Unterhaltung muss erlaubt sein

Von Nimlod · 23. März 2015 · Aktualisiert am 26. März 2015 ·
Kategorien:
  1. Euphorie muss erlaubt sein. So lautet eingangs die These in der neuesten Heftausgabe der GameStar. Sie muss, das ist auch meine Meinung. Doch bringt mich diese Aussage zu einer anderen Überlegung, die auf ein neues Gestalt annahm, als ich unlängst einen Beitrag in der Wochenzeitung "Die Zeit" zum Spiel "This War of Mine" las. Mir einem obligatorisch negativen Tenor gegenüber Games an sich fuhr der Autor ein bekanntes Standardrepertoire an Wort und Meinung auf, zielte jedoch im Grunde auf die Aussage ab, dass dieses Spiel als eine Ausnahme anzusehen sei, da es die Schattenseiten des Kriegs darstelle.

    Und? Tut es doch, wird mancher sagen und das will ich auch gar nicht bestreiten. Ich möchte behaupten, dass es solche Spiele braucht, aber ich habe ein Problem mit dem Meinungstrend zum alternativlosen Realismus. Zur Schonungslosigkeit in all ihren Grauschattierungen.

    Obgleich es schön ist, nicht an jeder Ecke einem wandelndem Klischee die Hand zu küssen, will ich mich gleichzeitig unterhalten lassen. Nicht immer, aber oft. Ich will einen Platz zum Träumen, einen Ort der Faszination, neben der Gewalt und der Ungerechtigkeit. In einem anderen Sinne als Herr Klinge verwende ich seine Euphorie auf das Spielerlebnis. Muss ich mich schlecht fühlen, weil ich bei wehenden Kriegsfahnen in einem fernen Phantasiereich an epische Schlachten und gestürzte Tyrannen, an Gerechtigkeit und ergreifende Lieder am Lagerfeuer denke, statt an modernde Leichen und verhungernde Witwen? Reicht es nicht manchmal, dass ich mir darum Gedanken mache, wenn ich die Tagesschau sehe?

    Versteht das nicht falsch. Ich will keinesfalls, dass es weniger mahnende Spiele geben sollte. Ich zweifle nur an dem Hang, alles zu verteufeln, das nicht derart kritisch ist. In meinen Augen ist - wenn auch durch Ausblendung erkaufte - Unterhaltung ebenso wertvoll, wie es der mahnende Zeigefinger oder die Lehre der Vergangenheit ist.

    Unterhaltung und Geschichten haben ihre eigene Berechtigung

    Völlig außer Acht lassen die meisten dabei den Wert der einfachen, üblichen Erzählung. Sie vermittelt trotz alledem moralische Werte, ein Gefühl, dass Gerechtigkeit möglich ist, dass jedem einmal Gutes widerfahren wird und nicht zuletzt hält sie den Funken des Erstaunens am Leben, den man über die Kindheit verlieren mag. J. R. R. Tolkien sprach in diesem Zusammenhang vom Zustand der Verzauberung. Dieser ist es, der für mich erstrebenswert erscheint, gleichberechtigt neben der Darstellung der Realität und nicht davon abhängig.

    Ganz besonders in der Literaturkritik ist diese Denken, dieses Einteilen in Wertigkeit längst zum Grundsatz geworden. Für den Nobelpreis muss man über Angst und Verzweiflung schreiben, über Vertreibung und den Kampf für Freiheit. Um die Kritiker zu besänftigen braucht es komplizierte Erzählformen und überhobene Sprache. Der Unterhaltungsfaktor scheint keine Rolle zu spielen. Und Massentauglichkeit wertet automatisch das Werk ab. Um zu einem Ende zu kommen, führe ich dieses Thema allerdings lieber nicht mehr weiter aus, denn damit ließen sich Bücher füllen.

    Ich hoffe, dass es in der Spielebranche nicht soweit kommt, dass man sich für Unterhaltung schämen muss. Doch ein Trend ist erkennbar. Der bringt durchaus auch gute Aspekte mit sich, nur sollte er nicht über das Ziel hinausschießen, sodass eines Tages ein Märchen am Grad seiner Wirklichkeitstreue gemessen wird. Ich will mir die Abenteuer der Phantasie nicht verbieten lassen.

    Denn Unterhaltung muss erlaubt sein.

    Über den Autor

    Nimlod
    Fußball, Computerspiele, Lesen, Politik und was weiß ich noch alles

Kommentare

Um einen Kommentar zu schreiben, melde dich einfach an und werde Mitglied!
  1. Sangez
    Ich sehe das genauso wie du. Ich finde es schrecklich, wie mitlerweile ein Kinofilm zum Beispiel, sehr tiefgründig, realistisch und logisch sein muss. Es gibt keinen Fantasy-film mehr, der nicht kritisiert wird. Jeder Film wird im negativen Sinne als "Hirn-aus-Popcorn-Film" verpöhnt. Was ist daran schlimm? Ich schaue mir doch nicht einen Film an, um danach eine Analyse zu schreiben. Und genau dieser Trend geht auch in Richtung der Spiele. Ich möchte an die Diskussion in Frankreich erinnnern, in der ein Politiker das neue AC: Unity angeprangert hat, dass die Helden der Französischen Revolution dort völlig falsch dargestellt werden. Die Geschichte war ja ganz anders. Na und?! Nirgendswo wird behauptet das es die genau Geschichte wiederspiegelt. Es ist ein Fantasy-Spiel, kein reines geschichtliches.
    Wie war das noch mit der Darstellung von Mann und Frau in Spielen?

    Unterhaltung muss erlaubt sein. Eine meiner Meinung nach völlig richtige Aussage. Und das kann eigentlich nur gewährleistet werden, wenn ein Spiel nicht zwingend Geschichtlich/Ethnisch oder in der Darstellung von Frau/Mann korrekt sein muss. Die Wirklichkeit ist anders, aber im Spiel schadet es niemandem und ich möchte mich unterhalten lassen dürfen ohne dafür kritisiert zu werden.
      8 Person(en) gefällt das.
  2. Bethoniel
    Das Problem das ich bei vielen Kritikern sehe ist, das die Kritiken vor allem die eigene Erwartungshaltung und Meinung in den Vordergrund stellen. Das ist aber der falsche Weg. Eine wirklich gute Kritik ist neutral (zumindest soweit es möglich ist), denn nur dann kann ich Fair bewerten. Klar, darf und soll ein Kritiker eine eigene Meinung und auch ruhig eine Erwartungshaltung haben. Sobald die aber im Vordergrund steht läuft was falsch. Ich muss Tom Cruise nicht mögen, wenn seine Schauspielerische Leistung in Mission Impossible aber gut ist und er die Rolle des Ethan Hunt überzeugend spielt, dann hat in einer Kritik meine Meinung über die Person Tom Cruise hinten anzustehen, denn ich habe den Film zu bewerten, als Ganzes, und nicht einzelne Teilaspekte.

    Einen anderen Fehler der imho oft gemacht wird, ist dass die falschen Leute eine Kritik schreiben. Ein Kritiker der vor allem auf Nachdenklichen Inhalt steht und der Popcorn-Kino verabscheut, der darf keine Kritik über The Avengers schreiben, denn das eine solche Person den Film in der Luft zerreißen wird ist doch von vorneherein klar. Dazu kommt dann noch das ich häufig sehe das einfach mit der falschen Einstellung an die Werke ran gegangen wird. Wer eine professionelle Kritik über etwas schreiben möchte, der sollte bevor er sich einen Film anguckt, eine CD anhört oder ein Spiel spielt wenigstens im Ansatz darüber im Klaren sein was er da vor sich hat. Denn es ist das Genre von dem alles abhängt. Dazu kommt noch die in Deutschland wieder auf dem Vormarsch befindliche Tendenz das alles einen Bildungsanspruch haben muss. Herrje, das fängt doch schon damit an das Kindergärten seit einigen Jahren Bildungseinrichtungen und keine Betreuungseinrichtungen mehr sind, und es hört damit auf das Hulk plötzlich einen Gesellschaftlichen Anspruch haben muss. Nein, das muss es verdammt nochmal nicht und das will es auch gar nicht! Hulk will unterhalten!*

    Bei vielen Kritiken die ich lese wird einfach ein Anspruch in ein Werk, meistens in Filme, herein projiziert, der nicht erfüllt werden kann, weil er nicht erfüllt werden soll. Und genau da liegt der Fehler. Wenn ich als Kritiker nicht weiß was da vor mir liegt, dann sollte ich es gleich ganz lassen. Ein Kunstwerk aber zu zerreißen weil etwas nicht erfüllt wird was es nur in meiner Fantasie erfüllen kann ist unfair. Meine Güte, ich kann ein Foto von einem Hund auch nicht dafür bestrafen weil keine Katze drauf ist. Ich kann einem Golf auch keinen Punktabzug geben nur weil er nicht so schnell ist wie ein Ferrari.

    *Könnte glatt von Hulk persönlich kommen :)
      5 Person(en) gefällt das.
  3. Nimlod
    Schön zusammengefasst. Nur wie im Blog erwähnt, finde ich nicht, dass eine einfach gestrickte Geschichte keinen Bildungswert hat, nur eben einen anderen, einen, der nicht schockt, sondern verzaubert.

    Den einzige Tod, den solch klassische Geschichten manchmal sterben, ist dass sie die Geschichte immer gleich erzählen. Man muss nicht alle Klischees der Fantasymottenkiste auspacken, um von einer Welt zu erzählen, die verzaubern kann.
      1 Person gefällt das.
  4. Bethoniel
    Damit machst du aber den selben Denkfehler. Nicht alles hat einen Bildungsanspruch, und es braucht auch nicht alles einen Bildungsanspruch zu haben. Natürlich kann auch eine einfache Geschichte einen Bildungswert haben, aber es ist nicht die Voraussetzung damit etwas gut ist.
      1 Person gefällt das.
  5. Nimlod
    Nein, das wollte ich damit auch nicht sagen. Ich wollte nur bemerken, dass auch solche Geschichten sehr oft über einen gewissen Bildungswert verfügen. Das heißt nicht, dass dieser notwendig ist. :)
      3 Person(en) gefällt das.
  6. syntax error
    Spiele wie "This War Of Mine" und andere die sich ernsthaft mit einem bestimmten Thema auseinandersetzen sind das Salz in der Gamersuppe. Ich möchte aber nicht irgendwann eine total versalzene Suppe essen.
    Man spielt doch um in eine "Märchenwelt" abzutauchen und sich abzulenken.
    Ab und zu was Ernstes ist ja ok, gerne mal. Aber ein Trend wird das hoffentlich nicht.

    Filme wie Transformers z.B. sind ähnlich wie die letzten Call of Duty Spiele seichte Popcorn-Unterhaltung. Macht doch auch mal Spaß, dafür muss man sich doch nicht entschuldigen. Wenn man NUR solche Sachen guckt/spielt sollte man evtl mal über eine erweiterung des eigenen Horizontes Gedanken machen. Die Mischung machts halt. Wie mit der Suppe.
      2 Person(en) gefällt das.
  7. Bethoniel
    Das sehe ich nicht so. Es ist immer eine Frage des eigenen Anspruchs. Ich z.B. will mich, wenn ich die Glotze anmache, einfach nur berieseln lassen um abzuschalten. Da brauch ich keine schwere Kost, da reicht mir seichte Unterhaltung (gut, deutlich über RTL2 Niveau sollte sie dann schon sein).
    Genau das selbe gilt für mich auch fürs zocken. Ich mach das zum Abschalten und zum Spaß haben. Aber ich muss mich nicht auch noch in meiner Freizeit mit den Problemen anderer Leute beschäftigen, es reicht mir wenn ich das an der Arbeit machen muss. Ich muss nicht This war of mine spielen um zu wissen das Krieg scheiße ist und das dort Menschen auf beiden seiten leiden. Ich muss das Spiel nicht spielen um zu wissen das es den Zivilisten im Krieg schlecht geht. Zumal das diese Sicht ohnehin Einseitig ist, die Soldaten haben darunter oft genug selbst zu leiden. Nichts davon ist aber etwas womit ich mich in meiner Freizeit beschäftigen möchte. Nur weil ich This war of mine spiele geht es den Menschen in Kriegsgebieten nicht besser. Solche Spiele können auf Misstände aufmerksam machen, aber das bringt mir nichts wenn es auf diesem Planeten niemanden gibt der daran etwas ändern kann. Krieg war immer scheiße, Krieg ist scheiße und er wird auch immer scheiße bleiben. Das ist jedem Menschen bewusst - naja, den meisten. Trotzdem wird es immer Krieg geben, weil es immer Konflikte geben wird. Wer etwas anderes behauptet möge bitte die Rosarotebrille abnehmen und einen Blick auf die vergangenen 6000 Jahre Menschheitsgeschichte und das Tierreich werfen. Das Leben ist grausam, die Natur ist grausam. Das muss ich mir nicht auch noch in meiner Freizeit antun, da will ich der Realität einfach entfliehen und Spaß haben, denn darum geht es bei einem Hobby, es soll mir Spaß machen.
      1 Person gefällt das.
  8. Standardabweichung
    Also prinzipiell kann ich dem Blog nur zustimmen und finde ihn auch gut geschrieben.
    Den Bogen von der Literaturkritik (wohlgemerkt Kritik aka Nobelpreis) zu der Gamingindustrie zu schlagen ist allerdings irgendwie daneben.
    Erstens ist die Aussage bezügl. Nobelpreisträger (partiell) falsch.
    Sicher gibt unter diesen viele (ich würd schätzen ich kenne seit 1970 ca die Hälfte der Liste, davor 1-2 pro Jahrzehnt) deren Gesamtwerk eher einen Tenor hat der deiner Aussage entspricht - aber es wurden genauso brilliante Satiriker, grandiose Geschichtenerzähler und Lyriker ausgezeichnet (ich finde einiges von dem was ich gelesen habe -persönlich- auch schlecht, übrigens^^).

    Und nur weil sich viele Leute von Roman XYZ "verzaubern" lassen, abends nach der Arbeit, oder halt abschalten wollen ist das schlicht kein Kriterium für einen Nobelpreis oder ein tolles Werk.

    Grade bei Musik, Kunst und Literatur (ich würd von mir selber sagen ich kann ein Buch ganz gut als gut geschrieben oder nicht bewerten. Bei Musik und Kunst habe ich höchstens nen eigenen Geschmack) ist es nicht Aufgabe der "Kritik" zu bewerten ob ein Werk den Publikumsgeschmack trifft oder nicht(ohne darüber diskutieren zu wollen das ein Haufen Musik/Kunst/Literaturkritiker vermutl dicke einen an der Waffel haben*hust*).

    Sonst hätte 50 Shades of Gray den Literaturnobelpreis, in der Philharmonie würde man Justin Bieber spielen und in allen Galerien würden Comics hängen.

    Grade diese Abstufung zwischen Unterhaltungskultur und Hochkultur empfinde ich durchaus als wichtig - ich kann mir ja das daraus nehmen was mir grade gefällt.

    Und wenn ich mir den Trend bei Spielen ansehe, sehe ich eigtl keine Tendenz das sich für Unterhaltung geschämt wird... Irgendwie bin ich eher mittlerweile für sehr viel Indie & Kickstarter Kram sehr dankbar. Schlicht weil er oft etwas mehr Tiefgang bietet als die neueste EA-Produktion (das ist wohlgemerkt nicht wertend gemeint).

    Die Gamingindustrie will ja auch gezielt die "Unterhaltungskultur" ansprechen, da sie Umsatz erzielen will. Das das immer irgendeinem Feuiletton-Fiffi nicht schmecken wird ist nur natürlich - die produzieren sich ja über ihre Affinität zur Hochkultur (was auch oft nur peinlich ist).

    Ich verstehe auch nicht wieso "Popkorn-Film" als so negatives Kriterium gesehen wird? Ich habe viele Filme gesehen die mich für die Dauer prächtig amüsiert haben und ich habe ein paar Meisterwerke gesehen die mich bewegt, für den Moment geflasht oder lange beschäftigt haben. Eine Handvoll der "Meisterwerke" hab ich beim ersten Mal in der falschen Stimmung/ Zustand gesehen und fand sie scheiße^^.

    @Sangez: ehm... ich hab dir versehentlich nen minus gegeben, glaube ich -.-* Finde deine Aussagen zwar aus dem Zusammenhang gerissen, aber vote eigtl keine persönlichen Meinungsäußerungen down.
      1 Person gefällt das.
  9. david23
    wir sind das produkt unserer umgebung. wenn wir mit unmoral erzogen werden, empfinden wir sie als alltäglich und lassen sie uns in unsere "unterhalt" "einbauen". ein teufelskreis.

    unterhaltung "muss" erlaubt sein? - falsch. den das beinhaltet implizit auch jede unmoralische form der "zerstreuung"

    unterhaltung "darf" erlaubt sein klingt da schon "richtiger"

    die moral muss immer an oberster stelle stehen. anders sehen das nur "unbeteiligte konsumenten " der a-moral.

    sobald sie in einer personlichen erfahrung selber opfer irgendeiner unmoralischen handlung werden, erkennen sie ihren höchst ignoranten standpunkt, der sich aus emphatischer kälte gegenüber außenstehenden speist.

    begreift endlich: die "theorie" ist lediglich die vorstufe zur praxis.

    und "verbieten lassen" muss man sich in einer gesellschaftliche struktur so einiges. niemand ist "unbegrenzt frei" jedem sind grenzen gesetzt..
    tun wir also nicht so, als würde es plötzlich und neuerdings an unsere "freiheit" gehen, wenn es um fragen wie anstand, sitte, und moral geht.

    in einer gemeinschaft leben heißt auch immer andere berücksichtigen müssen.
    wer persönlich endlos frei in jeder beziehung sein will, muss aus der gesellschaft verschwinden, so das er niemand anderem schaden zufügt.

    und immerhin bestimmen wir , wie unsere gesellschaft aussieht. momentan haben wir es mit kriegen, morden, folter und allerlei anderem "unmoralischem" zu tun.

    hören wir also auf unsere unbedeutende "freiheit" zu zelebrieren, indem wir diesen tatbeständen der unmoral auch noch offen huldigen.

    verhalten wir uns stets so, als könnte jede dieser unmoralischen taten uns wahrhaftig betreffen.

    es wäre traurig, wenn man jedem uneinsichtigen erst eine grausame tat angedeihen lassen müsste, bevor er erkennt, was er da eigentlich so vehement protektiert.
      1 Person gefällt das.
  10. Ludwig
    Diese "darf man das?"-Diskussionen sind so fürchterlich deutsch, total verstockt.
Top