Liebe Gamestar, wir müssen reden!

Von Anberlin · 2. Januar 2021 ·
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    In den vergangenen Wochen haben wir erlebt, was passiert, wenn einem Hype die Ernüchterung folgt. Die Rede ist von Cyberpunk 2077. Wieder einmal konnte ein Spiel den Erwartungen nicht gerecht werden. Dabei ist es unerheblich, ob das an den Inhalten oder aber an Bugs lag. Fakt ist, dass es ein weiteres Spiel war, welches im Vorfeld so weit gehypt wurde, dass es eigentlich nur zur Enttäuschung werden konnte. Und daran hat auch die Gamestar ihren Anteil.

    Nein, ich mache die Gamestar nicht für die Bugs oder Inhalte verantwortlich, wohl aber hat sie als Teil der Medien großen Anteil am ursprünglichen Hype um das Spiel. Obgleich dieser Hype sicherlich auch ein Selbstläufer ob des Erfolges des dritten Witcher-Spiels war, hat dieser Fall wieder einmal gezeigt, was exzessive, unreflektierte, auf Klicks und eben den Hype ausgerichtete Berichterstattung ausmachen kann.

    Dabei ist Cyberpunk nur ein Beispiel unter vielen und es ist an der Zeit, dass sich auch die Gamestar ihrer Rolle und Verantwortung innerhalb dieser Thematik stellt und sich derer bewusst wird. Es hilft nichts, wenn man sich, nachdem sich ein Hype als Kulisse herausgestellt hat, hinstellt und mit dem Finger auf alle anderen zeigt. Man sollte auch die eigene Rolle dabei betrachten und kritisch hinterfragen.

    Nun entsteht Hype nicht monokausal. Neben Entwicklern, die den Hype mit oftmals übertriebenen Aussagen anstacheln, haben Spieler selbst sicherlich auch ihren nicht unwesentlichen Anteil daran. Insbesondere deswegen sollte man von der schreibenden Zunft, wie in anderen Bereichen auch, erwarten, dass sie die Dinge sachlicher reflektiert und mäßigend auf Beteiligte einwirkt. Leider erleben wir nur allzu oft das Gegenteil. Eben auch von der Gamestar.

    Da werden Spiele oder auch Produkte (Hallo Hardware!) schon weit, weit vor Release mit Superlativen belegt, denen sie niemals werden gerecht werden können, und schon gar nicht einige Jahre vor Release. Nicht zuletzt auch, weil eine solche Einschätzung bar jedweder Faktenlage ist und sie damit schlichtweg unseriös ist.

    Ich will ein aktuelles Beispiel nennen. Schlagzeile: „Dragon Age 4: Der erste Trailer zur RPG-Hoffnung ist da.“ Hoffnung? Auf welcher Grundlage werden denn solch hochtrabende Einschätzungen getroffen? Schaut man sich die Faktenlage an, dann gibt es schlicht nichts, was dafürsprechen würde. Viel mehr müsste man ob der Vergangenheit dieses Produktes viel kritischer sein. Stattdessen kurbelt die Gamestar mit solchen Aussagen den Hype und die Erwartungshaltung an. Warum ist das nötig? Wie will die Gamestar ein Spiel kritisch und sachgerecht begleiten, um eben später auch ernsthafte und ernstzunehmende Kritik äußern zu können, so es denn nötig ist, wenn man mit solchen Aussagen hausieren geht?

    Solche Fälle gibt es leider sehr viele. Spiele und Produkte werden grundlos lange vor Release gehypt, nur um dann bei Release festzustellen, dass diese dem Hype gar nicht gerecht werden. Wie soll man dann noch Kritik von der Gamestar ernst nehmen? Wie soll die Gamestar so kritisch gegenüber Publishern und Entwicklern auftreten? Wo ist da die professionelle Distanz?

    Ja, mir ist bewusst, dass die Gamestar in aller erster Linie ein Wirtschaftsunternehmen, das Gewinne erzielen will und schlussendlich Löhne bezahlen muss. Dennoch schmückt ihr euch selbst doch gerne damit, eine Seite für Spieler zu sein. Sicherlich, der Spagat ist gewiss nicht einfach. Doch gibt es wirklich einen Grund, Spiele gezielt zu hypen? Würde eine sachliche und durchaus auch kritische Begleitung eines Entwicklungsprozesses so viel weniger Leser bringen?

    Ja, Medien haben einen großen Anteil an der Art und Weise wie Spiele heute gehypt werden. Damit haben sie aber auch einen Anteil daran, dass Spieler von Spielen enttäuscht sind. Wer Spiele in den Himmel lobt, der sorgt eben auch dafür, dass die Fallhöhe entsprechend groß ist. Warum sehen Seiten wie die Gamestar ihre Rolle heute mehr im Entertainment als in solider journalistischer Aufbereitung von Themen? Warum ist das überteigerte Ausschlachten von jedweder Form von Information bar jedweder Realitäten notwendig?

    Nein, die Gamestar und auch die Medien insgesamt sind nicht allein schuld an der Situation. Am Ende sind es immer noch die Spieler selbst, die sich hypen lassen. Dennoch sollte es doch Aufgabe von Seiten wie der Gamestar sein, Realitäten abzubilden, und eben nicht Traumschlösser. Denn würde man sachlich berichten, könnte man sicherlich auch so manch gehypten Spieler auf den Boden der Tatsachen zurückholen.

    Das was die Gamestar macht, ist letztendlich nichts anderes als Öl ins Feuer zu gießen. Und leider muss man da wohl auch attestieren, dass das ganz bewusst passiert. Vermeintlich bringen gehypte Spiele und vor allem auch gehypte Spieler mehr Klicks. Selbiges erleben wir bei der Berichterstattung zu Hardware, wo Firmen wie Fußballvereine behandelt werden, und mit eigenen Dogmen hetzt man die Fans des einen Lagers auf die des anderen. Das alles ist vollkommen unnötig.

    Nein, die Gamestar ist nicht allein schuldig. Das wäre vermessen. Aber sie muss sich auch kritisch hinterfragen, wenn sie denn ehrlich mit sich und ihren Lesern sein will. Man kann sich da selbst schlicht nicht aus der Verantwortung ziehen, um dann beim nächsten Fall vollkommen überrascht zu sein oder auch nur so zu tun. Eventuell ist es an der Zeit, dass hier auch einmal die Art und Form der Berichterstattung hinterfragt wird.

    Mir ist bewusst, dass dieser Beitrag kontrovers betrachtet werden wird. Das ist legitim. Eine Debatte darüber ist der einzig richtige Weg. Ich erwarte von niemanden, dass er mir beipflichtet. Es mag auch sein, dass man dieses Thema bei der Gamestar ganz anders sieht. Auch das ist nur legitim. Dennoch meine ich ist es, auch vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse, an der Zeit, dass alle einmal ihre Rolle dabei hinterfragen. Entwickler, Spieler, und eben auch Medien.

    Zumindest wäre es ein Anfang. Es ist Zeit mit dem Sensations-Journalismus um jeden Preis Schluss zu machen und zu mehr Sachlichkeit und Kritik zurückzukehren. Das kann allen Beteiligten nur guttun. Ja, mir ist klar, dass das vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit nicht einfach ist. Auch kenne ich, kennen wir, gewiss nicht alle Interna und alle Vorgänge. Daher kann diese, meine Kritik, auch nur subjektiv erfolgen. Wobei Kritik eventuell auch zu negativ klingt. Es soll ein Denkanstoß sein.

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