Warum Rollenspieler nicht streiten sollten

Von LittleRose · 24. Januar 2017 ·
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  1. Neulich war es wieder soweit. Jemand postete in einem Forum die Frage, was ein Rollenspiel eigentlich zu einem Rollenspiel macht. Natürlich ging dann wieder die große Diskussion los. "Das Charaktersystem, ganz klar!" - "Nein, wenn man in eine andere Rolle schlüpft." - "Wenn man das so sieht, ist jedes Spiel ein Rollenspiel."

    Egal wie man die Diskussion auch angeht, irgendwann gipfelt sie darin, dass jeder den Spielen, die er nicht mag, das Recht aberkennt, als Rollenspiel bezeichnet zu werden. Woraufhin die Fans dieses Spiel natürlich aggressiv werden, weil sie ihren Geschmack beleidigt sehen. Es ist immer so.



    Ich werde jetzt nicht aufdröseln, welche Kriterien ich für ein Rollenspiel habe. Gerade darum soll es hier nicht gehen. Falls es jemanden interessiert: Mir kommt es vor allem auf des Gesamtbild an. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

    Nein, mir geht es um etwas, das alle Rollenspieler, ob auf dem PC oder der Konsole, gemeinsam haben. Etwas, das wir gerade in Zeiten, in denen generische Actionspiele von vielen Firmen als das absolute Nonplusultra unter den Gelddruckformeln angesehen werden, nicht vergessen dürfen. Den Sinn fürs Abenteuer der Extraklasse. Ich möchte jetzt nicht aberkennen, dass es auch Actionspiele gibt, die diesen Sinn ansprechen, aber hier soll es um Rollenspiele und Rollenspielhybriden gehen. Ja, auch welche, die halbe Shooter sind, wie Deus Ex z. B.



    Wisst ihr noch, was euch am Anfang so an diesen Spielen fasziniert hat? Da breitete sich vor euch eine ganze Welt aus. Enge Gänge gab es zwar auch, aber in Form von Dungeons. Diese fremde Welt mit ihren eigenen Sagen, ihrer eigenen Vergangenheit, all diesen verschiedenen Fraktionen. So eine komplexe Spielwelt hattet ihr vorher vermutlich noch nicht erlebt. Sie hat euch eingesogen. Je mehr ihr euch mit ihr beschäftigt habt, desto facettenreicher wurde sie. Dazu dieses einzigartige Spielgefühl! Ihr habt Abenteuer erlebt, wie ihr sie vorher nur aus Büchern oder Fantasy-bzw. Science-Fiction-Filmen kanntet. Diese Spiele waren einfach anders.

    Erinnert ihr euch noch, wie ihr das erste Mal in einen Bereich geraten seid, dessen Gegner noch viel zu stark für euch waren? Was war das für ein Gefühl, als ihr einige Spielstunden später zurückgekehrt seid, und plötzlich waren diese Viecher kinderleicht zu besiegen?

    Und kennt ihr das Gefühl, wenn man nach etlichen Kämpfen durch Dungeons und Wildnis wieder in die Sicherheit einer Siedlung kommt? Endlich die Funde verkaufen, gegebenenfalls magische Gegenstände identifizieren lassen und die Trankvorräte auffüllen. Manchmal muss man auch seine Ausrüstung reparieren lassen.

    Jede neue Stadt ist interessant, und vor allem hat man endlich mal Pause und musste nicht ständig überlegen, ob die Lebenspunkte und Heiltränke noch reichen, oder panisch nach einem sicheren Rastplatz suchen. Und trotzdem hält es einen nie wirklich lange in den Städten. Die Sehnsucht nach dem Abenteuer kommt ziemlich schnell wieder. (Das gilt übrigens auch für Science-Fiction-Rollenspiele. Irgendwann will man wieder den Planeten oder am besteh gleich das ganze All erkunden.)

    Ganz ehrlich? Ich habe schon so ziemlich jede Unterart der Rollenspiele ausprobiert, und überall waren irgendwo diese Gefühle vorhanden. Egal ob nun japanische Rollenspiele wie Final Fantasy, Hack'n'Slays wie Sacred, alte Klassiker wie Baldur's Gate oder neuere Titel wie Skyrim und Mass Effect; sie alle geben mir dieses Gefühl von Abenteuer, aber auch ein paar sichere Häfen, in denen sich meine Helden erholen können.

    Ist dieser Drang nach einem Abenteurerleben nicht genau das, was uns zu den Rollenspielen getrieben hat? Solange es sich richtig anfühlt ist doch egal, wie sich diese jeweilige Unterart des Rollenspiels von den ersten Dungeoncrawlern auf den alten Heimcomputern und Konsolen aus entwickelt hat. Hauptsache, wir dürfen wieder Abenteuer erleben, in andere Welten eintauchen und lange vergessene Dungeons erforschen. Auf welche Art wir das tun, ist völlig gleichgültig. Ob nun japanisches oder westliches Rollenspiel, ob Party oder Einzelkämpfer, ob Actionkämpfe oder taktische Schlachten – es gibt so viele verschiedene Arten von Rollenspielen, dass für jede Stimmung und jede Vorliebe etwas zu finden ist. Durch seine Vielfalt wird das Genre nie langweilig, und jedes Spiel erfüllt für irgendeinen Rollenspieler seinen Zweck – der Hunger Abenteuern wird gestillt. Und das macht Rollenspiele (für mich) zum besten Genre der Welt. Am Ende stammen doch sowieso alle Spiele dieser Art vom Pen&Paper ab, und dessen Sinn war es allein, die Abenteuerlust und die Sehnsucht nach fremden Welten irgendwie auszuleben und dabei Spaß zu haben. Mit jedem Basissystem.

Kommentare

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  1. Reddok
    Jo, aber irgendwo muss man ja anfangen.
  2. Jackhammer
    Die Entscheidungsfreiheit
    Ich hasse die Dreckswölfe aus Gothic heute noch dafür.
    Wie mit'm Lichtschwert durch Tuskenlager...
    Nein. Mann kann doch eigentlich immer den Bereich säubern und hat dann seine Ruhe (außer bei WoW oder so wo alles nachspawnt, aber auch da besteht gefühlt mehr als die Hälfte der Welt aus Flächen, wo nie ein Mob von alleine hingehen würde, also 'save' sind) Kenne echt kein Spiel wo ich mich in Siedlungen sicherer fühle als draußen (Obwohl, Minecraft bei Nacht in der eigenen Hütte, wenn das zählt?) Ich kenn's nur so, dass man seinen Bedrohungsgrad selber (mit)bestimmen kann oder man ist wie in DayZ und Tetris pausenlos bedroht.
    Weiß nicht genau. Ich mach's aus Spaß aber wo der Spaß herkommt kann ich nicht klar benennen, von daher entsteht der möglicherweise aus der Befriedigung der Abenteuerlust.
    ______________

    Warum die Leute streiten wurde schon erklärt:

    Jetzt bleibt nur noch eine Frage offen: Warum sollten Rollenspieler nicht streiten?

    'Weil Rollenspiele Spaß machen' ist ein wenig einfach, weil man genausogut (überspitzt) sagen könnte: 'Paare sollten nicht streiten, weil Sex Spaß macht.'

    Und generell sollte doch niemand streiten und nicht nur nicht die Rollenspieler, oder?
  3. Yeager
    Menschen denken gerne in Schablonen und Schubladen.
    Schablonen dienen der Vereinfachung und Schubladen der Ordnung. Alles hat dann seine Ordnung, alles ist so, wie es sein soll, es vermittelt den Eindruck von Sicherheit - und Stagnation.

    Würden die Entwickler genauso denken, hätten wir ein ernsthaftes Problem: Es gäbe dann nur sehr wenige Spiele wirklich, pro Genre nur eines, um genau zu sein. Der Rest wären Klone dieses einen Vorzeigespiels, das das Genre definierte und dem sich alle anderen unter zu ordnen hätten. Wir würden also Baldur's Gate zum zigsten Mal in grün spielen bei den RPGs. Oder Need for Speed zum drölfzigsten Mal in rot bei den Racern. Oder Falcon 4.0 in der 100.0 Version bei den FlugSims. Und so weiter.

    Glücklicher Weise ist es so nicht. Vielfalt, Hybridisierung, Mehrdeutigkeit, Experimentelles, Bekanntes - das alles mischt sich. Keine Frage, auf diese Weise entstehen auch Spiele, die dem einen oder anderen nicht gefallen. Man kann es nicht jedem Recht machen. Doch ich glaube, dass das eigentliche Problem kein Definitions-Problem ist, sondern eines der enttäuschten Erwartungshaltung:

    Da ist ein Spieler, der mit Genre A und Untergenre A-1 sehr viel Spaß hatte. Er war nicht der Einzige, vielen ging es so. Doch dann gibt es lange Zeit nichts mehr vom Typ A und schon gar nicht A-1. Dann aber doch, etwas in der Richtung wird angekündigt - entsprechend hoch sind die Erwartungshaltungen: Hoffentlich ist es wirklich etwas vom Subtyp A-1, wenigstens aber A! Statt dessen ist es aber A-2 oder gar B. Die unmittelbare Folge: Enttäuschungen.

    Die spätere Folge: Besserwissereien, "Beschützerdenken", was die Genre-Definition angeht, Streit einer fast schon religiös fanatisierten Art - stets mit dem insgeheim immer noch vorhandenen Wunsch, dass doch mal was von A-1 käme.

    Es ist also nicht so sehr eine Frage, was ein Rollenspiel zum Rollenspiel macht. Es ist die Frage, wonach man sich sehnt, was man gerne mochte, was danach nicht oder nicht mehr so häufig kam und was man wieder gerne zurück hätte. Und es ist die Frage, in wieweit man sich auf Neues einlassen kann. Neues, das nicht zwingerweise gut sein muss, nur weil es neu ist. Das aber auch nicht zwingerweise schlecht sein muss - aus denselben Gründen.

    Aber dann müsste man auf Schablonen und Schubladen verzichten - und das ist schwer, unbequem, unschön. Also wird es auch weiterhin Streitereien zur Frage geben, was ein Rollenspiel zum Rollenspiel macht - und ist absurderweise zugleich die Antwort darauf:

    Ein Rollenspiel ist genau dann eines, wenn es entweder gar keine oder extrem viele Streithähne bei der Frage gibt, ob es ein solches ist :)
  4. Ritter des Herbstes
    Ist natürlich etwas ironisch, dass du gleich im nächsten Absatz, in dem du beteuerst, dass es dir gar nicht um deine Ansicht, was denn nun Rollenspiel ist, anfängst Kriterien festzulegen.^^
    Und damit halt auch irgendwie gar nicht mehr aufhörst, auch wenn du nochmal klar zumachen versuchst, dass das nicht dein Punkt ist.
    Diese immer wieder aufkommende "Was ist Rollenspiel, was nicht"-Geschichte ist ja relativ einfach festzumachen: Heute hat halt fast jedes Spiel Rollenspielsysteme.
    Die Genre verschwimmen halt, und je nach Schwerpunkt und Wahrnehmung werden die Dinger halt anders identifiziert. Würde mich zum Beispiel nicht wundern, wenn der Typ Spieler Mitte 30 (Zeitpunkt des Releases), der mit dem ganzen P&P Kram und Marken wie Ultima großgeworden ist, ein ME 3, wenn er denn nicht Presse liest, erstmal als Schooter mit RP Mechaniken sehen würde.
    Oder das Gegenbeispiel: Shadow Warrior 2. Das Teil hat halt 9 von 10 Kriterien, die wir für ein Rollenspiel ansetzen würden- wir dürften uns hier aber alle relativ einig sein, dass des nun wirklich ein Shooter ist.
    Worauf ich hinaus will, nan(d.h. Ich, passend zum Argument projiziere ichs einfach mal auf den Rest) verliert halt gerne mal aus den Augen, dass eine Plattform wie Gamestar nunmal von Leuten mit großem Altersunterschied anspricht.
    Fällt mir grade auf, weil du zwei Absätze mit "Wisst ihr noch" eingeleitet hast. Ich behaupte, viele wissen das eben nicht mehr. Deren erstes Rollenspiel war vielleicht Dragon Age II oder Inquisition (*schauer*)- wo ich gleich beim Nächsten Punkt bin, der mich etwas irritiert: Das Problem mit dem generisch sein ist doch kein reines Aktionproblem. Grade das Rollenspiel hat unter dieser Seelenlosigkeit stark zu leiden.

    Und zu guter letzt, dann bin ich aber auch durch: Ich zeifel stark, dass es heute noch "die Rollenspieler" gibt, die nicht unter sich streiten sollen. Es gibt halt die breite Masse an Spielern, mal mit Präverenzen eher in der Richtung, mal mehr in die andere. Und angegiftet wird da völlig genreunabhängig. Leider.
  5. JackTF
    Das Grundproblem sind gar nicht die verschiedenen Meinungen. Es ist leider so, dass selten die Meinung anderer akzeptiert wird. Viele Menschen glauben, dass ihr persönliches Gefühl für etwas kaputt gemacht wird, nur weil jemand anderes etwas anderes meint.

    Wenn Spieler 1 bspw. sagt, dass ihm Spiel X nicht gefällt, meint Spieler 2, dass das doch aber gar nicht wahr wäre, weil das Spiel doch so toll sei. Spieler 1 fängt dann an, zu begründen, warum Spiel X doch nicht so toll sei. Dabei übersehen beide, dass sie unterschiedliche Geschmäcker haben und unterschiedliche Interessen. Beide haben recht - und unrecht. Denn sie können nur für sich sagen, was ihnen gefällt - nicht für andere.

    Für mich ist ein Spiel ein Rollenspiel, wenn ich einen Charakter spielen kann, der frei entscheiden kann, wie er sich entwickelt und was er machen möchte. Ein Ego-Shooter mit Schlauchlevels, wo mir vorgegeben wird, was ich tun muss, kann zwar Rollenspielelemente enthalten (bspw. Skill-Bäume), ist für mich aber kein Rollenspiel, da die Entscheidungsmöglichkeit fehlt. Natürlich sind Pen&Paper-Rollenspiele viel freier. Videospiele haben nun mal begrenzte Möglichkeiten.

    In Deus Ex bpsw. ist der rote Faden klar festgelegt. Aber ich entscheide, wie ich einzelne Ziele erreiche und wie ich mich in bestimmten Situationen entscheide. Außerdem kann ich den Charakter mit Modifikationen für bestimmte Aufgabengebiete effizienter machen. Ich habe also die gewünschte Freiheit sowie Entwicklungsmöglichkeiten. Ja, es gibt Rollenspiele, die noch tiefer gehen. The Elder Scrolls 3 - Morrorwind zum Beispiel.

    Es gibt aber auch Spieler, den reicht ein Skillbaum, um in einem Spiel ein Rollenspiel zu sehen. Ja und? Bitte. Jedem seine Meinung. Nur ändert das etwas daran, was das Spiel für mich ist? Nein! Es ändert eigentlich überhaupt nichts an meinem Spielerlebnis.

    Daher mein Appell: lasst die Meinung anderer zu! Was uns Menschen ausmacht, ist unsere Individualität und unsere Vielfalt.
  6. Cr4sh
    Hmm, irgendwie bin ich beiden Lagern zu Hause. Als Videospiel hat ein Rollenspiel Charaktere und ein Fortschrittssystem zu haben. Als Oberbegriff für alles, was ich als solches identifiziere (also auch Brettspiele, PnP, LARP, ...) reicht für mich die Identifikation mit einem (oder mehreren) Charakter(en), die sich möglichst entsprechend verhalten.
  7. Reddok
    *slowclap*

    Ich bin auch der Meinung, dass viele zu schnell auf 180 sind, wegen unterschiedlicher Meinungen.

    Irgendwie ist sind mit dem Beispiel Rollenspiel alle drei(Character, Fortschrittsystem und Welt) Dinge wahr. Der einzige Unterschied ist, dass verschiedene Leute verschiedene Schwerpunkte setzten.
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