Was ist ein Spiel?

Von Grumpy · 15. Januar 2016 ·
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  1. Das Medium, mit dem wir uns in unserer Freizeit beschäftigen und welches den Kern dieser Internetseite darstellt, wird in der Regel mit dem Begriff des Computerspiels beschrieben. Die rasante Entwicklung der "Spiele" eröffnet jedoch die Frage, ob diese Begrifflichkeit noch ausreicht, um deren neuen Eigenschaften gerecht zu werden, oder ob wir eine neue Begriffsbildung benötigen. Als ersten Schritt, um einerseits die Problematik zu verstehen und andererseits auch vielleicht schon zu ersten Lösungsansätzen zu gelangen, will ich einmal der Frage nachgehen, wie "Spiel" eigentlich definiert wird, kurz: Was ist ein Computerspiel / Videospiel (um auch die Konsolen und Handhelds miteinzubeziehen)?



    Versuch einer Definition

    Der erste und wahrscheinlich banalste Punkt ist die Plattform, auf denen die Spiele genutzt werden: Eine, wie auch immer gestaltete Form von Computer / Konsole, die mit einem Bildschirm verbunden ist. D.h. ein Computerspiel ist, in welch primitiver Form auch immer, ein visuelles Medium. Dieser Punkt alleine reicht aber natürlich nicht aus, da es sich bis jetzt nicht vom Film unterscheiden ließe.

    Der entscheidende Faktor ist die Interaktivität. Um ein Spiel voranzubringen ist der Spieler gezwungen in irgendeiner Form Eingaben zu machen, bzw. Befehle zu geben. Die Komplexität dieser Befehle ist für mich erst einmal zweitrangig und soll dann beim Thema Gameplay noch genauer betrachtet werden.

    Ein weiterer Punkt, der zwar in meinen Augen nicht für eine Definition erforderlich ist, aber von vielen in einem ähnlichen Zusammenhang immer wieder verwendet wird, ist der Spaß. Spaß lässt sich wahrscheinlich noch viel weniger genau definieren als Spiel, trotzdem möchte ich zumindest ein paar allgemeine Gedanken dazu loswerden. In vielen Kommentaren zu ungewöhnlichen, bzw. besonders bedrückenden Spielen liest man häufig, dass es sich doch nicht um ein Spiel handle, da es ja keinen Spaß machen würde. Spaß muss in diesem Fall also mit einem positiven Spielerlebnis gleichgesetzt werden. Dazu erhält man als Begründung, dass man sich ja durch die Spiele von der negativen realen Welt, zumindest für eine kurze Zeit, abkapseln möchte und nicht auch noch in der Freizeit mit bedrückenden Themen konfrontiert werden möchte. Ich möchte diesen Personen auch gar nicht widersprechen, dass das für sie zutrifft, gleichzeitig bin ich aber auch der Meinung, dass eine so stark subjektive Aussage nicht dazu verwendet werden kann, um bei der Begriffsfindung zu helfen. Denn genauso wird man Menschen finden, die sich sehr gerne, man könnte sagen „zum Spaß“, solchen Erfahrungen aussetzen und dadurch Erfüllung in der eigenen Freizeit finden. Dementsprechend würd ich die Definition des Begriffs „Computerspiel“ auf die beiden erstgenannten Punkte, nämlich eines visuellen und interaktiven Mediums, einschränken.



    Gameplay

    Aber ebenso wie das Filmgenre, welches mit plumpen Komödien begonnen hat zum Massenmedium zu werden, sind auch die Computerspiele aus ihren Kinderschuhen entwachsen und zu immer komplexeren Werken gereift. Das betrifft nicht nur offensichtliche Bereiche, wie Grafik, Sound und Gameplay, sondern auch Themen wie Storytelling und Charakterentwicklung. Das soll nicht heißen, dass alle neuen Spiele erzählerische Meisterwerke wären, im Gegenteil, vieles folgt noch immer sehr einfachen Mustern, trotzdem sollte man auch immer im Hinterkopf behalten, dass die Kritik auch immer mit den eigenen Ansprüchen gewachsen ist, welche aber meistens durch Spiele-Meilensteine erst mit der Zeit stiegen.

    Mit dem Heranwachsen der Spiele begannen aber auch die Experimente der Entwickler mit diesem Medium. Durch das verstärkte Auftreten der Indie-Branche und deren unterschiedlichen Strukturen im Vergleich zu den „konventionellen“ Studios, wurde dieser Prozess noch enorm beschleunigt und es bleibt spannend, wohin dieser Weg noch führen wird. Insbesondere der enge Verwandte „Film“ war immer wieder die Quelle der Inspiration für die Spielebranche. Man spricht zum Beispiel von cineastischer Erzählweise, bzw. liest in Tests von „kinoreifer Inszenierung“, im Bereich der Erzählung ist der Film also ein wichtiges Vorbild.

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    Gleichzeitig scheint aber in einigen Spielen die Grenze zum Film immer mehr zu verschwimmen und es scheinen genau diese Spiele zu sein, die die stärksten Kontroversen darum auslösen, ob das denn noch ein Spiel sei, bzw. indirekt die Frage danach stellen, was denn ein Spiel eigentlich ist. Bekannte Beispiele dafür sind die Großproduktion Heavy Rain, der gerne vorgeworfen wird eher ein interaktiver Film, denn ein Spiel zu sein, aber auch Indie-Spiele wie To the Moon oder The Stanley Parable. In all diesen Fällen wird die so wichtige Interaktivität zwar nicht in Frage gestellt, aber die durch die sehr strikte Erzählung eingeschränkte spielerische Freiheit bemängelt. Es ist richtig, dass z.B. To the Moon fast vollständig auf spielerische Elemente verzichtet, um sich auf die sehr bewegende Geschichte zu konzentrieren. Trotzdem habe ich meine Zweifel, dass die Geschichte mit einem vollständigen Verzicht auf Gameplay-Aspekte die gleiche Wirkung entfalten hätte können.

    Doch auch Schlauch-Shooter wie Call of Duty (bezogen auf die Solo-Kampagnen) besitzen ein, aus der Distanz betrachtet, sehr einfaches und grundlegendes interaktives System, welches sich auf Bewegung und das Zielen und Schießen reduziert. Handlungsspielraum wird dem Spieler fast nicht gewährt, was wiederum eine sehr straffe Fortführung der Geschichte erlaubt. Es zeigt sich also, dass es enorm schwer ist die Menge an Gameplay eines Spieles festzustellen und anhand dieses nur schwer messbaren Kriteriums, halte ich eine Grenzziehung zwischen Film und Spiel für nicht praktikabel und plädiere deshalb auch weiterhin für die sehr grundlegende Definition, an der ich mich am Anfang versucht habe



    Schweres Thema, leichtes Spiel

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    Bereits bei der Definition bin ich auf das Problem des Spaßes eingegangen. Wer diesen Aspekt in seine Begriffsbeschreibung von Computerspiel miteinbezieht, muss fast zwangsläufig Spiele ausschließen, die sich mit sehr bedrückenden Themen befassen. Bekannte Beispiel hierfür sind This War of Mine oder auch That Dragon – Cancer, dessen Test und die dazugehörigen Kommentare unter anderem zu diesem Text geführt haben. Bei diesen Spielen ist es vor allem die Frage nach der Bewertung oder Wertung dieses Spiels, welche die Verfasser von Kommentaren antreibt, aber auch hier schwingt immer wieder implizit die Frage mit: Ist das noch ein Spiel? Um diese Frage zumindest teilweise zu beantworten, möchte ich zum Vergleich auf die Filme schauen. Wird Filmen die Kategorisierung als Film abgesprochen, weil er sich mit schweren Themen befasst? Natürlich nicht. Entsprechend halte ich es für falsch bei Spielen so vorzugehen und das behandelte Thema zum Einordnungskriterium zu machen.

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    Ein Gegenbeispiel ist das hochgelobte Spec Ops: The Line. Die Thematik der Kriegsverbrechen und ganz allgemein das Grauen des Krieges sollte eigentlich dazu führen, dass man keinen „Spaß“ an diesem Spiel haben kann. Der Unterschied zu den zuerst genannten Spielen liegt darin, dass die „Menge“ an Gameplay (die Bewertung dazu habe ich ja bereits im Punkt Gameplay abgegeben) in Spec Ops: The Line stärker in den Vordergrund rückt. Das ist aber in meinen Augen kein gravierender Unterschied, sondern vielmehr eine unterschiedliche Gewichtung einzelner Teilbereiche, die sich aber schlussendlich jeweils zu einem Computerspiel zusammenfügen.







    Dieser Text ist sehr spontan entstanden und ihm fehlt dementsprechend eine besonders geplante Struktur und zeigt wahrscheinlich auch einige Sprünge in der Argumentation bzw. Formulierung. Ich hoffe, dass er trotzdem als Diskussionsgrundlage dienen kann und mich würde vor allem eure Definition interessieren, bzw. ob ihr eventuell einen besseren Begriff als „Spiel“ parat habt?







    Danke fürs geduldige Lesen



    Grumpy

Kommentare

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  1. luckson
    So oft man diese Aussage auch hört, und so sehr ich mit der hier einschlägigen Definition des "Spiels" übereinstimme und die meisten dieser Zwischenrufe für unreflektierten Schwachsinn halte, glaube ich nicht das der Begriff zur Auszeichnung oder gar zum Qualitätsmerkmal befördert wurde. Auch, bei in der breiten Masse als schlecht empfundenen Spielen, hört man dieses seltner solange sie Interaktivität im konventiellen Maß und Rahmen anbieten. Deswegen liegt für mich die Annahme näher, das die weitläufige Definition sich eher darauf bezieht, auf was der Spieler konditioniert ist.
    Was er von anderen Spielen kennt. Was wie ich finde zu einer kulutrellen Abgränzung führt, bei der von künstlerischer Freiheit keiner Rede mehr sein kann. Aber das ist ein anderes Thema.

    Also Grüße und einen angenehmen Tag noch!
  2. Grumpy
    Ich denke auch, dass damit schon ein sehr großer Schritt gemacht wäre, alleine schon aus dem Grund, weil wir bestimmte Entwicklungen und damit verbundene Elemente, nicht durch eine künstlich geschaffene Mauer aus dem Diskurs auschließen.

    Grundsätzlich finde ich das eine gute Idee, ich kann mir nur vorstellen, dass es enorm schwierig ist die genaue Zielsetzung einer bestimmten Form von Interaktivität zu bestimmen, anhand derer dann die Kategorisierung stattfindet. Ich glaube auch, dass mit dem Voranschreiten der Unterhaltungstechnologie, insbesondere VR, die Grenzen zwischen Film und Spiel immer mehr verschwimmen werden, weshalb ich einen möglichst weit gefassten Defintionsbereich für durchaus sinnvoll halte, oder man hält es wie du und arbeitet mit vielen Subgenres.
  3. 7ieben
    Hey Grumpy,
    schön geschrieben und angenehm zu lesen, wie ich finde. Im größten Teil kann ich dir nur zustimmen, denke aber doch, dass wir einen Denkanstoß noch beachten sollten:

    Selbstverständlich hast du Recht, dass sich einige Spiele in ihrer Inszenierung dem Film als Vorbild ausgesetzt sehen - gerade was QTEs, Zwischensequenzen, u.Ä. betrifft. Das große und freudige Aber ist jedoch, dass gerade das Medium der Videospiele nicht selten den Anspruch hat, auf ganz anderen Ansprüchen aufzubauen oder die Grenzen des (Spiel-)Films zu überschreiten - und das ungeachtet der Interaktivität sondern nur auf die Inszenierung bezogen.

    Meine Idee zur Ergänzung dieser Definition: Vielleicht sollten wir unseren Blick nicht nur auf die Interaktivität fokussieren, sondern auch auf das Ziel dieser, um so zwischen interaktivem Film und Spiel unterscheiden zu können. Oder aber, wie verstehen den interaktiven Film als eine Mischung aus beiden Medien bzw. ein Subgerne eines dieser Medien. Ich denke, es sollte doch ein guter Kompromiss sein, mit dem >wir Gamer< uns auch nicht angegriffen fühlen müssen, wenn wir sagen, dass Spiel und Film sich beide weiterentwickeln und so auch Mischungen beider Medien hervorkommen - wie auch immer es genannt wird, müssen wir einem Werk denn vorwerfen, es wäre kein 'klassischer Film' oder kein 'klassisches Spiel', wenn es diesen Anspruch erst gar nicht stellt? Viel mehr sollten wir uns doch über die Vielzahl an Entwicklung freuen.
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