Mass Effect. The good, the bad and the ugly. (5)

Von Thore · 10. Mai 2021 ·
  1. Um mal einen Bogen zum Titel zu schlagen: Bis hierhin war alles im Bereich „good“. Die meisten meiner Nitpicks, die ich bisher beschrieben habe, sind mir beim ersten Playthrough nicht mal aufgefallen. Ich werde auch versuchen, das Ganze weniger Szene für Szene zu beschreiben, sondern dediziert auf die Punkte eingehen, die mir nicht gefallen haben und warum.

    Und ein zweiter Disclaimer: Ich mag Mass Effect. Ich schreibe hier viel Negatives, dabei finde ich das Universum und die Atmosphäre eigentlich total faszinierend. Wenn ich es nicht mögen würde, dann würde ich auch nicht so viel Zeit in diesen Text hinein stecken.

    Der Zustand zum Ende des ersten Teils ist folgender:
    Ein einzelner Reaper war fast zu viel für die vereinten Kräfte der Flotten des Rats und der Menschen und Sovereign war nicht der einzige Reaper. Es sind quasi unbesiegbare Maschinengötter, die „irgendwo“ da draußen sind. Wir haben keine Möglichkeiten, sie zu bekämpfen. Das impliziert von sich aus schon die Frage, wie man die Reaper denn entgegen jeder Wahrscheinlichkeit doch besiegen könnte.

    Shepards letzter Satz in dem Spiel ist seine Absichtsbekundung irgendeine Möglichkeit zu finden, die Reaper aufzuhalten.
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    (Im Commander Shepard and im gonna find a way to stop them. Except i wont)

    Shepard ist in einer einzigartigen Position, weil er die Sprache der Protheaner verstehen und mit ihren Artefakten interagieren kann.

    Der Rat hat einen Reaper von nahem gesehen. Völlig egal, ob sie jetzt glauben, dass die Reaper eine Spezies für sich sind, oder nur extrem fortschrittliche Raumschiffe, sie können Shepard nicht länger ignorieren. Es würde keinen Sinn machen, wenn sie einfach zurück zu „Business as usual“ verfallen.

    Liara ist eine Expertin, was alte Zivilisationen angeht. Sie ist eine Gelehrte, die wegen ihres Wissens dabei ist (Ich lass die Info einfach mal so stehen, bis wir beim zweiten Teil bei ihr ankommen).

    Die Normandy ist ein einzigartiges Raumschiff, was getarnt Fliegen kann. Es ist ideal für eine kleine Crew, die Shepard bei der Mission nach Wissen unterstützt.

    Vor allem hat der Autor eine Möglichkeit offengelassen, warum die eigentlich unbesiegbaren Reaper dieses Mal verlieren könnten, obwohl ihnen zahllose Zivilisationen vorher zum Opfer gefallen sind. Die Protheaner haben die Citadel sabotiert und der Überraschungsangriff der Reaper ist fehlgeschlagen. Die Zivilisationen (vor allem Shepard) haben dieses Mal die Möglichkeit nach einer Lösung zu suchen, ohne dass der Kampf bereits verloren ist, bevor er überhaupt beginnt. Dabei würden sie nicht aufgrund ihrer Waffen oder Biotics den Kampf gegen die Reaper gewinnen. Die Waffen und die Biotics werden nur gebraucht, um die Suche nach Antworten zu überleben. Teil 1 bereitet die Story so vor, dass es mit der Suche nach einem Reaper-Ex weitergeht.

    Mass Effect 2
    Mass Effect 2 nimmt nun diesen Ansatz und wirft ihn komplett weg. Bioware nutzt nicht nur die bisherigen eingeführten Plotlines nicht, sie zerstören aktiv, was Mass Effect 1 aufgebaut hat.
    Shepards einzigartiges Verständnis der Protheaner? Spielt keine Rolle mehr. Er ist „ein Held, ein verdammtes Idol“. Seine einzig relevante Fähigkeit ist es, solange den Abzug zu drücken, bis das Problem verschwindet.
    Dass sein Team einzigartig qualifiziert ist, um Informationen über die Reaper zu bekommen? Irrelevant. Shepards Aufgabe ist es nicht mehr, eine Lösung zu suchen. Der zweite Teil hat mit der Suche nach den Informationen über die Reaper überhaupt nichts zu tun. Im dritten Teil fällt Shepard und Co die Lösung nach 20 Minuten quasi vor die Füße (so bescheuert sie auch ist). Shepards Aufgabe als verdammter Held ist es dann eine apathische Galaxie aufzurütteln.

    Das sind so dermaßen unterschiedliche Storyansätze, dass man schwindelig wird. Der erste Teil setzt das Setting und schiebt die Geschichte in eine ganz bestimmte Richtung an. Der zweite Teil macht dann noch vor dem Intro eine komplette Vollbremsung, um dann in eine völlig andere Richtung durchzustarten.

    Das geschieht auch noch völlig grundlos. Es gab weder inhärent noch von außen die Notwendigkeit die Grundlagen abzureißen, die der erste Teil gelegt hat. Na klar kann man einfach die Charaktere genießen, die haben das Spiel ja auch gerettet. Aber (Spieler wie) ich könnte das alles noch viel mehr genießen, wenn die große übergreifende Rahmenhandlung der Trilogie auch zusammenpassen würde. Man muss deswegen ja nicht auf Mordin, Garrus und Jack usw. verzichten.

    Die Normandy wird in den ersten Minuten zerstört und Shepard kommt dabei um. In einer Szene, die ganz klar zeigt, dass er beim Eintritt in die Atmosphäre eines Planeten beginnt zu verglühen. Wenn das tatsächlich der Fall ist, dann ist Shepard nicht einfach gestorben. Dann hat er aufgehört zu sein. Dann ist er nicht mehr.

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    (Kurz bevor man den Effekt sieht, wenn etwas in die Atmosphäre eintritt)

    Irgendwie konnte die Terrororganisation Cerberus trotzdem genug von seinen Überresten zusammenkratzen, um ihn wiederherzustellen. Sie wollen ihn wiederherstellen, weil er ein verdammtes Idol ist, als wäre er der einzige in der Galaxis, der einen Abzug drücken kann.
    Ich hab im Blog schon ein paar Worte zu „Details-First“ und den technologischen Limitierungen usw. verloren. Diese ersten paar Minuten im zweiten Teil haben mich befürchten lassen, das genau diese Aspekte auf dem „so ists halt einfach cooler“ Altar geopfert wurden.

    Man bekommt das Gefühl, dass ME2 von jemandem erdacht wurde, der aktiv eine Abneigung gegen den ersten Teil hatte. Shepard Tot, Normandy zerstört, Crew weg. Aber nein: 10 Minuten später ist Shepard wieder lebendig, die Normandy 2.0 wieder da und die alte Crew der Normandy hat sich (jeder einzeln) gedacht, es wäre cool bei einer Terrororganisation anzuheuern.
    Also alles wie beim Ende von ME1, außer, dass der Autor sich eine ganze Reihe an Notbehelfen ausdenken musste, um alles wieder an seinen Platz zu bekommen. Und das alles nur, um Shepard einen neuen Arbeitgeber zu verpassen. Wenn man wirklich so viel kaputt machen und um zwanzig Ecken herum schreiben muss, nur um seinen Protagonisten in eine bestimmte Position zu bekommen, dann sollte man anfangen, über die Sinnhaftigkeit dieses Plotpoints nachzudenken.

    Über den Autor

    Thore
    Jahrgang 85. Ich spiele Videospiele seit ich 7 oder 8 Jahre alt war. Ich bin schon immer von gut erzählten Geschichten fasziniert gewesen.

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