bleibt uns nur eines übrig: Den Blick nicht ganz so kritisch auf das Storytelling zu richten. Welchen Sprung Videospiele in den letzten Jahren gemacht haben ist beeindruckend und wir können uns sicher auf einige neue Ansätze in den nächsten Jahren freuen. Vor allem besser ausgearbeitete Charaktere, mit denen sich der Spieler identifizieren kann, werden uns in Zukunft hoffentlich häufiger begegnen. Auch wenn Videospiele noch nicht ganz zum Kulturgut geworden sind, so haben sie einen großen Vorteil zu Büchern oder Filmen: sie motivieren uns zur aktiven Interaktion und haben einen direkten Draht zur Jugend.
* * * auch veröffentlicht auf www.scorby.de * * *
Storytelling in Videospielen
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