TLOU 2: There was a sequel...

Von Thore · 22. Juli 2021 ·
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  1. Mein Handy erinnert mich seit einiger Zeit jedes Mal an „The last of us Part 2“, wenn die Gamepro mal wieder eine News über das Spiel raushaut. Anscheinend gab es da wieder einige Neuigkeiten zu veröffentlichen. Entgegen besseren Wissens schau ich mir das an, nur um zu sehen, was es da mal wieder Wichtiges zu lesen gibt. Vorab: Das Spiel hat mich vor Enttäuschung tatsächlich ein paar Nächte nicht schlafen lassen und ich finde, es ist von der Fachpresse aufs krasseste überbewertet worden. Da mich das Thema immer noch beschäftigt, habe ich mal die Beiträge zu Mass Effect pausiert und das hier verfasst. Sozusagen für zwischendurch.

    Wie immer: Hier werden alle Spoiler passieren!

    The last of us
    Den ersten Teil habe ich anno 2013 gespielt. Ich bin da unwissend reingegangen und abgesehen vom Cover hatte ich keine Ahnung, was mich erwartet.

    Die Story hat mich total umgehauen!

    Bereits im Intro waren die Inszenierung und die schauspielerische Leistung sehr gut. Als ich Joels Tochter Sarah in seinen Armen sterben sah, musste ich erst mal ein paar Minuten still bleiben. Troy Baker (Joel) und Hana Hayes (Sarah) haben hier ganze Arbeit geleistet. Ich hatte direkt das Gefühl, etwas Besonderes vor mir zu haben, und das hat sich über den Lauf der Geschichte bestätigt.

    Die Welt von TLOU gleicht der unseren. Das einzige fantastische Element ist der mutierte Cordyceps Pilz. Diesen Pilz gibt es in unserer Realität ebenfalls, allerdings nur in tropischen Gebieten. Er befällt nur Ameisenarten und verändert dessen verhalten. Er bringt befallene Ameisen dazu, sich an für den Pilz günstige Orte festzubeißen, bis diese dann dort verenden. In der Welt von TLOU hat sich der Pilz sehr plötzlich auf den Menschen eingeschossen und hat große Teile der Bevölkerung infiziert. Die Menschen werden daraufhin wahnsinnig und sehr aggressiv. Der Pilz verbreitet sich dann durch den Biss eines Infizierten, oder durch dessen Sporen weiter. Die Infizierten durchlaufen nach der Ansteckung mehrere Stadien und je länger die Infizierten den Pilz in sich tragen, desto weniger menschlich sehen sie aus.

    Das Spiel lebt von seinen Charakteren. Joel und Ellie gehen zusammen wie Salz und Pfeffer. Auf der einen Seite die junge Idealistin, die trotz allem eine insgesamt positive Lebenseinstellung hat und mit ihrer Immunität gegen den Pilz unbedingt der Allgemeinheit helfen möchte. Auf der anderen Seite der durch den Verlust seiner Tochter traumatisierte, zynische und alternde Überlebenskünstler, der nicht mehr viele moralische Linien zum Überschreiten übrig hat. Wenn man zwei so unterschiedliche Charaktere aufeinanderprallen lässt, dann schreiben sich die Storys fast von selbst.

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    (Zwei der beliebtesten und meistdiskutierten Videospielcharaktere aller Zeiten)

    Das Worldbuilding ist ebenfalls sehr gut. Die Städte sind Verfallen, die Natur hat freien Lauf und holt sich die ehemals von den Menschen beanspruchten Gebiete zurück. Das environmental Storytelling geht hier Hand in Hand mit der direkt erzählten Geschichte. Die Regierung ist größtenteils zusammengebrochen und es gilt das Recht des Stärkeren. Die Menschen in dieser Welt sind verzweifelt. Sie rauben und morden, begehen sogar Kannibalismus, nur um genug zu haben, damit man irgendwie die nächsten Tage überlebt. Die Gefahr der Infizierten hängt permanent über den Bewohnern dieser Welt und man weiß nie, ob man den Tag überleben wird.

    Durch dieses Szenario kämpfen sich nun unsere beiden ungleichen Protagonisten. Die eigentliche Story handelt davon, wie diese beiden Figuren zwanzig Jahre nach dem Ausbruch der Pilzpandemie durch das postapokalyptische Amerika ziehen, um eine Gruppierung zu finden, die aus Ellies Immunität einen Impfstoff herstellen möchte. Dabei laufen sie jeder Menge Nebenfiguren über den Weg, die mal mehr und mal weniger antagonistisch sind. Jede einzelne dieser Figuren ist hervorragend ausgearbeitet und lässt die Welt lebendig wirken. Es gibt weder strahlende Helden noch schnurrbartzwirbelnde Bösewichte. Jede Figur ist auf die eine oder andere grau (sogar David, der Anführer der Kannibalen). Das Pacing der Handlung zeigte, dass der Autor sein Handwerk versteht. Ruhige Szenen haben sich mit wilder Action, und leichte humorvolle Szenen mit tragischen Momenten abgewechselt. Der Spieler hatte immer die Zeit, das gezeigte zu verarbeiten und zu reflektieren. Das ist aus demselben Grund wichtig, aus dem ein Star Wars Film keinen 120 Minuten langen pausenlosen X-Wing-Tie / Fighter Dogfight zeigt. Der Zuschauer würde relativ schnell abstumpfen und die Spannung würde verloren gehen.

    Das Gameplay war zweckmäßig. Shooter mit dem Gamepad finde ich irgendwie immer furchtbar und ich vermute mal, die wenigsten haben TLOU wegen des Gameplays in Erinnerung. Allerdings war das Trefferfeedback sowohl bei Fern- als auch beim Nahkampf immer sehr schön wuchtig und dem Szenario angemessen brutal.

    Für einige ist es ein Meisterwerk, für andere ist es „ganz okay“. Kaum jemand findet das Spiel schlecht, soweit ich sagen kann. Für mich steht es auf Platz eins der Liste an Spielen, die ich in meinen dreißig Jahren Gamerkarriere je gespielt habe. Die Erzählweise, das Worldbuilding und vor allem Joel und Ellie haben mich so richtig gepackt und nicht mehr losgelassen. Meine Freundin, die normalerweise kaum je ein Videospiel mal anschaut, war ebenfalls von der Story begeistert. Ich habe dementsprechend viele Jahre auf das Sequel hingefiebert und es sehnsüchtig erwartet.

    TLOU - Part 2 oder auch TLOU mit Joel und Ellie Lookalikes

    Ca. zwei Monate vor Release hab ich dann durch die Leaks erste Zweifel bekommen. Joel stirbt sehr früh und man soll seinen Mörder spielen?! Wie soll das bitte funktionieren?
    Aber Neil Druckmann und Naughty Dog haben mich wieder eingelullt.
    „Man muss es Spielen, um es wirklich zu verstehen!“
    „Die Leaks sind falsch und außerdem voll aus dem Kontext gerissen!“
    „Wartet doch erst mal ab, ihr habt doch noch gar nichts gesehen!“
    Alles, was Naughty Dogs PR Maschinerie ausspucken konnte, wurde auch ausgespuckt. Halb Youtube wurde verklagt und zensiert, damit auch ja nichts weiter verbreitet wird, was natürlich eine Sisyphusarbeit ist.
    Und die Maßnahmen haben funktioniert, zumindest bei mir. Naughty Dog hat ja auch den ersten Teil so gut hinbekommen und Uncharted 4 fand ich gar nicht mal so schlecht. „So blöd können die gar nicht sein“, dachte ich mir. In jedem Interview wurde mir versprochen, dass Naughty Dog wüsste, wie sensibel sie solche Charakter behandeln müssen. Mir wurde versprochen, dass es eine Möglichkeit wäre, Joel und Ellie erneut kennen zu lernen und ihre Geschichte weiter zu verfolgen. An dem Spiel musste einfach mehr dran sein, als die Leaks zeigen.

    Es folgte ein Tritt in die Magengrube nach dem anderen.

    Joel
    Naughty Dog wussten, das die Spieler eine Fortsetzung mit Joel und Ellie erwarteten. Daher hat das Marketing hier angesetzt und alles getan, damit es so aussieht, als ob Joel eine bedeutende Rolle in der Story zuteilwird. Das ging so weit, dass extra Charaktermodelle von Joel erstellt wurden, die dann in pre-release Trailer eingefügt wurden, nur um im eigentlichen Spiel nie Verwendung zu finden. Troy Baker, der Schauspieler der Joel verkörpert, sagte in Interviews, dass Joel definitiv eine tragende Rolle haben wird. Nach Release wurde klar, dass das eiskalt gelogen war. Joel hatte keine tragendere Rolle als (sagen wir mal) der leuchtende Koffer aus Pulp Fiction.
    Joels früher Tod hat seinen Charakter zu einem Plot Element reduziert, der Ellie ihren „Call to Adventure“ gibt. Aus einer handlungsmechanischen Sicht ist er kein Charakter mehr. Er hat keine Entwicklung und nur ungefähr fünf Minuten Screentime. Seine einzige Funktion ist es, Ellie auf ihre schlechte Rache Story zu schicken. Danach wird er aus der Handlung entfernt und in den Bereich der Flashbacks verbannt. Aber da unsere Erwartungen ja „subverted“ wurden, ist es brillant? Muss man inzwischen als Publisher nichts weiter tun, als die Kundschaft vor Release hinters Licht zu führen, um gefeiert zu werden?

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    (Wer zum Geier bist du, du Lemming?)

    Außer dem Aussehen hatte Joel auch nicht viel gemein mit der Figur aus dem ersten Teil. Die Art, wie er in diese Gruppe reinstolpert, die ihn schlussendlich umbringt, passt so überhaupt nicht zu dem, was man aus dem ersten Teil über Joel weiß. Zusätzlich trifft er nur durch einen fast schon kosmischen Zufall auf seine Mörderin, dass die ganze Sache sehr überhastet und hektisch wirkt. Joel war ein wichtiger Charakter des ersten Teils und einer der beliebtesten Videospiel-Charaktere seiner Generation. Und er wird von einer Figur getötet, mit der man als Zuschauer überhaupt keine Verbindung hat, während er sich wie ein Lemming verhält. Nur weil es unerwartet und zufällig passiert, ist es kein gutes Writing!

    Das Ende von Teil eins war wirklich gut. So gut, dass es über Jahre immer wieder diskutiert wurde. Joel ermordet einige Fireflies, um Ellie zu retten. Die Fireflies wollten wiederum Ellie ermorden, um aus ihrer Immunität ein Gegenmittel zu entwickeln. Am Ende des Spiels kämpft er zum ersten Mal nicht aus Notwehr, sondern aus Liebe zu seiner Ziehtochter. Das Ende wird dann dadurch so überzeugend, dass Joels Handlung nicht eindeutig gut oder schlecht ist. Man kann auf der einen Seite argumentieren, dass das Leben von vielen wichtiger ist, als ein einzelnes Leben und dass Joel der Menschheit ihre zweite Chance durch die Tat genommen hat.
    Man kann auf der anderen Seite aber auch sagen, dass die Fireflies eine Terrororganisation waren, bei der überhaupt nicht sicher war, dass sie so ein Gegenmittel in Massen herstellen und verteilen könnten. Ellie wurde nicht gefragt und nach dem, was man im ersten Spiel gesehen hat, war sie sich nicht bewusst, dass sie selbst geopfert werden muss. Sie hat Pläne für die Zeit nach der Impfherstellung gemacht und bspw. Joel gebeten ihr das Gitarrespielen und Schwimmen beizubringen. Aus Sicht von Joel sind seine Handlungen absolut nachvollziehbar. Würdest du (ja du, der Leser) dein eigenes Kind opfern, um die potentielle Chance auf eine Impfung zu erhalten?
    Ich persönlich hab beim ersten Playthrough sofort auf den Arzt geschossen, nachdem die Tür zu dem Operationssaal offen war, in dem Ellie das Gehirn entfernt werden sollte (der Pilz befällt das Gehirn und der Arzt brauchte es, um die Impfung herzustellen). Ein Freund von mir hat daraufhin ein sehr empörtes Geräusch gemacht und es folgte eine lange Diskussion (wir haben das mit mehreren Leuten als live Lets Play gespielt). Das macht das Ende so gut! Man kann Argumente für beide Seiten finden und das Spiel präsentiert dem Spieler eine moralische Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss.
    Im zweiten Teil wird das allerdings wieder vergessen und Joel ist ganz klar der Bösewicht.

    Die Museumszene mit Joel und Ellie war absolut wundervoll und für mich der einzig wirklich gute Teil am Spiel. Im Endeffekt hat sie aber auch nur Salz in die Wunde gestreut. Generell sind die Flashbacks mit Joel irgendwie merkwürdig ins Spiel eingebaut. Sie resonieren kaum bis gar nicht mit der Haupthandlung, sondern sind einfach da. Vermutlich weil Naugthy Dogs Marketingabteilung gesagt hat, dass Joel im Spiel sein würde.

    Ellie
    Ellies Rachefeldzug hat sie als Charakter zerstört. Ellie zieht los, um Joel zu rächen, und läuft richtiggehend Amok. Jeder Fünfjährige weiß, dass Rache kein gutes Motiv und Gewalt zunächst mal schlecht ist. Ich war spätestens dann nicht mehr an Bord, als Ellie angefangen hat Dutzende Menschen zu ermorden, deren einziges Verbrechen darin bestand, ihr im Weg zu stehen. Mit Fähigkeiten, die sie sich wohl irgendwann off-screen antrainiert hat, denn sie ist eine absolute Mordmaschine!
    Fast jede ihrer Eigenschaften des ersten Teils gehen ihr flöten. Im ersten Teil war sie Clever, Schlagfertig, Humorvoll, Loyal, Idealistisch und Verletzlich. Im zweiten Teil ist sie ein „Edgelord“ und Nihilismus ist ihr zweiter Vorname. Viel mehr als das, ist da dann nicht mehr. Viele ihrer Dialoge haben scheinbar nur den Sinn ihr eine „leg dich nicht mit mir an“-Aura zu verschaffen.

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    (Unsere Protagonistin... man erkennt sofort die Figur aus dem ersten Teil wieder, in dem sie ihr Training zur Kommandosoldatin hinter sich gebracht hat)

    Am Ende des Spiels verzichtet Ellie auf ihre Rache und verschont Abby, obwohl diese ihr hilflos ausgeliefert ist. Das wird dann von den Fans des Spiels als „den Teufelskreis zu brechen“ gefeiert.
    Die ludonarrative Dissonanz hat nie so heftig zugeschlagen, wie in diesem Spiel. Beispielsweise in der Spielreihe „Uncharted“ tötet der Protagonist Hunderte an Gegnern, ohne dabei je seine gute Laune zu verlieren. Das funktioniert, weil immer der sympathische Hauptcharakter Nathan Drake und seine Freunde, sowie ein Schatz, der gefunden werden will, im Vordergund der Handlung stehen. Der Ton in der Reihe ist größtenteils leicht und humorvoll.
    Das Ziel, jemanden umzubringen ist allerdings mitten im Zentrum der Handlung von TLOU2. Die zentrale Aussage von The Last of Us Part 2 soll sein, dass Rache nichts Wert ist und Gewalt nur den Teufelskreis weiterer Gewalt zur Folge hat. Damit Ellie allerdings bis zu dem Punkt gelangt, an dem sie auf dem Strand vor Abby steht, hat sie bereits Dutzende, wenn nicht hunderte Menschen ermordet.
    Wenn Ellie nun also Abby verschont, dann hat sie also bereits potentiell Hunderte neuer Teufelskreise erschaffen. Jeder NPC ist in der Theorie genau so komplex wie Abby, mit Gefühlen, Freunden, Familie und Sorgen. Diesen einen „Teufelskreis“ zu durchbrechen ist also zu diesem Zeitpunkt bereits wertlos, wenn man das Spiel für voll nimmt.
    Außerdem macht es aus Ellies Sicht keinen Sinn, Abby zu verschonen. Sie hat bereits alles aufgegeben und sogar ihre Familie verlassen. Und das nur, um noch ein Mal die Chance darauf zu bekommen, Abby ermorden zu können. Den ganzen Weg zu Abby hofft Ellie darauf, dass Abby noch am Leben ist, damit sie ihr selbst das Licht auspusten kann. Wie auch immer man als Spieler zu Abby steht, aus Ellies Sicht macht es einfach keinen Sinn die eigene Motivation in genau diesem Moment um 180° zu drehen und Abby zu befreien, anstatt sie zu ermorden.

    Abby
    Joel wird durch Abby zu Tode gefoltert, was Abby sofort storytechnisch zum Antagonisten gemacht hat. Ich habe nichts dagegen, als Antagonist zu spielen, den ich aktiv verabscheue, wenn es eine bestimmte narrative Funktion erfüllt. Dieser Abschnitt wurde aber über das halbe Spiel gestreckt mit deutlichen Längen. Nur um zu zeigen, dass Abby auch nur ein Mensch mit Gefühlen, Freunden und Sorgen ist, was irgendwie keine Überraschung ist.

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    (Unsere zweite Protagonistin... wer würde nicht gerne diese Psychopatin spielen?)

    Die Handlung von Abby hat außerdem nichts mit Ellie zu tun und vergisst völlig, dass es sie gibt.
    Das Spiel beinhaltet also zwei größtenteils unabhängige Handlungsstränge. Selbst wenn man Abby als Figur irgendwann sympathisch findet (was bei mir nie der Fall war), dann ist ihr Handlungsstrang dennoch deutlich schwächer. Ellies Charakter wird zwar zerstört, aber immerhin gibt es bei ihrem Erzählstrang noch alles, was eine Handlung braucht. Der „Call to Adventure“ war Joels Tod und sie zieht los mit der übergreifenden Motivation und dem Ziel „Räche Joel“. Ihre Konfrontation mit der WLF und dem vagen Gefühl, Abby immer näher zu kommen, lässt die „narrative Tension“ ansteigen. Die Zweifel, nachdem sie Nora gefoltert hat, sowie Mels und Owens Ermordung waren dann ihre Tiefpunkte. Die erste Konfrontation mit Abby hätte dann theoretisch das Finale sein können.
    Bei Abby fehlt das alles, sie hat keine übergreifende Motivation. Sie macht immer nur das, was gerade in der jeweiligen Szene als Aufgabe ansteht. Ganz (ganz!) grob zusammengefasst ungefähr so: Geh auf Patrouille, finde Owen, rette die Kinder, hole Medizinzeug, besiege das Monster aus Resident Evil, rette Lev, fliehe mit Lev und besiege Ellie. Diese Plotpunkte verbindet nicht viel und meistens ist es eine fixe Idee, oder ein schlechter Traum, der ihr kurzfristig die Motivation gibt. Erst ganz zum Schluß wird ihre Handlung in den übergreifenden Rache-Plot eingebunden. Mir kam es so vor, als wollte der Autor zunächst nur zeigen, wer Abby ist und warum sie auf Joel sauer war, bevor dann „spontan“ und ohne übergreifenden Plan eine Szene nach der anderen drangehängt wurde.

    Generell verstehe ich nicht im Ansatz, wie irgendjemand diese Figur verteidigen kann. Sie foltert einen alten Mann und lässt ihn dabei extra verarzten, damit er nicht zu schnell stirbt. Dann bringt sie ihn auf brutalste Art und Weise um, während daneben eine junge Frau liegt, die auf herzzerreißende Weise um sein Leben fleht. Später freut sie sich, als sie erfährt, dass sie eine Schwangere umbringen kann, und wird nur durch einen äußeren Einfluss davon abgehalten. Der Charakter ist so weit weg von Sympathie, wie man als fiktiver Charakter nur kommen kann. Da kann sie so viele Hunde streicheln, wie sie will.

    Außerdem ist ihr „Ark“ (wenn man den so nennen kann) so unglaublich plump präsentiert. Sie vollführt ihre Rache an Joel, kann aber immer noch nicht ruhig schlafen und hat immer noch Alpträume. Dann rettet sie die beiden Kinder und die Alpträume verschwinden plötzlich, weil sie ja plötzlich doch ein guter Mensch ist (Sie musste nur ungefähr zehn Menschen ermorden, um die beiden zu retten, aber das ist ja egal).

    The last of us Part II
    The Last of us Part 1 fängt damit an, dass Joel seine Tochter verliert, während um ihn herum die wortwörtlich die Welt untergeht. Das ist ein starker Beginn, der nicht einfach zu toppen ist.

    The Last of us Part 2 beginnt in Jackson, wo Ellie und Joel leben. Es fängt damit an, dass Ellie drauf und dran ist eine Beziehung zu der bisexuellen Dina anzufangen, nachdem diese mit Jesse Schluss gemacht hat. Jesse ist immer noch mit Ellie befreundet und tut so, als wäre er eifersüchtig, weil...
    Was soll das? Das ist doch TLOU Part II? Ich fühle mich, als würde ich einer lahmen Nachmittagssoap zusehen, mit diesen künstlichen Liebesbeziehungen, Teenage-Angst und billigen persönlichen Dramen. Ich kenne keinen dieser Charaktere, abgesehen von Ellie, und noch interessieren die mich nicht genug, als dass mich der Beziehungsstatus dieser Figuren interessieren würde.

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    (Der erste beginnt damit, dass die Zivilisation zusammenbricht. Der zweite damit, dass ich mir um das Liebesleben von Dina Gedanken machen soll.)

    Abby kommt nach Jackson und durch die Mutter aller Zufälle trifft sie direkt auf Joel. Joel rettet ihr das Leben und trottet dann wie ein Vollidiot mitten in die Gruppe an bewaffneten Fremden. Abby kann ihn dann ganz gemütlich aus dem Leben golfen und für mich war die Motivation, das Spiel zu spielen, erstmal im Keller. Die Spoiler hatten doch recht.

    Ellie ist halb wahnsinnig vor Wut und schwört auf Rache, während sie gefesselt vor diesen Fremden liegt. Aus irgendeinem Grund lassen diese sie trotzdem leben und Ellie kann losziehen, um die angekündigte Rache auch auszuführen. Das wird über drei Tage in Seattle dargestellt. Das Spiel verkommt dabei zu einer einzigen Aneinanderreihung von brutalem, bluttriefendem Elend, das es einfach nur abstumpfend wirkt.

    Ellie metzelt sich also durch halb Seattle, wobei die Handlung permanent bei der Frage „wo ist Abby?“ gegen eine Wand läuft. Ellie ermordet schließlich versehentlich eine Schwangere, woraufhin sie einen Nervenzusammenbruch hat. Jede einzelne der Dutzenden an Frauen, die ihr zum Opfer gefallen sind, hätte schwanger sein können und rein statistisch waren es wohl auch einige. Aber diesmal war es ein handlungsrelevanter NPC und sichtbar, deswegen war es in dem Fall wohl dramatisch?
    Dann taucht Abby in ihrem Versteck auf, weil Ellie, Thommy und Jesse durch die Großmutter aller Zufälle eine Stadtkarte bei der toten Schwangeren haben liegen lassen, die bequemerweise ihr Versteck preisgibt.

    Abby taucht also in dem Versteck auf, tötet Jesse (dessen Name nie wieder genannt wird, mal abgesehen von einer kurzen Erwähnung in einem Brief), setzt Thommy außer Gefecht und legt auf Ellie an. Die Spannung steigt und steigt und wird dann komplett gekillt, als die Handlung aus dem Nichts einen Zeitsprung auf vier Jahre vorher macht. Dann lernt man Abby kenne und „darf“ nach kurzer Einführung in der sie ein Zebra rettet, die drei Tage nochmal durchlaufen, diesmal aus Abbys Sicht. Ihre Handlung wird meines Erachtens nach sehr schnell langweilig und ich konnte es nicht erwarten (naja relativ gesehen, besonders viel emotionales Investment hatte ich zu dem Zeitpunkt schon lange nicht mehr), wieder Ellie spielen zu dürfen. Ellie wird allerdings in den drei Tagen vom Autor vollkommen vergessen und nur Thommy hat einen kleinen Auftritt für ein paar Sekunden.
    Abbys Vater war der Arzt, den Joel am Ende vom ersten Teil getötet hat und deswegen war sie hinter ihm her. Das Spiel will dann zeigen, wie sehr sie doch trotz Joels Ermordung eigentlich ein netter Mensch ist und zieht dabei alle Register. Sie hat so tolle Freunde und spielt mit Hunden (den Hunden, die Ellie ermordet) und rettet Kinder.

    Das retten von Kindern wird für sie tatsächlich fast zum Hobby. Erstmal rettet sie die beiden Kinder zusammen, vor den Scars. Dann rettet sie das ältere der beiden, Yara, indem sie medizinisches Gerät für das Mädchen klaut. In dem Krankenhaus, in das sie dafür einbricht, spielt man dann plötzlich „Resident Evil“ und kämpft gegen einen unpassenden riesigen Bossgegner. Mal im Ernst, warum sollte der Cordyzeps-Pilz einige dutzend Infizierte zusammen kleben und dem Ergebnis dann das Laufen und Kämpfen beibringen?

    Und das andere Mal, indem sie die Heimatinsel der Scars infiltriert, um den Jungen, Lev, vor der eigenen fanatischen Mutter zu retten. Da spielt man dann plötzlich „Call of Duty“ und stürmt auf einem Pferd durch ein brennendes Dorf, während alles um sie herum explodiert und jede Menge Blei verschossen wird. Das ist alles so richtig "The last of us", wie man es erwartet.

    Schlussendlich gelangt man zu der Szene, in der Abby auf Ellie zielt und der Point of View getauscht wurde. Der Spieler muss dann Ellie besiegen, wobei sie wie eine Art Bossgegner behandelt wird. (Ich muss zugeben, dass ich bestimmt 15 Minuten lang zugesehen habe, wie Abby wieder und wieder von Ellie erschossen wird. Ich hatte wieder besseren Wissens gehofft, dass das Spiel es irgendwann begreift und sowas wie ein geheimes Ende zeigt.) Nach der dritten Runde, in der das Spiel mir immer wieder dieselben Tips gegeben hat, wie ich "gewinnen" kann, hab ich dann seufzend das Gamepad wieder in die Hand genommen. Abby besiegt Ellie und lässt sie ein weiteres Mal am Leben, genau wie nach Joels Ermordung. Aus Gründen (Die ich weder kenne, noch irgendwie extrapolieren kann).

    Dann kommt noch ein weiteres kurzes Kapitel, was mit dem vorherigem Spiel kaum verbunden ist. Abby und Lev suchen nach den Fireflies und werden dabei von einer bis dahin komplett unbekannten Gruppierung gefangen genommen.
    Ellie und Dina haben indes ein idyllisches Plätzchen gefunden und genießen das Landleben mit dem Sohn von Jesse und Dina. Thommy taucht dann auf und schickt Ellie ein weiteres Mal auf die Jagd nach Abby. Sie massakriert sich wieder mal durch ein paar Dutzend Menschen, bevor sie endlich vor Abby steht. Dann vergisst Ellie plötzlich alles über ihre Rache und lässt Abby am Leben.

    What... the... fuck?!

    Ein Flashback auf Joels Leiche später, entschließt sie sich dazu, dass sie Abby dann doch nicht am Leben lassen möchte. Sie kämpfen und schließlich lässt sie Abby doch am Leben, nachdem sie einen Flashback von Joel hat.

    WHAT... THE... FUCK?!?!?

    Das ist ein Hin und her, dass einem schwindelig wird. Oberflächlich gesehen, ist das durch die Szenerie, der Musik und dem Acting ein emotionales Finale. Aber ich verstehe die Handlungen dieser Figuren keinen Meter mehr. Ich kann und will dem nicht mehr folgen. Mich hat das Spiel schon vor so langer Zeit verloren, dass ich nichts fühle, während sich die beiden Hauptfiguren gegenseitig verstümmeln.

    Abby fährt weg und Ellie bleibt alleine zurück. Die letzten Szenen sind dann auf der Farm, auf der Ellie feststellt, dass Dina fort ist und sie verlassen hat. Sie hat im Kampf gegen Abby zwei Finger verloren und kann nicht mehr mit der Gitarre spielen. Dann wandert sie davon ins Unbekannte. Sie ist gebrochen und einsam, was laut dem ersten Teil ihre größte Furcht war. Durch den Verlust der Musik auch noch ihres letzten Bands zu Joel beraubt.

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    (Eines der deprimierendsten Enden, die ich mir vorstellen kann)

    Was für ein absolutes Desaster an Handlung. Um das ganze noch zu toppen wird im Hauptmenü dann nach dem Abschluss des Spiels klar, dass Abby ihr Ziel erreicht und die Fireflies gefunden hat. Da „freu“ ich mich doch...

    Der zweite Teil hat durchaus gute bis sehr gute Momente, das will ich nicht bestreiten. Die schauspielerische Leistung ist durchgehend hervorragend und die generelle Cinematographie ist top. The last of us Part 2 scheut sich nicht davor komplexe Themen anzusprechen und zeigt auch die Auswirkungen durch die Taten der Charaktere. Trotzdem fällt die Narrative größtenteils flach. Die Charaktere sind zu unstetig, das Pacing der Story tanzt auf und ab und die „narrative Spannung“ ist auf einem Trampolin. Die Botschaft des Ganzen ist nicht subtil. „RACHE UND GEWALT SIND SCHLECHT“, schallt es dem Spieler an jeder Ecke aus dem sprichwörtlichen Megaphon entgegen. Wobei die Message dadurch untergraben wird, dass Ellie und Abby alles aus dem Leben stechen, schießen, schlagen, prügeln und brennen, was ihnen über den Weg läuft. Sogar noch nachdem sie eigentlich bereits gemerkt haben, dass es zu nichts führt und es das nicht wert ist. Das ist dann auch der Punkt, an dem die Narrative endgültig fehlschlägt. Es macht einfach keinen Unterschied mehr, ob Ellie Gnade gegenüber Abby walten lässt oder ihre Rache zum Ende bringt. Da sie Gnade walten lässt, wird diese Rache Story, zu einer Rache-Story ohne Rache.

    Mal davon abgesehen: Ist „Gewalt ist schlecht“ jetzt wirklich so eine bahnbrechende und „erwachsene“ neue Entdeckung des Spiels? Das Spiel sagt über 25 Stunden nichts anderes. Ich hatte danach nicht das Gefühl einer guten Story gefolgt zu sein, vielmehr schlechter Fanfiction mit völlig überzogenem Budget.


    Die Nebenfiguren
    Im ersten Teil wurden die Nebenfiguren meistens gut ausgearbeitet. Sie wurden vorgestellt und haben Joel und Ellie eine Weile begleitet und dabei gezeigt, was sie für Menschen sind und etwas über die Welt, oder Joel und Ellie offenbart. Nach einer Weile hat die Story sie dann wieder zurückgelassen.

    In TLOU Part 2 hatte ich das Gefühl, dass viele Nebenfiguren viel zu wenig Screentime bekommen, oder im anderen Fall trotzdem blass bleiben. Ich gehe hier nur auf einige explizit ein. Isaac mitsamt Schauspieler wurde groß angekündigt, hatte dann aber effektiv vielleicht 3-5 Minuten Screentime. Dasselbe mit Abbys Vater, an dem die ganze „Story“ des zweiten Teils hängt. Er rettet gerne Tiere, ergo muss das ein total toller Typ sein.

    Dina (und ein bisschen Mel)
    Ellie und Dina „are doing the deed“ in den ersten paar Minuten des Spiels, was irgendwie jedes Knistern zwischen ihnen rausnimmt. Die beiden sind sich schlussendlich auch so ähnlich, dass sie kaum je einen guten Dialog haben. Sie haben dieselben Ansichten, denselben Humor und generell dieselbe Meinung zu allem. Dina bleibt dabei ziemlich blass und ich bekomme kein Gefühl dafür, warum die beiden sich gegenseitig überhaupt anziehend finden, mal abgesehen vom rein körperlichem. Es gibt einfach nicht genug Reibungsfläche, um einen interessanten Dialog zwischen den beiden zu schreiben. Warum Dina ihr relativ komfortables Leben in Jackson aufgibt, um mit Ellie auf ihren verrückten Rachefeldzug zu gehen, hat für mich ebenfalls keinen Sinn gemacht.
    Auf dem Weg nach Seattle haben die beiden eine Unterhaltung, die beinahe klingt, als würden sie sich gegenseitig überbieten wollen, wer jünger war bei seinem ersten Mord. Ich hatte das Gefühl, als würde Dina nur Dinge erfinden, um vor Ellie nicht zurückstecken zu müssen. Dass sie eigentlich total nutzlos in einem Schussgefecht wäre. Da keimte die Hoffnung, dass es doch noch interessant werden könnte. Aber nein, es war einfach nur ein merkwürdiger und makabrer Dialog.
    Dinas neuentdeckte Schwangerschaft bringt dann irgendwann endlich etwas Spannung in die Dynamik, aber da sie dann kurze Zeit später aufgrund besagter Schwangerschaft zurückgelassen wird, muss der Spieler sich kaum damit auseinandersetzen.

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    (Echt mal, warum sollte Owen irgendwas zu sagen haben?)

    Als Kontrast: Mel, aus Abbys Gruppe, ist bereits hochschwanger, fährt aber mit auf Patroullie, liefert sich Verfolgungsjagden und Schussgefechte mit den Scars, und parkourt problemlos durch alte Ruinen. Hauptsache keinen Alkohol, das wäre ja ungesund fürs Kind und der Vater ihres Kindes darf sich auch keine Sorgen machen. Eine emotionale Verbindung zwischen Kind und Vater ist ja anscheinend nicht erwünscht, sie muss doch beweisen wie unabhängig und stark sie ist. Ich kam dabei aus dem Augenrollen nicht mehr heraus.

    Owen
    Ich muss tatsächlich sagen, dass ich Owen als einzigen Charakter im gesamten Spiel ziemlich gelungen fand. Man lernt seine Ziele kennen, warum er die Ziele erreichen möchte, dass er immer noch romantische Gefühle gegenüber Abby hegt, obwohl Mel ein Kind von ihm erwartet und dass er von allen Charakteren eigentlich der noch am ehesten moralische ist.

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    (Darf ich hier mal erwähnen, wie hervorragend das ganze durchgehend geschauspielert ist?)

    Als Beispiel mal die Szene auf dem Boot, wo Abby ihn findet. Owen ist Kriegsmüde und redet darüber, dass er sich geweigert hat einen alten Mann der Scars zu erschießen. Dass er deswegen stattdessen einen Kameraden aus Notwehr erschießen musste. Es ist hervorragend geschauspielert und toll in Szene gesetzt.
    Wenn ich dazu Kritik äußern müsste, dann würde die ungefähr so lauten: Owen redet über Leute, die man nicht kennt und über etwas, was der Spieler nicht erlebt. Wie viel mehr Eindruck würde die Szene machen, wenn Owen über Charaktere reden würde, zu denen der Spieler eine emotionale Verbindung hätte, oder die besagte Szene direkt mit im Spiel integriert wäre. Außerdem weiß man bereits, dass Owen ein paar Stunden später von Ellie ermordet wird, weswegen diese Sachen leicht ins Melodramatische abrutschen können.

    Außerdem: Für mich gehörte er zu der Gruppierung um Abby, die Joel ermordet haben, von daher hab ich eher ein Triumphgefühl verspürt, als Ellie ihn erschossen hat. Das war definitiv vom Autor so nicht gewollt.

    Lev und Yara

    Lev und Yara sind zwei Jugendliche, die bei den Scars aufgewachsen sind. Das ist die religiöse Gruppierung, die so Hardcore ist, dass ihre Mitglieder die eigenen Kinder wegen Nichtigkeiten verstümmeln. Lev wurde als Mädchen mit dem Namen Lily geboren. Da er sich aber als Junge fühlt, hat er den Namen Lev angenommen und musste von seinem Zuhause fliehen, da die Scars das nicht tolerieren. Yara hat ihn bei seiner Flucht begleitet, da sie ihrem Bruder eher loyal gegenübersteht, als ihrem fanatischen Glauben. Lev ist ein ziemlich stiller Charakter, während Yara meistens mit den Leuten redet. Die beiden finde ich theoretisch auch sehr interessant. Fanatisch erzogene Kinder, die aufgrund ihrer Umstände über ihren Tellerrand hinaus blicken müssen, um festzustellen, dass ihr Glaube nicht alles auf der Welt ist. Die hätten noch sehr viel mehr Dialog über die Scars und deren Hintergrund, sowie Konflikten mit anderen Sichtweisen haben dürfen.

    Abby rettet die Zwei insgesamt dreimal. Einmal an dem morgen nachdem sie sich kennen lernen. Das zweite Mal holt sie medizinische Vorräte, um das Leben von Yara zu retten. Das dritte Mal rettet sie Lev vor der eigenen Mutter, weil die ihre Tochter gerne umbringen möchte. Ja, es sind die Endzeiten angebrochen und die Zivilisation ist untergegangen, also lasst uns unsere Kinder umbringen. Aber zum Worldbuilding komme ich noch...

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    (Lev und Yara: Questgeber für Abby.)

    Wegen einer Entscheidung von Lev, die sehr spontan wirkt, verlängert sich Abby´s Part um einige Stunden, weil sie ihm direkt auf die Heimatinsel der Scars hinterhersegeln muss. Lev hat aus dem Nichts die Eingebung, dass er seine Mutter von ihren fanatischen Überzeugungen abbringen kann. Das wurde vor der Szene nie angesprochen und hatte direkt bevor er abhaut ungefähr 5 Zeilen Dialog als Buildup. Lev klaut das einzige Boot der Gruppe, um auf die Insel zu gelangen, auf der die Scars leben. Yara und Abby folgen ihm über Umwege und schlussendlich endet diese Entscheidung dann im Tod von Yara (was nie wieder erwähnt wird, wenn ich nichts vergessen habe). Lev und Abby müssen dann direkt wieder von der Insel fliehen, die sich kurz nach ihrer Ankunft in ein Kriegsgebiet verwandelt hat.
    Auch wenn die Insel der Scars optisch ganz interessant ist und nochmal etwas Abwechslung geboten hat, wurde spätestens hier das Gameplay für mich ebenfalls langweilig. Auch wenn ich das Gameplay kaum zum Thema mache in dem Blog, erwähne ich das trotzdem an dieser Stelle, weil ich von der ewig gleichen Mischung aus Schleichen, Schießen und Looten an dieser Stelle langsam sehr übersättigt war. Im Gegensatz zum ersten TLOU, bei dem die Story und die Charaktere mich noch für einige Stunden zusätzlich hätten fesseln können, war ich hier bereits raus und hab gehofft, dass es alles einfach bald vorbei wäre.

    Das Worldbuilding
    Im Vergleich zum ersten Teil ist es ein großer Schritt zurück. Es ist zwar halbwegs in sich stimmig, passt aber nicht zum ersten Teil.
    Es gibt auf der einen Seite die Scars. Religiöse Sektenspinner, die sich die eigenen Wangen aufschneiden, um die namensgebenden Narben zu erhalten. Aus irgendeinem Grund erhängen sie Leute, die nicht ihrem Glauben anhängen, schneiden ihnen dabei die Bauchdecke auf und lassen die Gedärme heraushängen. Oh, und sie töten ihre eigenen Kinder, wegen Kleinigkeiten. Bösewichte, direkt aus einem Cartoon sozusagen.

    Auf der anderen Seite gibt es die Washington Liberation Front (WLF). Eine Miliz mit Isaac als Anführer. Die haben ebenfalls etwas Sektenhaftes an sich. Sie nennen sich selbst die „Wolves“ und haben einen eigenen militärischen Gruß, zu dem eine Phrase gehört, die richtig Cringe ist (Irgendwas mit lang leben und schnell sterben). Die erschießen ebenfalls alles, was nicht zu ihnen gehört.

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    (Hallo? Wir wurden vergessen...)

    Und Hallo? Sollten da nicht Zombies in diesem Zombiespiel sein? Die Infizierten sind kaum vorhanden. Ja klar, man schleicht und schießt sich ab und zu mal durch ein Gebäude, in denen auch Infizierte sind. Aber die beiden Fraktionen reagieren kaum auf die Infizierten, sondern sind eher damit beschäftigt, sich gegenseitig zu bekämpfen. Die Bedrohung durch die Infizierten hat so weit abgenommen, dass es wieder Krieg zwischen zwei menschlichen Gruppierungen geben kann. Dieser Krieg wird dann nicht mal aufgrund von Ressourcen geführt, sondern einfach aufgrund von Glaubensfragen. Das ist dann auch der Moment in dem das gesamte Setting zusammenbricht. Es ist eine Zombie-Horror-Survival Welt, ohne nennenswerte Bedrohung durch die Zombies. Joel hatte absolut recht, Ellie nicht den Fireflies zu überlassen. Es kommt ja anscheinend auch so alles wieder ins Lot.
    (Ja, es gab auch bspw. in TWD Bewaffnete Konflikte zwischen zwei Gruppen. Das ist aber nicht direkt vergleichbar, denn in TWD sind die Gruppierungen jeweils zahlenmäßig sehr klein und die Lebenden benutzen die Toten sozusagen als Waffe, weil die in dem Universum immer noch die unaufhaltsame Naturgewalt sind.)

    Um es abzukürzen: Im Endeffekt hatte ich das Gefühl, der Autor hätte nur rudimentär den ersten Teil überflogen und daraus das Worldbuilding für einen Jugendroman erstellt, bei dem der Gewaltgrad auf über 9000 gedreht wurde. Im Vergleich zum ersten Teil wirkt es jedenfalls sehr konstruiert und nicht „rund“.

    Und nun?
    Nun ist der Schlamassel da. Naughty Dog hat vor einem Jahr ein Spiel veröffentlicht, was abgesehen von den technischen Aspekten kaum etwas mit dem gemein hat, was in den Trailern gezeigt, oder in den Pre-Release Interviews gesagt wurde. Natürlich ist das technisch eine Meisterleistung, wirklich Hut ab an alle Designer und Animatoren, die an dem Projekt gearbeitet haben. Aber der erste Teil ist das wahre Meisterwerk, was Charakterentwicklung und vollumfänglich entwickelte Protagonisten angeht. Natürlich war es nicht perfekt (nichts ist jemals perfekt), aber die wenigen Schwachstellen wurden hervorragend durch die beiden exzellenten Hauptfiguren kaschiert. Ich frage mich, wie der zweite Teil so schiefgehen konnte. Vielleicht war Neil Druckmann an der Entwicklung des ersten Teils lange nicht so sehr involviert, wie ich gedacht habe. Vielleicht war das ganze Writing-Team ein anderes, was ihn besser unterstützen konnte. Oder er hat einfach nur einen krassen Glückstreffer gelandet. Dieses Spiel wollte unbedingt Kunst sein, Naughty Dog wollte das auf Teufel komm raus erzwingen. Dabei bricht es dann unter ihren eigenen Erwartungen zusammen. Sie dachten, Joels Tod wäre unerwartet und alleine deswegen anspruchsvolles Writing. „Subverting our expectations“ bedeutet letztendlich auch nichts anderes, als die Erwartungen des Publikums absichtlich zu enttäuschen.

    Sie haben versucht diesen Protagonisten/Antagonistentausch möglichst clever hinzubekommen und dabei das grundlegende Storytelling in der zweiten Hälfte vergessen. Aber selbst wenn sie diesen Aspekt richtig hinbekommen hätten: Wenn man als Spieler den Mord an Joel nicht verzeihen kann oder möchte, egal wie viele Hunde Abby streichelt, dann fällt die gesamte zweite Hälfte wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Es entwickelt sich dann zu einer nicht enden wollenden Aneinanderreihung von nur lose miteinander verbundenen Einzelszenen, die einfach keinen Spaß mehr machen. Und ja, „Spaß“ soll bei Naughty Dog ja nicht das Ziel sein, sondern „die Bindung“ zum Spiel. Dieser Spruch klingt in einem Marketingbüro bestimmt total toll. Beim ersten Teil hatte ich sowohl Spaß als auch eine Bindung zum Spiel, die bis heute hält. Beim Zweiten weder das eine noch das andere.

    Die Dynamik und das Zusammenspiel, das so gut zwischen dem pfiffigen, lebensfrohen Mädchen und dem alten, zynischen Überlebenskünstler funktioniert hat, gibt es jedenfalls nicht mehr. Diese Dynamik wurde absichtlich tot geprügelt, um sie durch diese schwache, wirre und nihilistische Story zu ersetzen, die alles verdrängt hat, was an dem ersten Teil so großartig war. Den ersten Teil habe ich verlässlich ca. ein mal pro Jahr gespielt. Ich habe keinerlei Bedürfnis den zweiten jemals wieder anzufassen.

    Gelernt habe ich dadurch jedenfalls nichts, außer das es wirklich das allerletzte Mal gewesen ist, dass ich mir irgendwas vorbestelle (was sowieso schon eine seltene Ausnahme bis dahin war), oder den Tests des Mainstream Gaming Journalismus irgendwie mein Vertrauen schenke. Ich hab auch jede Lust auf einen eventuellen dritten Teil verloren.

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    (... wasnt as good)

    Und das wars. Danke fürs Lesen.

    Nachtrag: Da mir normalerweise bei dem Thema immer irgendwann die Ablehnung der queeren Themen in dem Spiel vorgeworfen wird, egal was ich schreibe: man beachte die fast vollständige Abwesenheit dieser Themen in dem Blogeintrag. Danke, das war es nun wirklich.

    Über den Autor

    Thore
    Jahrgang 85. Ich spiele Videospiele seit ich 7 oder 8 Jahre alt war. Ich bin schon immer von gut erzählten Geschichten fasziniert gewesen.

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