Nach der mehrwöchigen Downgrade-Debatte, bei der keiner weiß ob wirklich einer statt fand oder vorgerenderte Videos als Spielegrafik kommuniziert wurden, wird es Zeit für Kritik die auch mit dem eigentlichen Spiel zu tun hat, statt mit der PR im Vorfeld.
Grafik
Insgesamt gehört sie wohl zum besten was das Genre derzeit zu bieten hat. Besonders die Modelle und Skins von Mensch und Tier sowie die Weitsicht gefallen mir sehr gut. Da stört es auch kaum wenn Böden und Möbel nur durchschnittlich sind und es Spiele gibt die in dem Bereich mehr anbieten, denn in der Summe ist die Grafik stimmig und atmosphärisch und die anderen Spiele müssen sich nicht mit so einer Vielzahl an Objekten gleichzeitig abmühen. Aufploppen von Personen habe ich lediglich einmal bemerkt.
Sound
Für mich ist die Abteilung akkustisches Erlebnis die größte Baustelle des Spiels. Die Sounddateien selbst sind professionell aufgenommen und werden in angemessenen Lautstärkeverhältnissen wiedergegeben. Die englischen Synchronsprecher machen ihren Job ebenfalls gut genauso wie die deutschen Sprecher.
Mir missfällt allerdings, dass alle Texte unabhängig von der Umgebung klingen als wäre man ihm Aufnahmestudio, dabei sollte man annehmen, dass es einen Unterschied macht ob ich das selbe Geräusch in einem Burghof, einer großen Halle oder einem kleinen Schlafzimmer höre.
Desweiteren gibt es keine realistischen Dialoge in Bezug auf die auffälligen Sprechpausen. Gefühlt muss jeder Protagonist nach jedem Satz sich erstmal 3 Sekunden ausruhen um den nächsten sprechen zu können. Das zieht die Dialoge nicht nur in die Länge, sondern fühlt sich auch unrealistisch an.
Ebenfalls unrealistisch ist ein Geräusch welches in windigen Wäldern zu hören ist und in einer Endlosschleife abgespielt wird. Es soll wohl den Klang der Äste simulieren die durch den Wind gegeneinander schlagen, klingt aber wie brechendes Holz und suggeriert mir, dass pausenlos Äste abgerissen werden, nur kann man dass weder sehen noch ist das langfristig gedacht realistisch, weil ja dann nach ein paar Stunden der ganze Wald kahl wäre. Da hätte man besser ein anderes Geräusch für die Endlosschleife wählen sollen und das jetzige nur gelegentlich einspielen sollen.
Was der Atmophäre ebenfalls abträglich ist und auch mit in die Kategorie Grafik einfließt sind Geralts Selbstgespräche. Warum muss er seine Lippen bewegen wenn er denkt? Ich jedenfalls führe keine lauten Selbstgespräche sondern innere Dialoge, deshalb wirkt er auf mich wie ein Gestörter der alles verbalisieren muss was ihm in den Sinn kommt. Zumindest kenne ich Selbstgespräche in der Öffentlichkeit nur von Leuten die offensichtlich ein schweres Los haben. Wie es mit einem normalen Menschen aussieht wenn er allein ist kann ich aber nicht wirklich beurteilen, weshalb man das aus künstlerischer Freiheit heraus natürlich so machen kann. Nur gefällt's mir halt nicht.
Man kann noch anführen, dass der Sound insgesamt zu leise ist im Vergleich zu anderen Spielen, VLC, TS3, Windowssounds oder Internetvideos auf Youtube und GS, allerdings habe ich das Problem auch bei GTA V und lässt sich mit dem Regler an den Boxen schnell korrigieren.
Steuerung
Die Steuerung ist nicht ideal, aber erfüllt ihren Zweck. Anders als in mehreren Kommentaren zu entnehmen war, ist die Maussteuerung im Vergleich zum Gamepad nicht fürchterlich. Der Unterschied ist im Großen und Ganzen, dass ein Stick feinere Abstufungen bei der Bewegungsgeschwindigkeit zulässt und sich Geralt dadurch einfacher in kleine Zielzonen bewegen lässt, wie es beim Looten oft nötig ist. Alle anderen Schwächen, davon gehe ich zumindest aus, treten auf dem Gamepad genauso auf wie bei der Maussteuerung.
Da wäre zum Beispeil das schon erwähnte Lootproblem. Auf die meisten Kisten lässt sich problemlos zugreifen, einige jedoch haben sehr kleine Zielzonen insbesondere wenn Kerzen darauf stehen. Drei Kisten konnte ich trotz minutenlanger Versuche von allen Seiten und Entfernungen gar nicht einsehen.
Desweiteren stört mich, dass Geralt vor allem mit aber auch ohne Plötze ständig irgendwo hängen bleibt und abstoppt. In den meisten Spielen schaffen es die Avatare sich vorbei zu schieben. Durch dieses Problem habe ich es noch nicht geschafft Plötzes Ausdauerbalken auf 3/4 zu bringen, trotz der nützlichen Autowegfindung die einen nicht nur auf dem Weg halten kann sondern auch abseits der Pfade Plötze automatisch Bäumen ausweichen lässt.
Ebenfalls merkwürdig finde ich, dass Geralt nicht senkrecht springen kann sondern immer ein Stück nach vorne Springen muss. Tut mir leid aber wenn ich das wollen würde, würde ich "W" beim Sprung drücken. Durch die schwerere Feinpositionierung mit der Tastatur werden Klettereien schnell frustrierend, sind zum Glück aber bislang noch nicht relevant beim Questen gewesen, sondern nur beim Erkunden.
Und dann wäre da noch der Kampfmodus, beziehungsweise, das Fehlen der Möglichkeit diesen zu beenden. Normalerweise kann man wegrennen, wenn man beim Klauen gesehen wird und nicht von den höher leveligeren Wachen umgehauen werden will. In der Garnision in Weißgarten geht das nicht, weil die den Eingang verschließen (ist nachvollziehbar und gut) und über die Mauer klettern geht nicht, weil Geralt im Kampf nicht springen kann und auf den normalen Modus kann man nicht wechseln und das finde ich dann nicht mehr nachvollziehbar. Wieso kann eine Person nicht mehr springen, wenn jemand in der Nähe ist, der mir Schaden will? Gerade dann sollte, zumindest ein reales Lebewesen, durch Adrenalin sogar höher und weiter springen können.
Story
Die Story ist bisher, wie durch die vielen Lobe im Vorfeld erwartet, erwachsen und gut bis sehr gut. Inwieweit sie sich beeinflussen lässt, um auch beim zweiten und dritten Mal gut zu unterhalten kann ich noch nicht einschätzen. Besonders gelungen finde ich die kleinen Geschichten, die abseits der Quests erzählt werden und sich aus optionalen Gesprächen mit Personen die für verschiedene Missionen relevant sind Stück für Stück zusammen setzen (Zum Beispiel die Geschichte von dem Sohn eines Adligen/Lehnsherren in Weißgarten, die erzählt wird durch eine Tatortuntersuchung, ein Tagebuch, eine Kräuterhändlerin und einen Jäger.)
Gamplay
Sehr positiv ist auf jeden Fall das fehlen stumpfer Sammelaufgaben in Form von "Töte 5 Wölfe", "Finde 3 Bratpfannen" Quests. Es gibt aber Collectibles wie die Orte der Macht oder kaputte Schreine, die repariert werden sollen.
Die Kämpfe funktionieren und lassen meist unterschiedliche Strategien zu (benutze ich jetzt das passende Öl/Trank und muss vorher eventuell noch eine bestimmte Pflanze finden/kaufen oder versuche ich einzelne Gegner aus der Gruppe zu locken oder verzichte ich auf den schnellen Nahkampf und verschieße minutenlang Bolzen oder betreibe ich Hit'n'Run indem ich Schaden austeile bis ich stark verletzt bin und renne dann weg, um mich in Ruhe fit zu essen/trinken). Während der Quests kann es aber vorkommen dass unsere Kämpfe unter besonderen Bedingungen stattfinden und uns einerseits die Alternativen einschränken und andererseits mehr Abwechslung ins Spiel bringen.
Das Crafting- und Charaktersystem mag nicht jedem gefallen, aber ist auf jedenfall eine gelungene Abwechslung zu anderen Rollenspielen und ist damit sowas wie ein Alleinstellungsmerkmal von TW3 sogar gegenüber seinen eigenen Vorgängern. Mir gefällt's und macht das Spielerlebnis neuartig. Bei Oblivion und Skyrim wurde an dieser Stelle ja auch rumgeschraubt, um nicht das immergleiche Spiel mit neuer Grafik/Story rauszubringen wie bei Baldur's Gate oder CoD MW 1-3. Auch bei Far Cry 2-4 oder AC wurde das Gameplay eigentlich nur erweitert statt mal einen anderen Ansatz auszuprobieren.
Umfang und Balance
Dazu ist mir bislang eigentlich nichts besonders positiv oder negativ aufgefallen und wird wohl auch von jedem Spieler eher individuell empfunden als dass man das pauschal festhalten kann.
Mein ulkigster Bug bisher
Die Kräuterhändlerin in Weißgarten hat eine Patientin, die dort mit Schmerzblockern und Schlafmitteln behandelt wird und sollte normalerweise da einfach rumliegen. Bei einem späteren Besuch lag sie wie immer im Bett, aber nachdem ich mit der Händlerin gesprochen hatte kam sie zur Tür herein und legte sich hin.
*ACHTUNG MINI WINZ SPOILER*
Das war deshalb in dem Moment so witzig, weil ich ihr gerade das Hexerheilmittel geben wollte von dem die anderen Dorfbewohner nix mitbekommen sollen. In dem Moment kam eine Frau in die Hütte und ich dachte erst "gut warte ich mal lieber bis sie wieder geht", stattdessen ging sie zum Bett und legte sich hin. Hat kurz gedauert bis ich realisiert habe, dass die Patientin heimlich spazieren geht, wenn die Kräutertante von Kunden abgelenkt wird.
*SPOILER ENDE*
Es passiert übrigens ständig, dass meistens der Geprächspartner aber auch Unbeteiligte für eine Konversation an einer anderen Stelle stehen und sich anschließend wieder zu ihren Stammplätzen begeben. Ist aber unter normalen Umständen kein richtiger Bug, nur dann wenn die versetzte Person eigentlich nicht in der Lage ist zu gehen wie in diesem Fall.
Ein Wort zu Wertung der Gamestar
Die Bewertung halte ich für nachvollziehbar, nur beim Punkt Präsentation (Grafik & Sound) hätte man auch negative Punkte aufführen können, wenn man gewollt hätte und trotzdem guten Gewissens 5 Sterne vergeben können. Die schwächen sind nicht schwerwiegend, aber zu suggerieren, dass gar keine existieren, suggeriert mir eher, dass an dieser Stelle nicht objektiv/professionell gewertet/betrachtet wurde.
Testbedingungen
Ich habe das Spiel über 20 Stunden gespielt (Tutorial, Weißgarten, ein Teil von Velen), dadurch kann es natürlich sein, dass ich in Novigrads Tavernen noch vermehrt auf aufpoppende Objekte Stoße, in Dörfern und Wildnis jedenfalls war davon kaum etwas zu bemerken. Gespielt wurde Version 1.03 auf Win 8.1 x64 mit einem i7-4770K (4 x 3,5 GHz), 16 GB RAM und einer GeForce GTX 780. Windows ist auf einer SSD und TW3 auf einer HDD (7200 rpm). Grafikeinstellung sind auf 60 Frames begrenzt, Unschärfe auf aus und der Rest auf Maximum. Läuft super flüssig, hatte nur anfangs das Gefühl, dass bei Geralt selbst einige Bilder in den Animationen fehlen und er sich dadurch mit "Microzucklern/-sprüngen/-teleportationen" bewegt. Ich konnte aber nicht mit Bestimmtheit sagen ob der Effekt da ist oder ob ich mir das einbilde. Und bemerkt habe ich das auch nur als ich explizit auf das schöne Geraltmodell geachtet habe. Beim normalen Spielen merke ich davon nix.
Jetzt seid ihr dran
Was hat euch besonders gefallen und welche Haare in der Suppe konntet ihr finden? Schreibt's in die Kommentare. Aber bitte keine Marketingdiskussion wegen der Trailer- vs. Spielegrafik-Problematik, das wurde jetzt schon mehr als nur dreimal durchgekaut.
PS: Wer Grafik und Story gut findet darf auch verkürzt schreiben: "Ich mag das GraS."
Kommentare
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