Test: Outer Wilds - Campingausflug im Weltall

Von Synchro · 13. Juli 2019 · ·
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  1. Outer-Wilds-Wallpaper.jpg

    Mobius Digital bringt mit ihrem Debütspiel Outer Wilds frischen Wind in die Spielelandschaft. Was das Spiel aber erst so richtig großartig macht, erfahrt ihr in diesem Test.


    Stell dir vor, du könntest die Galaxie bereisen. Nervös sitzt du im Cockpit deines Raumschiffes, startest die Zündung und lässt dich von den Düsen ins Weltraum schießen. Während dein Heimatplanet unter dir in der wachsenden Entfernung immer kleiner wird, blickst du nach oben und findest dich nach dem holprigen Start vor einem atemberaubenden Panorama wieder. Leuchtende Sterne, soweit das Auge reicht und bunte und außergewöhnliche Planeten, die sich um die im Zentrum majestätisch thronende Sonne rotieren. Und egal, wo du dir dein Ziel setzt, weißt du genau: diese Reise wirst du nicht vergessen.

    Auch wenn sich für die meisten von uns vermutlich nie ein derartiges Erlebnis bieten wird, so kommen wir mit "Outer Wilds" dem ganzen doch ziemlich nah. Auf seine Einzelteile reduziert könnte man es als wilden Mischmasch aus einem The Legend of Zelda: Majoras Mask, Super Mario Galaxy und Sea of Thieves bezeichnen, mit einer gewaltigen Portion eines Sci-Fis wie Interstellar. Dabei ist das Spiel so viel mehr, denn während unserer Reise durch das fiktive Sonnensystem decken wir nicht nur Stück für Stück die Geschichte der Galaxie auf, wir erleben dabei vermutlich auch eines der außergewöhnlichsten Abenteuer, welches sich aktuell in der Spielelandschaft finden lässt.


    Mit Marshmallows auf Reisen

    Das beginnt schon beim Titelbildschirm. Im Hintergrund sehen wir einen kleinen, mit Bäumen geschmückten Planeten, auf dem ein kleiner Astronaut am Lagerfeuer sitzt und ein Zupfinstrument spielt. Wir vernehmen dabei die Klänge eines einsamen Banjos, welches jedoch nach und nach von anderen rustikalen Instrumenten unterstützt wird. Schon jetzt merken wir, dass das Spiel keinen ausgelutschten Space-Western andeutet, sondern uns viel mehr auf einen Campingausflug vorbereiten möchte.

    Outer Wilds Hauptmenü.png Das musikalisch unterlegte Hauptmenü stimmt bereits erfolgreich auf das Abenteuer ein.

    Und zu einem guten Campingtrip gehören Lagerfeuer und Marshmallows, so wie sie es auf Holzkamin, unserem Heimatplaneten, zuhauf gibt. Hier übernehmen wir die Kontrolle eines namenlosen Helden, von allen nur Astronaut oder Küken genannt, der einem (für uns Menschen) außerirdischen Volk, den Kamina angehört. Vorzustellen sind diese von der Statur her wie Menschen, nur mit längeren Ohren, vier Augen und einem amphibischen Äußeren. Eine konkrete Aufgabe wird uns nicht gestellt; uns wird lediglich mitgeteilt, dass wir Teil des Astronautenprogramms von Holzkamin seien und können uns unser Ziel, sollten wir erst einmal erfolgreich mit unserem Raumschiff vom Planeten abgehoben sein, frei aussuchen.

    Soll jedoch nicht heißen, dass uns nichts erklärt würde. Während der ersten zehn Minuten im Spiel werden wir auf liebevolle und doch überschaubare Art und Weise darauf hingewiesen, welche Werkzeuge uns im Weltall zur Verfügung stehen, oder wie wir uns erfolgreich bei fehlender Gravitation durch die Gegend navigieren. Dies geschieht entweder über unsere freundlichen Mit-Kaminer, oder mithilfe aufgezeichneter Notizen, die sich überall finden lassen. So erfahren wir beispielsweise, wie wir mittels eines Frequenzmessers weit entfernte Geräusche lokalisieren können. Während des Tutorials erhalten wir aber auch ein mobiles Übersetzungstool, mit dessen Hilfe sich Schriftzeichen der hochentwickelten Nomai, einem mittlerweile ausgestorbenen Volk, übersetzen lassen.


    Weder Walking-Simulator, noch Survival-Trip

    Womit wir zu einem der Hauptbestandteile des Spiels kommen. Auf der einen Seite besteht Outer Wilds aus dem Reisen zwischen den Planeten, dem Fliegen durch labyrinthartige Höhlen und Auskundschaften der Welten. Auf der anderen Seite aber lernen wir das meiste der interessanten Story über schriftlich festgehaltene Dialoge der Nomai. Diese werden dann kompakt im Bordcomputer unseres Gefährts gespeichert und sind jederzeit dort wieder abrufbar. Und da sich dahinter teilweise sogar Informationen über Gameplay-Elemente verbergen, ist sorgfältiges Lesen ratsam. Dennoch sollte Outer Wilds nicht als Walking Simulator missverstanden werden, denn die begehrten Textpassagen wollen immer erst gefunden werden. Teilweise sind diese hinter Rätseln versteckt, manchmal findet man Dialoge aber auch einfach auf den Planeten verstreut.

    Outer Wilds Übersetzungstool.png Mit unserem Übersetzungstool lassen sich uralte Gespräche der Nomai in unsere Sprache übersetzen.

    Wo wir gerade dabei sind: Die verschiedenen Planeten im Sonnensystem von Outer Wilds haben es allemal in sich. Nicht nur ihr Äußeres wirkt liebevoll gestaltet, besonders das Innenleben der Planeten sind eines der vielen Highlights des Spiels. Während unser Heimatplanet Holzkamin der Erde noch am nächsten kommt, haben wir es auf anderen Planeten mit riesigen Wirbelstürmen oder einem Canyon-artigen Planeten, der langsam vom Sand des Nachbarplaneten gefüllt wird, zu tun. Die für den Spieler interessanten Stellen sind dabei zumeist deutlich erkennbar, sodass selten blindes Umherirren stattfinden sollte. Auch genial gestaltet ist dabei die Größe der Himmelskörper, denn die meisten von ihnen lassen sich in der alten "Super Mario Galaxy"-Manier in wenigen Minuten oder gar Sekunden per Fußmarsch umrunden.

    Sollte man sich also einen Planeten ausgesucht und mit dem Raumschiff angesteuert haben, heißt es nun, sich den Raumanzug überzustülpen und den Sauerstofftank aufzufüllen. Ohne diesen geht dem Astronauten nämlich ziemlich fix die Puste aus. Glücklicherweise sind auf den Planeten diverse Ortschaften vorzufinden, die uns dabei unterstützen. So können wir auch die örtliche Vegetation nutzen, um an Sauerstoff zu kommen, oder uns an von anderen Astronauten zurückgelassene Treibstoffbehälter bedienen, um unser Jetpack aufzufüllen. Was sich auf den ersten Blick wie ein einschränkendes und unnötiges Survival-Element anhört entpuppt sich allerdings als Immersionsträger, denn wenn man mal ehrlich ist: nur durch eben solche Aspekte erzeugen fremde Planeten und das weite Weltall Respekt bei den Spielern.

    Outer Wilds Cockpit.png Im Inneren unseres Raumschiffes ist es nicht nur unglaublich gemütlich, wir können hier auch unsere Sauerstoff- und Treibstoffvorräte auffüllen.


    Eine Frage der Immersion

    Und wenn die Geschichte spannend und die Welten interessant gestaltet wirken, dann geschieht das so gut wie immer mithilfe der fantastischen Musik, die die Szenerie auf emotionale Weise untermalt. Komponist Andrew Prahlow gab hier nämlich alles: sei es die sanfte Gitarrenmusik, die wir auf Holzkamin hören dürfen, oder die schaurigen Gruseltöne eines Schwarzdorn-Planeten - welch Stimmung auch gerade hervorgerufen wird, Prahlow fängt genau diese im passenden Soundtrack perfekt ein und unterstützt so die Immersion enorm.

    Allerdings kommt natürlich auch das bisher so hoch gelobte Outer Wilds nicht gänzlich ohne Kritikpunkte aus. Da wären zum einen die teilweise schwammigen Texturen. Oder die Steuerung des Raumschiffes, an der sich mit Sicherheit einige die Zähne ausbeißen werden. Auch wäre da die etwas starren Bewegungen der NPCs zu nennen, die leider etwas zu plump ausfallen. Die größte Kritik möchte ich dabei aber an die Rätsel aussprechen. Der gegen Ende hin doch rasant steigende Schwierigkeitsgrad der Rätsel ließ sich von mir leider (Schande über mein Haupt) nur über das Googeln der Lösungen bekämpfen. Zum eigentlichen Ende des Spiels kommen wir nämlich nur, wenn wir so gut wie alles, was es zu sehen gibt, auch gesehen haben. Und das kann teilweise hinter ganz schönen Kopfnüssen verborgen liegen.

    Outer Wilds Space.png Fast schon angsteinflößend strahlt die riesige Sonne im Zentrum, umgeben von winzigen Planeten.

    Aber wozu das alles? Einigen von euch wird mittlerweile sicherlich aufgefallen sein, dass ich zur eigentlichen Geschichte des Spiels noch kein Wort verraten habe. Und auch dürften manche gemerkt haben, dass ich noch keinen direkten Vergleich zu dem anfangs genannten "Majoras Mask" genannt habe. Und das aus gutem Grund: das eigentliche, großartige Erlebnis des Spiels erfährt man nämlich tatsächlich am besten, wenn man das Universum von Outer Wilds dabei mit eigenen Augen sieht. Wenn man bis auf das eigene Atmen kein Geräusch vernehmen kann, im luftleeren Raum schwebt und sich vor einem die Sonne präsentiert. Wenn man in Jubelrufe aufspringt, weil man das Raumschiff perfekt gelandet hat, oder das nächste Rätsel gelöst hat. Und wenn man das Gefühl erlebt, das man bekommt, wenn man sich des eigentlichen Ziels des Spiels gewahrt wird.
    Und dieses Gefühls, werte Leserinnen und Leser, möchte ich euch unter keinen Umständen berauben.



    + gelungene und authentische Spielwelt
    + emotional ansprechender Soundtrack
    + nicht mit Gameplay-Elementen überladen
    + Story interessant und leicht nachvollziehbar
    + lustige und ausgefallene Rätsel

    - ...die teilweise jedoch ganz schön knackig sein können
    - Texturen und Animationen von NPCs an manchen Stellen eher mittelmäßig
    - Steuerung in der Schwerelosigkeit will erst gemeistert werden


    Fazit:

    Outer Wilds hat mich in diesem Jahr an das Gamepad gefesselt wie seit einiger Zeit kein anderes Spiel mehr. Grund dafür sind nicht nur der lustige Stil, die teilweise knackigen Rätsel oder die fantastische Musik, sondern auch, weil mir hier das Gefühl der Neugier auf einer völlig anderen Ebene neu beigebracht wurde. Was hat es mit den Planeten auf sich und wohin ist das alte Volk der Nomai verschwunden? Dabei stören nur selten kleinere Aspekte wie die schwammige Grafik und die starren Animationen. Die Vorteile überwiegen hier um Längen.

    Persönliche Wertung: 92


    PS: Auch bei mir musste die Blog-Seite für den Test herhalten, weil das Hochladen von Bildern bei den Leserrezensionen nicht möglich war. :/
    Mydgard und Kigosh gefällt das.

Kommentare

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  1. Mydgard
    Bei Gamestar steht im Text, das man in einer Zeitschleife von 20 Min steckt ... das wird hier gar nicht erwähnt ... und genau das war der Grund, warum ich das Spiel gleich abgehakt hatte, als ich das las ... ich lasse mir da gerne Zeit und wenn ich immer Hetzen muss weil nach 20 Min alles von vorne los geht oder sich etwas ändert ... da doch dämlich :)

    Also @Synchro Was ist damit?
    1. Synchro
      Jau, die ca. 20 Minuten stimmen.
      Habe den riskanten Versuch gewagt, das unerwähnt zu lassen, weil ich dachte, dass die Entdeckung dieser Zeitschleife zur Spielerfahrung gehört.
      Ich verstehe die Bedenken mit der Hektik... muss aber gleichzeitig sagen, dass ich diese Hektik nur extrem selten hatte (auch wenn sie vorkommt).
      Und 22 Minuten sind (zumindets in diesem Spiel) 'ne gute Menge an Zeit.
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