Wenn der Hype im Alter ausbleibt

Von CoRon3x · 17. Juli 2016 · Aktualisiert am 26. Juli 2016 ·
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  1. (Vorwort nach der Wahl zum Blog der Woche. Danke dafür! Dieser Blog spiegelt natürlich meine persönliche Sicht der Dinge wider. Ich versuche nicht auszudrücken, dass jeder älter werdende Mensch automatisch so mit dem Thema umgehen wird wie ich. Viel Spaß beim Lesen.)



    Eine sehr verallgemeinerte Überschrift möchte man meinen, doch ich möchte auf ein ganz bestimmtes Thema hinaus. Vor einiger Zeit las ich mal den Beitrag eines Users auf Reddit im Overwatch Bereich, der gerade einmal zarte 18 Jahre jung war. Es war circa eine Woche vor Release und er betonte wie "gehyped" er wäre. Er könnte es kaum erwarten endlich dieses Spiel sein Eigen zu nennen und endlose Stunden dort drin zu versenken.


    Er betonte ganz klar, dass es an seinem Alter läge. Er hätte all die großen Dinge verpasst, wie die ersten Konsolen, die Anfänge der mächtigsten eSport Titel aller Zeiten, revolutionäre Sprünge im Bereich der Hardware oder als die besten MMOs ihrer Zeit die Pforten öffneten. Overwatch war nach seiner Aussage DAS nächste, große Stück Software in der Geschichte der Videospiele.


    In dem Moment stellte ich mir selbst die Frage, wann ich das letzte Mal tatsächlich dieses Wort "Hype" auf mich anwenden konnte und kam nicht wirklich schnell zu einer Antwort. Ich tippte auf den damaligen Release von Battlefield 3, aber das war mehr eine einfache Freude, also grub ich noch tiefer und da fiel es mir ein. Das letzte Mal, dass ich wirklich vor lauter Aufregung wegen eines Spiels im Dreieck sprang und es kaum aushalten konnte war im Jahre 2004. Ich war zarte 16 Jahre jung und musste einen Erwachsenen bei mir haben, da ich folgendes sonst nicht bekommen hätte - GTA San Andreas für die Playstation 2. Danach erinnere ich mich an kein Spiel mehr, welches solch eine Art von Emotionen hervorrufen konnte und von diesem Moment bis zur Gegenwart wurden viele, großartige Titel veröffentlicht. Also woher kommt das?

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    I. Ich werde alt

    Ja, das gute Alter ist so ein Thema für sich. Zum Zeitpunkt dieses Beitrages sind es noch 1 1/2 Jahre, dann steht die Drei vorne und ich darf offiziell eine Krise nach der anderen durchleben und grau werden. Vor zehn Jahren habe ich mir noch eingeredet, dass sich meine Begeisterung für Videospiele nie ändern wird, weil ich nun einmal damit aufgewachsen bin und es für "meine Generation" normal ist. Stattdessen sitze ich oft vor meinem PC, gehe die 400 Spiele der Steam Library durch, zusätzlich noch Origin, Uplay oder Battle.Net und verliere nach wenigen Minuten des sinnlosen Rumgeklicke die Lust.

    Natürlich sind da viele Titel mit inbegriffen, für die ich mir beschämt an den Kopf fassen sollte, aber gleichzeitig sind auch genügend andere vorhanden, die es wert wären gespielt zu werden. Trotzdem atme ich tief ein, schnaufe hörbar laut wieder aus und widme mich dem Kästchenziehen auf dem Desktop. Die Motivation ist irgendwo zwischen Pubertät und der bevorstehenden Midlife-Crysis links abgebogen und wollte Cortana keinen Glauben schenken, als sie "BITTE WENDEN" durch den Hörer brüllte.


    II. Unterhaltungsmedien sind unser Alltag


    Wir führen sie immer mit uns, diese Möglichkeit immer und überall bespaßt zu werden. Smartphones und Tablets sind in Jedermanns Hand und Apps wie Netflix, Amazon, Facebook und Co. findet man wahrscheinlich auf dem Großteil aller Geräte. Für mich ist das irgendwann der Technik-Overkill geworden. Ganz bewusst habe ich mir, nachdem mein eigenes Smartphone sich verabschiedet hat, nur zu einer 100€ Variante gegriffen, die selbst beim Start von Whatsapp schon ins Schwitzen gerät.


    Ich gehöre zu diesen Leuten die absolut kein Verständnis dafür haben, dass jemand permanent erreichbar sein muss und zwanghaft auf sein Handy starrt. Wenn man mit mir einen Film guckt, dann gilt Handyverbot wie im Kino und wer sich daran nicht hält, der braucht sich nicht beschweren, wenn ich irgendwann genervt den Film mittendrin abschalte. So wichtig kann wirklich niemand sein.


    Unterhaltungsmedien dreschen an jeder Ecke auf uns ein weswegen ich nur noch mehr versuche ihnen aus dem Weg zu gehen. Da macht es dann keinen Unterschied ob wir hier von Apps, Hardware oder Videospielen reden. Natürlich reagiert da jeder anders drauf. Manche können gar nicht genug davon kriegen, andere können es gut dosieren und ich reduziere es gerne auf ein Minimum. Nur Musik, die darf gerne den ganzen Tag laufen und mich ablenken.

    III. Zu viele Enttäuschungen

    Spore, Battleborn, Sim City, The Division, Evolve (Pre F2P) und nicht zu vergessen, Brink, der "nächste, große eSport Shooter". Das sind nur ein paar Titel die viel versprachen und nichts, nur wenig oder sehr verspätet etwas umsetzen konnten. Die Zeit bevor ein Videospiel überhaupt auf den Markt gebracht wird ist mittlerweile schon so anstrengend, dass ich ab und an die Lust und das Interesse verliere.


    DLCs hier, Season Passes da. "Kauft dies und bekommt das." "Kauft am besten alles, denn sonst fehlen euch 80% des eigentlichen Spiels." "Oh und denkt daran, dass nächstes Jahr schon der Nachfolger erscheint, also bezahlt bitte ordentlich den Vollpreis." "Vorbstellen bloß nicht vergessen, sonst bleiben euch Boni verwährt die ihr erst wieder bekommt, wenn das gescheiterte Spiel drei Jahre später auf Free2Play umstellt!"

    Das sind die Dinge die ich sehe wenn ein neuer oder alter Franchise mit seinem Release wirbt. E3 Pressekonferenzen bestehen zu 50% aus Videos, zu 10% aus schlecht gescripteten Live-Matches mit Mitarbeitern die sich so taktisch absprechen, dass es mir kalt den Rücken runterläuft und zu 40% aus allen Infos bezüglich weiterer, kommender Inhalte die aber erst in den darauf folgenden Monaten erscheinen, von denen man aber das Meiste natürlich noch nicht verraten möchte. Wir kaufen ja schließlich alle gerne die Katze im Sack. Egal wie sehr sie schon nach Verwesung stinkt.


    Es sind solche Sachen die bei mir dafür sorgen, dass ich gar nicht erst auf den "Hype-Train" aufspringe und eher skeptisch dreinschaue um mich zu fragen, an welcher Stelle bei den Konsumenten etwas falsch gelaufen sein muss, dass sich solch ein System durchsetzen konnte. Gerade dann finde ich es so faszinierend wenn Spiele wie The Stanley Parable, Keep Talking And Nobody Explodes, Bastion oder Limbo um die Ecke kommen und all diesen Trubel nicht nötig haben, aber dennoch ganz oben mitspielen. Genau bei diesen Titeln habe ich dann auch Monate später noch im Kopf wie unterhaltsam sie waren. Bei einem The Division fällt mir nur ein, wie ich regelmäßig im Schneckentempo in die Base of Operations einlaufe und dabei fast einschlafe.


    Und so ist es nicht verwunderlich, dass ich zum Beispiel bei einem kommenden Titel wie No Man's Sky sehr skeptisch bin. Die Entwickler versprechen eine ungeahnte Vielfalt und werfen mit Zahlen um sich die man sich kaum vors Auge führen kann. Alles ist dem Zufall überlassen, nie wird man Einheitsbrei erleben. Entdecken, entdecken, entdecken und das für nur 60€.


    Früher als Teenager war mir sowas egal. Da habe ich Spiele, bei denen ich mir nicht sicher war, einfach auf anderem Wege besorgt. Heute mache ich das nicht mehr, sondern kaufe wie ein ehrlicher Bürger alles legal, wenn auch zum Großteil über Keyseller. Und gerade dann beginnt man auf sein Geld zu schauen. 60€ für einen Zufallsgenerator der sich trotzdem irgendwann wiederholen wird. "Gestern war da dieses schuppige, grüne Monster. Heute ist es wieder da, nur in gelb und mit Flügeln." Das müsste eigentlich jeder potentielle Käufer selber realisieren können und dennoch habe ich Leute in meinem Freundeskreis, die naiv alles vorbestellen was einen großen Namen trägt.


    Bei Battlefield 1 mache ich mir da beispielsweise keine großen Sorgen, wenngleich ich noch nicht meine Vorbestellung abgeschickt habe. Aber kommende Titel wie das angesprochene No Man's Sky, For Honor, Ghost Recon: Wastelands, Watch Dogs 2 und jedes Fifa oder Call of Duty sehen so gut aus und versprechen so viel, dass bei heutigem Standard meines Erachtens nach nicht mehr viel dahinter stecken kann. Stichwort: Grafikblender.


    IV. Communities und ihre Eigenarten


    Mein letzer Punkt, der sich speziell auf Multiplayer-Titel bezieht. Es gab schon immer Spieler die unbedingt ein negatives Beispiel sein wollten und sich dementsprechend verhalten haben. Über die letzten Jahre hinweg hat sich das allerdings zu einem grauenhaften Standard entwickelt. Gerade als aktiver Reddit Nutzer kommt man nicht drum herum dies täglich live und in Farbe mitzuerleben.


    Die beiden besten Beispiele der letzten Monate waren da wohl Rainbow Six: Siege und The Division. Anfangs betrat man die Community, las nützliche Tipps, bekam Hilfestellungen, leistete selber seinen Beitrag und fühlte sich wohl. Doch sobald ein kleiner Fehler im System ist, springt der Funke sofort auf alle über. "Toxic" ist der Begriff den man dafür benutzt. Die Community spuckt nur noch Gift und Galle und lässt keinen Stein auf dem anderen.


    Ich könnte diese Subreddits einfach meiden, allerdings breitet es sich dann schlagartig aus wie ein Lauffeuer und infiziert auch andere Seiten. Man kommt fast nicht drum herum mitzubekommen, dass mal wieder alles den Bach hinunter geht. Spätestens da verliere ich die Lust ein aktiver Teil solch einer Community zu sein. In solchen Momenten suche ich dann die guten Seiten des Internets auf und besuche das Stardew Valley Subreddit in dem nur Liebe versprüht wird und jeder den Anderen seine Farm zeigen möchte.


    Fazit


    Ich bin ein alter Griesgram der Technik verpönt, Fortschritt hasst, geizig ist und lieber ein Individuum sein möchte anstatt sich der Masse hinzugeben. So liest es sich zumindest. In Wirklichkeit bin ich einfach nur erschöpft von all den Daten die täglich verarbeitet werden müssen, von leeren Versprechungen die Entwickler machen und nicht einhalten und all dem Marketing-Wahn der Einzug erhalten hat.


    "Früher war alles besser" sagt sich so leicht und meistens sind es nur irgendwelche Nostalgiker die auf ein "Das NES war so toll" mit "Quatsch, nur das Atari war die einzig wahre Konsole und nichts wird jemals besser sein" antworten. Aber manche Dinge im Bezug auf Videospiele und den Fortschritt waren damals wirklich besser.


    Ich will es gar nicht so sehr auf mein Alter schieben, immerhin bin ich gerade einmal Ende 20. Sollte ich jemals Kinder haben, dann würde ich mich freuen fähig zu sein sie in ihren eigenen Spielen zu besiegen und zu zeigen, dass auch der Papa mit sowas groß geworden ist, denn für meine Eltern sind Smartphones heute immer noch Teufelswerkzeuge und meine Großeltern sind froh, wenn sie den Fernseher eingeschaltet bekommen.


    Es macht wohl dieser Mix aus neuen Interessen durch das Alter, viele Fehlentscheidungen beim Spielekauf, falsche Versprechen und eine daraus entstandene Gleichgültigkeit. Und um den Anfang nochmal aufzugreifen - ich habe all die großen Dinge unserer Zeit live miterlebt. Ich saß damals schon an Ataris, an NES Spielen, Warcraft 3, besaß zwischendurch einen unglaublichen AMD Duron 1300 der meinen Pentium 2 ablöste und eine 64mb starke Geforce 4 Ti 4200 als Ersatz für meine Geforce 2 MX400. Ich habe mit Lara Croft Fledermäuse gejagt und meinen Butler geschubst, mich mit Sonic so viel gedreht, dass mir schlecht wurde, kenne die Karten von GTA 1, 2 und London auswendig, weiß genau welches Video gemeint ist wenn jemand "Mines, Mines, Mines..." sagt und hatte das originale TAMM-Buch kurz nach Veröffentlichung in der Hand.


    Vielleicht kann mich deshalb einfach nur nichts mehr wirklich überraschen.

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