Heliborne - Fakten und Hintergründe zum Release

Jetcat Games gewann mit Heliborne dieses Wochenende den litauischen Game Award für das beste litauische Computerspiel 2017. Außerdem verlässt das Hubschrauberspiel mit dem nächsten großen Update die Early-Access-Phase. Gute Gründe um einen Blick auf das Spiel zu werfen.

Elegant steuert der Spieler "deinKoala" seinen "Cobra" Kampfhubschrauber durch eine idyllische Landschaft, immer knapp über den Bäumen um nicht entdeckt zu werden. Das Ziel ist ein feindlicher Stützpunkt, denn ein verbündeter Convoy aus Panzerfahrzeugen hat Unterstützung beim Erobern angefordert. Schon beim ersten Überflug kommen dem Piloten zahlreiche Projektile aus allen möglichen Richtungen entgegen. Schnell fordert er über vorgefertigte Nachrichten Hilfe an.

Ich bin im benachbarten Tal und erhalte seine Nachricht. Zügig ändere ich den Kurs meines kleinen und wendigen Aufklärungshelikopters. Dank der großzügigen Scheiben habe ich eine bessere Sicht und dank der geringen Größe meines Hubschraubers wird er in der Regel später entdeckt. Schnell funke ich im Tiefflug per Tastendruck die ersten Positionen der feindlichen Einheiten durch und deinKoala kann seine Waffen effektiver einsetzen.



Alle Bilder stammen vom Entwickler oder von anderen Spielern, weil mein Computer nicht potent genug ist für hohe Einstellungen. Dieses hier ist ein Artwork und spiegelt die Atmosphäre gut wieder. Alle anderen Bilder sind Screenshots in hohen Details, mal mit, mal ohne Anzeigen.

Als "Itold" mit seinem Transporthubschrauber, voll mit Soldaten, in das Tal fliegt haben wir fast alle Gegner ausgeschaltet. Seine Bordschützen erledigen die letzten verstreuten Widersacher, bevor die Passagiere aus dem niedrig schwebenden Lufttaxi springen um gemeinsam mit den Panzerfahrzeugen das Gebiet zu sichern.



Im gerade veröffentlichten Trailer werden alle Inhalte der Release-Version vorgestellt.

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Vom simplen Prototypen zum taktischen Action-Spiel

So oder so ähnliche Szenen spielen sich seit dem Februar 2016 in der Hubschraubersimulation Heliborne ab. Damals war es allerdings eher ein kurzweiliges Actionspiel. Die vier, zwischenzeitlich fünf, Entwickler von Jetcat Games haben in eineinhalb Jahren Early Access gemeinsam mit der kleinen, aber sehr aktiven, Community einiges auf die Beine gestellt.

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In einer frühen Version war noch platzsparendes Parken möglich.

Um ein genaues Bild zu erhalten, wie die Entwickler ihr eigenes Projekt sehen und wie es nach dem Release weitergeht, habe ich den Entwicklern einige Fragen gestellt. Der Programmierer Ilja "Itold" Toldayev hat sich die Zeit genommen, diese detailliert zu beantworten. Denn, wie oben angedeutet, spielen die Entwickler nicht nur selbst ihr Spiel, sondern nehmen sich auch viel Zeit um Fragen zu beantworten und Kritik und Ideen zu diskutieren. Ich picke hier nur einzelne Aspekte stark verkürzt heraus, beziehe mich aber im ganzen Text auf dieses Gespräch. Wer die ganze englische Konversation lesen möchte, findet den Link in den Kommentaren.


Oben rechts siehts man die aktive Aufgabe. Hier gilt es die Ziele, in diesem Fall Boote, im markierten Gebiet zu bekämpfen.

Diana Leer, die (einzige) Grafikerin von Jetcat Games, hatte ursprünglich beim World of Tanks Spielen die Idee zu Heliborne. Ich wollte wissen, in wie weit die aktuelle Version von der ursprünglichen Vision abweicht und wie groß der Anteil der Community war.

Itold antwortete ganz ehrlich, dass er keine richtige Antwort hat. Denn für eine übergeordnete Vision haben sie schlicht nicht die Ressourcen: "We try to do what we can and what we think is right here and now." Dabei sind die Kommentare der Spieler hilfreich um eine Idee zu bekommen, was die Spieler gerne im Spiel sehen würden und um einen andere Perspektive auf das Projekt zu bekommen: "I read what some player wrote and think "wow, that makes a lot of sense, I agree with that and should adjust that part of the game accordingly". This continues every day."


Die Hubschrauber sind detailliert und durchweg gut gelungen. Nettes Detail: Die Soldaten im Hubschrauber existieren spieltechnisch wirklich. Steigt ein Soldaten aus, wird auch ein Platz frei.

Tatsächlich nur fünf Karten?

Die Tatsache mit den begrenzten Ressourcen zieht sich durch das ganze Projekt. Ausgestattet mit einem Startkapital, zur Verfügung gestellt vom einem litauischen Risikofonds, bringt das kleine Team aus zunächst drei Freunden das ursprünglich in der Freizeit gestartete Projekt durch Steams Greenlight und ins Early Access Programm. Mit zwei Community- und PR-Managern sind sie fast über den ganzen Zeitraum zu fünft. Erst gegen Ende des Early Access steigt der Publisher Klabater mit ein und ein Community-Manager verlässt das Team.

Und die Spielerschaft hat Wünsche ohne Ende. Mehr Karten, dreidimensionale Cockpits, eine Kampagne und KI-gesteuerte Hubschrauber sind mit die häufigsten Wünsche.


Heliborne bietet Hubschrauber und passende Szenarios von den 1960er Jahren bis in die heutige Zeit.

In der Releaseversion von Heliborne gibt es sechs Karten. Eine dient als Menühintergrund, Testbereich und Tutorial Bereich. Nur fünf Karten stehen zum Spielen bereit. Das dürfte manchen Spielern sauer aufstoßen. Itold gibt zu bedenken: "Maps take a lot of time. Each map is at least 2 month work for our artist (Diana). Sometimes more, depends on the map." Und wie bereits erwähnt. Diana ist für alle Grafiken zuständig: Das Menü, Hubschrauber, Texturen und alle Levelobjekte zählen auch dazu.

Im Spiel ist eine rudimentäre Cockpitgrafik enthalten, zweidimensional. Eine der Neuerungen in diesem Bereich: Die Grafik kann man in den Einstellungen abschalten. Sie gefällt den Spielern nicht und die Entwickler sind auch nicht stolz darauf.


So sieht Heliborne mit angeschalteten Anzeigen aus. Aber Achtung: Der orange markierte Helikopter gehört zum eigenen Team. Gegner werden blau markiert. Die Entwickler orientieren sich bei allen Inhalten an der Realität, auch bei der Farbgebung der Anzeigen. Weil es wirklich diese Farbcodierung gibt, ist sie im Spiel.

Auf Nachfrage rechnete Itold im Steamforum schon vor Monaten vor: Ein detailliertes, authentisches Cockpit braucht so viele Ressourcen wie mehrere Hubschrauber zusammen. Nicht eingerechnet der Aufwand für Lizenzen und Exkursionen zum Original. Das Team hat mit Alternativen experimentiert, aber nichts zufriedenstellendes gefunden.

Durchdachtes Spieldesign mit Tiefgang

Und hier lässt sich gut der Bogen zu all den Vorzügen von Heliborne spannen, die ich bis jetzt schuldig geblieben bin. Denn im Early Access haben die Entwickler vor allem eins gezeigt: Mit einfachen Lösungen geben sie sich nicht zufrieden. Jede Neuerung ist nur ein erster Versuch und wird umgehend hinterfragt, verbessert oder ausgetauscht.


Auch bei der Bewaffnung und Ausrüstung von den Hubschraubern im Spiel wird auf Authentizität gesetzt. Wenn sich ein Spieler eine bestimmte Ausführung wünscht, muss er mit Fotos beweisen, dass es diese auch wirklich gab.

So geschah es mit dem Flugmodell, das sich vom rudimentären Umsetzen der Steuerbefehle wie in einem Shooter zu einer auf zahlreichen Parametern und physikalischen Effekten aufbauenden Simulation entwickelt hat. Ebenso das Verhalten der Bodentruppen, die Menge und die Fähigkeiten von Spezialsoldaten: Mehrere vom gleichen Typ nah beieinander arbeiten automatisch als Team zusammen und sie warten, bis sich das Schießen am ehesten lohnt - ausgetüftelt zusammen mit den Spielern.

Besonders herausstellen möchte ich die Aufgaben. Im Einzelspielermodus und kooperativen Spiel bekommen die Piloten dynamisch zur Situation des Schlachtfeldes passende Aufgaben. Aktuell sind es hauptsächlich Aufgaben zum Zerstören oder Erobern von Zielen. Es ist noch die erste Iteration, aber die Spieler mochten es und haben mit zahlreichen Verbesserungswünschen reagiert. Dies ist eine der nächsten größeren Baustellen, die das Team bearbeiten möchte: "We are planning new tasks (search, medevac, covert, other variations of tasks), new scenarios (right now you only have frontline, we are planning to have counter-insurgency scenario, defense and attack scenarios) and new ways to use task system (new game mode and pairing people to do certain tasks)."


Der Techtree und das Freischalten von Helikoptern und Waffen wird mit der Releaseversion aktiviert. Das Freischalten soll aber zügig von Statten gehen. Die Spieler haben oft betont, dass es sich bloß nicht wie ein "free-to-play" anfühlen soll.

In all dem lässt sich die Vision hinter Heliborne entdecken. Denn es gibt eine und das Team hat sie auch immer wieder in Diskussionen formuliert: Das Ziel ist es, die verschiedenen Einsatzgebiete von Helikoptern im Kriegsgebiet abzubilden, mit Hilfe eines dynamisch ablaufenden Kampfgeschehens. Das Ergebnis: Spannende Matches mit knackigen Kämpfen, taktische Entscheidungen in abwechslungsreichen Spielen. Sprich: Eine Menge Spielspaß.

Dazu gehören die Convoys, die Hilfe brauchen beim Vorrücken, die Soldaten, die übers Schlachtfeld transportiert werden, die Spezialisten, die hinter feindlichen Linien abgesetzt werden und die versteckten Ziele, die entdeckt, gemeldet und vernichtet werden müssen.

Das Zusammenspiel mit den KI-gesteuerten Bodentruppen ist der Schlüssel zum Sieg im Frontline-Modus.



Ein weiterer wichtiger Kniff: Das Absetzen von Spezialsoldaten zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Aber Achtung: Egal ob gegnerischer Spieler oder KI-gesteuerter Kontrahent. Der Gegner kann das auch!

Dazu gehört auch das Gefühl, eine Maschine zu steuern die sich frei in der Luft bewegen kann, aber auch leicht verwundbar ist. Eine, mit der man versucht sich nah an den Feind heranzupirschen oder über große Distanzen zu agieren. Flugmaschinen, die sich alle individuell unterschiedlich fliegen und einsetzen lassen.

Lieber mit doppeltem Boden?

Jetcat Games überlässt es jedem Spieler, wie realistisch und anspruchsvoll es dabei sein soll. Die einfache Steuerung geht leicht von der Hand, die Ansicht aus der dritten Perspektive hilft bei der Übersicht und der einfachste Spielmodus verzeiht im Prinzip alle Fehler.


Egal bei welcher Einstellung: Ein Helikopter am Boden ist immer ein leichtes Ziel. Die Soldaten (rechts) sind gerade noch rechtzeitig ausgestiegen.

Wohingegen die anspruchsvolle Steuerung gepaart mit entsprechenden Eingabegeräten, der immersiven Cockpit-Perspektive und einem hohen Schwierigkeitsgrad jedem noch so erfahrenen Spieler die Schweißperlen auf die Stirn treibt.

All dies soll nach dem Willen der Entwickler nach dem Release vertieft und erweitert werden. Weitere Karten zu den bereits existierenden Szenarios und eine neue Karte mit dem Schwerpunkt auf Meer und Küste für den lange gewünschten Einsatz von Helikoptern im Kampf über der See sollen kommen. Dann dazu passende Hubschrauber, ebenso wie ein dritter Zweig mit europäischen Hubschraubern neben den beiden bestehenden mit Schwerpunkt USA und Russland/Sowjetunion.


Maximal drei verschiedene Helikopter dürfen mit ins Gefecht genommen werden, egal ob im Einzelspielermodus, im kooperativen oder im Team gegen Team Spiel. Im Bild stehen moderne russische Exemplare bereit.

Mit das Wichtigste: Eine dynamische Kampagne ist in Arbeit, die erste Version soll bald spielbar sein. Weitere fast fertige Inhalte und Pläne der Entwickler sind unter dem Link und in den News der Entwickler nachzulesen.

Aber alles nur Gesetz den Fall, dass sich Heliborne verkauft und Jetcat Games mit ihrer Arbeit fortfahren können. Eineinhalb Jahre haben sie sich ausschließlich auf die Entwicklung konzentriert. Nach dem Release soll dann erstmals aktiv Werbung für das Spiel gemacht werden. Wenn alle grundlegenden Inhalte enthalten sind, nicht vorher.



Dieses Areal wird für verschiedene Menüs als Szenerie genutzt und dient als Test- und Tutorialbereich. Er basiert auf einem echten Militärflugplatz für Hubschrauber.

Fazit

Ich werde keinen Lesertest zu Heliborne schreiben, denn ich stecke zu tief drin im Projekt. Ich habe ein Heliborne T-Shirt, Artworks und es gibt ein Ingame Item, welches nach meinen Vorstellungen gestaltet wurde. Das alles gab es von den Entwicklern vor einiger Zeit als Dank für monatelanges spielen, testen, kritisieren und diskutieren. Ich habe dennoch versucht diesen Text ausgeglichen zu formulieren, auf Schwachpunkte hinzuweisen und trotzdem durchscheinen zu lassen, dass ich begeistert bin von dem Spiel und dem Können der Entwickler.

Heliborne bietet langanhaltenden Spielspaß nicht durch Quantität, sondern Qualität. Es gibt viel zu entdecken und zu verstehen, mit den Tutorials, die zum Release kommen sollen, hoffentlich ohne Neueinsteiger zu frustrieren. Die verschiedenen Hubschraubertypen und unterschiedlichen Einsatzgebiete machen dabei jedes Match abwechslungsreich.

Ich hoffe - ganz im eigenen Interesse, dass Heliborne Zuspruch findet und Diana, Kastus, Mindoug und Itold fleißig weitermachen dürfen. Sie haben im Early Access bewiesen, dass sie etwas Spannendes erschaffen können. Und wenn sie das Spiel weiterentwickeln können, haben sie die Gelegenheit, die Quantität mit der Qualität gleichziehen zu lassen. Außerdem weiß ich, dass in der Entwicklerversion die ersten KI-gesteuerten Hubschrauber ihre Kreise ziehen und die Entwickler mit Seilen Ausrüstung transportieren. Das würde ich gerne in Aktion erleben!

Update 21.9.: Ilya Logunov hat auf Twitter einen Screenshot einer Karte in der Dämmerung veröffentlicht. Einer der neuen Inhalte für den Release.