Unreal-Kid.
So.
Jetzt wisst Ihr´s.
Moment, ich zocke nebenher.
Mist, tot.
Runde dauert noch.
Okay, weiterschreiben.
Thema ist klar, oder?
Alter, was für ein Noob!!!
Wegen dem verlieren wir jetzt!
Also, Thema jetzt.
Es geht um...
Moment! Nächste Runde läuft.
Och menno, Whatsapp.
Was willer???
Ach, heute abend saufen.
Und zocken.
Cool.
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So, mal ganz Galama jetzt, wir gehen in uns, ich spendiere auch eine Runde Tai Chi für alle, dazu auch einen leckeren Baldriantrunk und Traubenzucker – das fördert bekanntlich die Konzentrationsfähigkeit.
Wenn wir uns beruhigt haben, dann können wir auch endlich angemessen über ein Thema diskutieren, das mir schon seit geraumer Zeit wie ein Floh im Ohr sitzt. Es geht darum, wie wir Spiele wahrnehmen, wie unbewusste Reaktionen entstehen, wann der Punkt erreicht ist, dass wir eventuell eine Pause einlegen sollten, und wie eine „Modekrankheit“ ein ganzes Medium beeinflussen kann.
Also lehnt euch einfach entspannt zurück, lest den Text, reflektiert darüber (oder auch nicht) und schreibt mir gerne eure Meinung dazu. Wäre nur schade, wenn ihr bei all der Relaxerei einschlafen würdet...
Geil auf Gefühle
Noch anwesend? Gut, dann weiter im Text.
Es ist gerade letztens mal wieder vorgekommen, dass sich meine bessere Hälfte über mich lustig gemacht hatte. Ich war ihr deswegen auch nicht böse gewesen, weil es so typisch für mich ist, wenn ich in einem Spiel so richtig „drin“ bin und gerade mit einem Gegner hadere, der mir permanent ans Leder will. Ich habe nur keine Ahnung, wie das konkret aussieht. Sie sagt mir dann, ich würde mich ständig im Stuhl hin und her bewegen und gleichzeitig die Zunge heraushängen lassen, es sähe so lustig aus. Mal kurz überdacht oder es nach der Aussage selbst reflektiert, bemerke ich tatsächlich, wie ich in Einklang mit meinen Tastenanschlägen mitgehe und auch feuchte Lippen habe. Links laufen, rechts laufen, weg vom Gegner, Knarre wechseln, Spezialangriff ansetzen – und ich selbst? Links lehnen, rechts lehnen, Kopf zurück, vor, „Mist, wo ist die Taste für den Spezialangriff?“. Der Bossgegner ist nicht gerade leicht zu besiegen, dafür haben die Programmierer gesorgt. Es gilt, leuchtende Schwachpunkte zu treffen, das auch mehrmals, danach muss ich den Schlund beballern, dazu noch den Projektilen und Tentakeln ausweichen, die regelmäßig auf mich einprasseln...
Eine gefühlte Stunde später habe ich die harte Nuss endlich geknackt. Ich seufze stark und bin total glücklich über den Erfolg, lehne mich im Sessel zurück und betrachte mir gediegen die nächste Zwischensequenz. Ich versuche andererseits auch, mein Gefühlsleben zu erfassen, was gerade körperlich gerade mit mir passiert war. Während des Spielens war ich so stark auf die Spielmechanik konzentriert gewesen, dass ich ausgeschüttete Adrenalin gar nicht bewusst wahrnahm. Meine Schläfe schmerzt, vor Anstrengung hatte ich wohl die Zähne zusammengebissen und fühle nun die Nachwirkungen.
Trotz der Wehwehchen fühle ich mich richtig gut dabei. Ich hatte eine schwierige Aufgabe zu bewältigen und konnte sie erfolgreich zum Abschluss bringen - geiles Gefühl!
Mehr, mehr, mehr
Nachdem ich diese Emotionalitäten mehrmals durchlebt hatte und abschließend die Endcredits über den Bildschirm scrollen, kann ich mit Fug und Recht behaupten, ziemlich gefordert gewesen zu sein. Nun, da das Spiel vorbei ist, stehe ich im Grunde vor der Wahl: Nochmal spielen oder etwas anderes beginnen? Von nicht wenigen lese ich, dass sie sich sofort wieder dranstürzen. Vielleicht mit einem anderen Schwierigkeitsgrad, vielleicht mit anderer Spielweise. Sie setzen sich also einer weiteren, wahrscheinlich noch gesteigerten Form von Stress und Emotionen aus. Der Bossgegner von vorhin wird dann wohl noch heftiger attackieren, noch effektiver ausweichen, oder man muss noch mehr Treffer landen. Die Spirale schraubt sich stufenweise nach oben.
Meinereiner hat dann nach so viel Erlebten erst mal genug davon. War ein Spiel entsprechend aufregend, fällt meine Wahl direkt danach auf etwas weniger Spektakuläres, nach einem Shooter wird dann entweder etwas Taktisches oder ein Casualgame herausgesucht. Zu sehr wirken die Spiel- und Storyerfahrungen noch nach, und wenn diese es wert sind, erhalten zu werden, möchte ich sie so lange wie möglich im Kopf behalten. Ein weiterer Aufregertitel würde dies nur beeinträchtigen.
Ich dosiere mich also gerne selbst mit Gefühlen und Erfahrungen, die Spiele fähig sind zu vermitteln. Als ich etwa bei „Dead Space“ das große Gruseln erfuhr, konnte und wollte ich aus genannten Gründen keine unmittelbare, zweite Welle davon erleben. Man kann sich nämlich auch zu viel davon verabreichen, ähnlich gesteigerter Dosen an Drogen, weil weniger davon schon zur Gewohnheit geworden sind. Abstumpfen kann demnach den Effekt verringern, was wiederum die Sucht und Steigerung der Dosierung fördert. Die Spirale schraubt sich eben stufenweise nach oben...
In Stein gemeißelt
Auf Youtube kursieren oft alle möglichen Formen von Videos, in denen Let´s-Player und Kanalbetreiber ihre Spielerfahrungen dokumentieren. Oftmals sind sie nur akustisch vernehmbar. Mit Headsets bewaffnet wird dann via Fraps die eigene Leidenschaft festgehalten. Für mich ist es durchaus interessant, wie andere Spieler Solokampagnen erleben, etwa ob sich deren Emotionen in bestimmten Abschnitten mit meinen eigenen decken. Nicht selten ist das dann auch der Fall.
Nur kann es auch passieren, dass die Stimmen oder eingefügten Selfievideos den Eindruck vermitteln, dass da jemand irgendwie regungs- und emotionslos ein Spiel abarbeitet. Okay, für´s Video könnte schon mal vorgedaddelt worden sein, und letztlich sind die Videos so etwas wie ein kommentierter Walkthrough. Doch gibt es auch die Blindspieler, die 18 Spielstunden lang mit einem Gesichtsausdruck dasitzen, als hätte man statt Schminke Beton auf ihr Gesicht geschmiert und den dazu über den ganzen Körper samt Bürosessel glibbern lassen. Keine Regung des Körpers, keine Mimik – es ist also der krasse Gegenentwurf zum Unreal-Kid.
Kann sein, dass ich jetzt ein bisschen naiv wirke: Aber was geht dann in dem jeweiligen Spieler vor? Ist er völlig in Trance? Interessiert ihn die Geschichte gar nicht? Ist er so sehr konzentiert, dass sein Gehirn nur rein pragmatisch funktioniert? Es interessiert mich wirklich, was in so einem Kopf vorgehen mag, wenn man es schon nicht als Außenstehender erkennt.
Bis aufs Blut
Anders herum betrachtet kursieren auch Videos, die manchmal wie virales Marketing anmuten. Um das Spielgefühl anzupreisen, gibt es auch Filmchen zu bestaunen, in denen die gezeigten Spieler ihr... ähem... bestes Gefühlsrepertoire zur Schau stellen. Diese „Beweisorgie“ an offenkundig unechten Gefühlen lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass man entweder mit reinen Spielamateuren oder amateurhaften Laienschauspielern gearbeitet hat. Erste haben noch nie solche Spiele gespielt, andere wissen um die beabsichtigte Emotion und overacten sie einfach mal für die Kamera. Dass der Unreal-Kid ebenfalls nicht echt ist, mag so manch realen Bezug auch nicht relativieren.
Nun haben wir die Gegenseite des Spielers zum Thema, den Hyperaktiven, den Ausraster. Prinzipiell ist es gutzuheißen, seine aufgestauten Aggressionen in einem Spiel auszulassen. Wenn es jedoch schon passiert, dass ein Counter Strike-Spieler nach einem verlorenen Messerkampf den Gegner im realen Leben aufspürt und ihm ebensolches in die Brust rammt, dann läuft ja wohl irgend etwas in deren Köpfen nicht ganz rund.
Aber auch in abgeschwächter Form, also auf ADHS-Niveau, empfinde ich solche Gefühlsausbrüche als befremdlich. Die Psyche treibt so manchen Schabernack mit einem Menschen, und ich will das jetzt auch nicht bagatellisieren geschweige denn brandmarken. Spiele sollen ja auch Emotionen wecken. Enttäuschungen im realen Leben können jedoch zu übermäßigen Reaktionen im Spiel führen. Gerade im Wettbewerb des Onlinespiels sollte man, wie es viele auch richtigerweise immer wieder predigen, das Spiel auch als Spiel betrachten. Ich kann mir auch schlecht vorstellen, dass abgesehen von E-Sport-Teilnehmern Gamer fundierte Erklärungen für ihre extremen Ausbrüche geben könnten. Der Druck, im Spiel erfolgreich zu sein und Fehler zu minimieren, ist für den Hobbygamer doch so wenig ausgeprägt, dass ich es nur sehr bedingt nachvollziehen kann, dass die Feierabendrunden im Multiplayershooter zur zweiten Projektarbeit hochstilisiert werden.
Mit Graus erinnere ich mich noch an die Zeit, in der ich Counter-Strike gezockt hatte. Nicht nur, dass mich die ständig auftauchenden Nervbojen gestört hatten, sondern erschrecke ich auch heute noch darüber, wie ernst ich das Spiel damals genommen hatte. Da gab es Tage, an denen ich mit dem Ziel an das Spiel ging, eine gute K/D erzielen zu wollen und scheiterte kläglich daran – meine Ansprüche wurden böse enttäuscht, und das förderte den Frust sowie emotionale Spiralen nach „unten“.
Krank
Wir könnten uns jetzt wahrscheinlich stundenlang darüber streiten, inwiefern ADHS eine konkret körperliche Krankheit, eine Erfindung der Pharmaindustrie oder doch nur die Konsequenz aus zu hohem Zuckerkonsum sein mag. Wer darunter leidet, ist zumindest einer gewissen Gesundheitsgefährdung bzw. dem Spott und Hass anderer Mitspieler ausgesetzt.
Öffentliche Server mit leichtem Zugang und sehr laschen Regelauslegungen sind rege Anlaufpunkte für hyperaktive Spieler, die ihrer Hibbeligkeit zu gerne frönen. Man muss schon eine sehr ausgeprägte Stressresistenz besitzen, um ihren regelmäßigen Besuchen standhalten zu können. In vielen Facetten durchbrechen sie den Gepflogenheiten eines halbwegs geordneten Spiels, cheaten, glitchen, feuern ihre eigenen Teammates nieder oder nerven über die In-Voice-Funktion mit ihrem Quiekestimmchen. Wollen sie mal nicht den Gepflogenheiten des Onlinespiels entgegenstehen oder dem Serverfrieden den Garaus machen, ist ihre Spielweise unkollegial, aggressiv und abwertend. Die eigene Reizüberflutung geht über alles hinaus, was der Durchschnittsspieler unter MITspielen und angenehmen Zeitvertreib versteht.
Wieviel am Krankheitsbild dran ist, lässt sich online nur erahnen. Ist es Absicht oder „nur“ die Auswirkung einer Krankheit, die man beim Betroffenen leider nicht abstellen kann? Fakt ist: Sie sind nicht geeignet, in normalen und teambasiereten Rundenkämpfen mitzuwirken. Der Unreal-Kid hat sich demnach schon am Ladebildschirm den Unmut der Nachbarn zugezogen – was wäre, wenn er dann noch ständig im Spiel stirbt und sich anhand seiner miesen Statistiken endgültig in Exstase geschrien hätte? Ich wage mal die Prognose, dass es keine fünf Minuten dauern würde, bis jemand Verantwortliches den Bannknopf drücken würde...
Leider kann ich keine Angaben zum Spielerlebnis eines ADHS-Menschen im Solomodus machen. Lohnt es sich denn überhaupt, sich über die Vorgaben aufzuregen, die einem ein Programm vorsetzt, abgesehen von Bugs und Designfehlern? Im Grunde kann man sich weniger über sein eigenes Unvermögen echauffieren, weil Spiele unter anderem mit mehreren Schwierigkeitsgraden (oder einer solchen Lernkurve) kaum Anlass zur Kritik geben. Im Multiplayermodus sieht es dann doch anders aus. Andere Spieler sind eben weitaus unberechenbarer, man kann sie nicht in Schwierigkeitsgrade einsortieren. Und doch sollte man in dem Wissen an die Spiele herangehen, dass es immer bessere Spieler geben wird als man selbst. Dennoch können wohl manche solche Wahrheiten nicht akzeptieren und ernennen die Person vielleicht sogar zu ihrem Hasssubjekt (wir erinnern uns an den Messerkampf...). Doch was ist, wenn ADHS den Serverfrieden stört? Muss man dafür Verständnis zeigen? Sie eingrenzen und sie auf eigene Server lotsen?
Irgendwo dazwischen
Jeder hat wohl seine eigene Meinung darüber, wie man fühlt, agiert oder sich nach außen hin darstellt. Manche sitzen eben stoisch in ihren Sitzen, andere bewegen sich eben bei jeder Aktion mit und lassen die Zunge heraushängen, und wieder andere schreien eben die Nachbarn aus dem Bett.
Würde man mich fragen, würde ich ihm keine eindeutige Antwort geben können. Gut – letzteres geht mal gar nicht, weil es den Hausfrieden bricht und es den Anschein hat, als ob der Spieler mit Enttäuschungen nicht klarkommt. Auch erstes kann vielleicht lange, lange später zu Auswirkungen führen. Implosionen haben eben einen viel heftigeren Effekt als Explosionen, und beim Menschen stellt sich das ähnlich dar. Dann würde wohl die „Bild“ wieder die Nachbarn bestechen und ihnen Statements wie „Er war doch so ruhig und freundlich“ aus der Nase ziehen...
Für mich ist maßvoller Umgang mit Spielen und seinen eigenen Reaktionen wieder mal die Lösung aller Dinge. Zu viel davon ist einfach nicht gesund. Man darf ruhig mal unvernünftig sein - McDonalds dem Gemüseauflauf vorziehen, auf´s Gas treten, wenn nur 80 km/h erlaubt sind, sich die Birne zuschütten, auch wenn es die Gehirnzellen zerstört, oder eben einen Schrei loslassen, weil einem der Bossgegner kurz vor knapp den Gnadenschuss verpasst. Aber bitte dann alles mit der nötigen Sorgfalt. Sich selbst einschätzen, seine Grenzen kennen, Fähigkeiten wissen, auch mal aufhören, wenn man einen schlechten Tag erwischt hat.
Tja.
So ist das.
Jetzt geh ich zocken.
Gleich steigt die Party.
Wollte aber noch „Game of Thrones“ gucken.
Mach ich eben beides.
Nächste Runde.
Ach nee, nicht der schon wieder.
Hat mich getroffen.
Die Sau.
Ich bin voll.
Wodka knallt grad.
Mache ma einer Mussick!
Yeah, voll der Beat, Alta!
Opfa, der.
Habbn Kill gmacht.
Goil.
Alles Noobs.
Außer Mudda.
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Und wenn sie nicht gestorben sind, killen sie sich noch heute...
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