Wie sich Spieler und Industrie "entfremden"...

Von Roadwarrior · 13. April 2019 ·
Entscheidungen am Spieler vorbei - wie wirtschaftliche Interessen die Kundenfreundlichkeit und -nähe töten.
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  1. Wer trifft solche Entscheidungen?

    Immer öfter werden innerhalb der Gaming-Industrie oder in den Leitmedien Entscheidungen getroffen, die eigentlich schon von vornherein als das erkennbar sind, was dann passiert: ss geht am Kunden vorbei, es erregt Ärger und Stress und wird zu massiven Diskussionen und Kritik führen. Dennoch nehmen die "Entscheider" das in Kauf, weil offenbar der zu erwartende Vorteil oder Gewinn diesen Aufwand lohnt.

    Battlefield V als Paradebeispiel

    In Battlefield V und auch darum herum wurde viel Aufhebens um den neuen Battle Royale Modus "Firestorm" gemacht. Schon zu Release konnte man entweder zu viert oder eben solo diesen Modus spielen. Die sehr beliebte 2er-Variante aus anderen BR-Spielen fehlte, sollte aber nachgeliefert werden. Gesagt, getan: dieses Wochenende legte EA nach und präsentierte den versprochenen 2er-Spaß. Aber leider eben auch nur dieses Wochenende. Danach wird der Modus wieder entfernt - das Ganze ohne einen für Spieler wirklich nachvollziehbaren Grund.
    Schon der Modus "Rush" - in nahezu jedem Battlefield-Spiel essentieller und beliebter Bestandteil des Portfolios - wurde zu Anfang gar nicht implementiert und erst recht spät nachgeliefert. Und wie beim aktuellen Beispiel "2er-Battle-Royale" wurde er nur zeitweise angeboten. Schon in diesem Fall wurde keinerlei sinnige Erklärung präsentiert, wieso man einen Modi dann wieder aus dem Spiel entfernt. Ich für meinen Teil spiele in BF (egal welcher Teil) nur "Rush", weil für mich das Laufen von Flagge zu Flagge langweilig und nervig ist und ich es bevorzuge, wenn sich die Kämpfe um eine bestimmte Stelle konzentrieren. In meinem Fall haben EA und Dice es geschafft, dass ich nach all den Jahren von Battlefield zu Call of Duty gewechselt bin, weil ich dort einfach ohne Stress und Einschränkungen bekomme, was ich haben will. Es ist für den durchschnittlichen, berufstätigen Feierabend-Zocker über 30 einfach leichter, mal EINEN Freund zum Spielen zu finden. Weder bin ich noch in einem Clan organisiert noch möchte ich in einem Spiel in dem wirklich Taktik nötig ist mit Wildfremden im Team spielen - eine Solo-Modus und eine Duo-Variante sind für mich unerlässlich.
    Natürlich ist auch bei CoD nicht Alles Gold was glänzt - die neue "Alcatraz"-Map für den Blackout-Modus ist nur im 4er-Modus verfügbar - und auch dort nur in der Version mit "Wiedereinstieg".

    Die "Macht" der Spieler ist in weiten Teilen nur eine Mär

    Es gibt sehr viele Spiele, in denen PR- oder Design-Entscheidungen getroffen werden, die eindeutig und unzweifelhaft allein dem Vorteil der Anbieter gerecht werden. Seien es das Glücksspiel in FUT bei FIFA19, der Zirkus um die Lootboxen in Battlefront 2 oder generell das Zerren vor bekannten Spiele-Serien in den "Games as a Service"-Bereich. Dazu kann man natürlich auch die Diskussionen um den Epic-Store zählen bzw. um dort erscheinende Exklusiv-Titel. In all diesen Fällen waren oder sind die Diskussionen sehr massiv, es wird sogar mit Boykotten gedroht, es wird beleidigt und geschimpft. Das Ergebnis ist allerdings überschaubar. In Battlefront 2 wurden zwar die Lootboxen entfernt, allerdings nur zeitweise und mit der Option auf eine Rückkehr in ähnlicher Form.

    Massive Werbung, Markenmacht und sicher auch der gute Name mancher Entwickler wie etwa Bioware oder Blizzard erdrücken viel Protest einfach am Rand des Geschehens. Die "meckernde" Minderheit der in Communities aktiven und organisierten User hat weit weniger Einfluss auf die Dinge und deren Entwicklung, als dort oft vermutet wird.

    Es geht um sehr viel Geld

    Sieht man die Zahlen, die im Bereich Videospiele umgesetzt werden, kann es einem schon den Atem verschlagen. AAA-Produktionen kosten gern man über 100 Millionen Euro, die Einnahmen der Branche schlagen die von Film- und Musikindustrie deutlich - selbst wenn man die beiden Sektionen zusammenlegt.

    Im Jahr 2017 betrug der Umsatz der Branche für Hard- und Software allein in Deutschland 3,3 Milliarden Euro. Kino (1,1) und Musik (1,6) liegen also zusammengelegt deutlich dahinter. Damit ist das Gaming im Fußballland Deutschland an die "heilige" Bundesliga (3,4) herangerückt. Zum Vergleich: alle "Video on Demand"-Anbieter wie Netflix und Amazon Prime kamen zusammen nur auf 0,9 Milliarden Euro.

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    Interessante Aufstellung der Umsätze 2017 - Spiele sind ein mächtiger Markt in Deutschland (Quelle: Games Wirtschaft)

    Interessant sind auch noch folgende Zahlen: in der Gesamtsumme den größten Anteil machen die Spielekäufe mit 1,2 Milliarden Euro aus, dahinter folgt die Hardware mit knapp 940 Millionen Euro. Soweit nachvollziehbar. An dritter Stelle mit knapp 850 Millionen Euro liegen aber bereits die Mikrotransaktionen - und erwirtschaften damit etwa noch einmal 70% dessen, was schon durch die Verkäufe der Spiele eingenommen wird. Zur Erinnerung: Diese Zahlen betreffen allein Deutschland.
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    Erschreckend, wenn man es vor Augen hat: Miktrotransaktionen erwirtschaften mehr als 70% zusätzlich zum Spieleverkauf selbst. Das ist kein "Zubrot" mehr. (Quelle: Games Wirtschaft)

    Wieso machen wir das mit?

    Obwohl also eigentlich die Kluft zwischen dem was wir Spieler wollen und dem was uns angeboten wird immer größer wird, steigen die Einnahmen der Branche massiv. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Mangelnde Kritik, Desinteresse, Gleichgültigkeit der Spieler, Beeinflussung durch Werbung, Gruppenzwang, Zeitmangel...es gibt viele Ansätze, warum man sich die Dinge gefallen lässt. Gerade in unserem Land ist die "Das ist eben so, was soll man machen"-Kultur ja verbreitet, siehe Benzinpreise, Steuern oder Politik.

    Regt sich dann doch mal Widerstand und reicht dieser dann so weit, dass er Beachtung findet, kommen meist nur fadenscheinige Erklärungen, Aussagen ohne echten Inhalt oder diverse Varianten von Hinhaltetaktik. Wie oft ich inzwischen etwa gehört habe "Wir ändern das, behalten uns aber vor, es wieder zu tun" oder das einfache "Wir arbeiten dran", kann ich gar nicht mehr zählen. Mir fehlt inzwischen das Vertrauen und auch der Glaube daran, dass noch wirklich für uns entschieden wird.

    Auch hier brodelt es - im Grunde erfolglos

    Aktuell gibt es hier direkt bei Gamestar ein Thema: das war ein Großteil der User will passt nicht zu dem, was gemacht wird. In diesem Fall ist es das Layout der neuen Seite bzw. das, was durch dieses Layout nach vorne transportiert wird. Community-Inhalte verschwinden in der Dunkelkammer, Anzeigen und Plus-Beiträge werden nach vorne gestellt. Obwohl der Desktop bei einer Seite für PC-Spiele das Leitmedium darstellt, wird das Ganze für mobile Geräte optimiert. Die Diskussionen sind heftig, teilweise sehr leidenschaftlich, dann wieder sehr konstruktiv - von Seiten der Redaktion und auch der Entscheider dahinter kommt dagegen kaum Feedback, bis auf oberflächliche Einwürfe von Moderatoren (zählen für mich eh zur Community) bleibt das Thema bis dato ein relativ einseitige Angelegenheit.

    Eine Umfrage zu den neuen Layouts fand statt (vor der Umstellung), Ergebnisse wurden jedoch nicht veröffentlicht. Inzwischen kann sich vermutlich jeder denken, warum diese unter Verschluss geblieben sind. In den entsprechenden Threads sind vielleicht 10 - 20% der Beiträge neutral gehalten mit der Hoffnung, es werde schon noch verbessert. Der Rest hat sich eindeutig negativ ausgedrückt - wirklich durchwegs positive Aussagen zum neuen Layout und auch dem "Zurückstellen" der Community-Inhalte konnte ich noch keine finden.

    Ich finde es schade, dass selbst Gamestar so entfernt von der Basis handelt. Besonders deswegen, weil dort das kundenunfreundliche Verhalten von Publishern und Herstellern nicht selten Grundlage von Artikeln war.

    Wohin der Weg geht, kann keiner wissen...

    Jeder User muss am Ende selbst entscheiden, was er noch mitmachen will und wo für ihn die Grenze ist. Games as a Service, Miktrotransaktionen, Exklusiv-Titel. Eine pauschale Lösung gibt es nicht, dazu sind wir Alle zu verschieden. Ich für meinen Teil habe nur sehr wenige Ausgaben in dem Bereich, seit ich FUT hinter mir gelassen habe. Sollte es beim aktuellen Stand bleiben, werde ich das natürlich voll akzeptieren - und dann die für mich nötigen Konsequenzen ziehen von Fall zu Fall.

    Über den Autor

    Roadwarrior
    1975 auf die Welt losgelassen bekam ich 1982 von meinen Eltern zu Weihnachten ein Atari 2600 überreicht - seitdem nahm die Spirale ihren Lauf. Ich bin seit inzwischen etwa 40 Jahren "ingame". Durch verschiedene Berufe, Beziehungen, eine Ehe, Wohnorte und Weltanschauungen hindurch waren in meinem Leben in den letzten 25 Jahren nur 3 Sachen konstant: Motorräder. Heavy Metal. Gaming.
    Marduk1813 und Würschtal gefällt das.

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