Mass Effect. The good, the bad and the ugly. (3)

Von Thore · 7. Mai 2021 ·
  1. Mir ist aufgefallen, dass ich bei Shepard immer von „ihm“ spreche. Das liegt daran, dass ich bisher bei jedem Playthrough den männlichen Shepard gewählt habe. Ich habe das Spiel nur in der englischen Version gespielt und das Voiceacting finde ich bei beiden hervorragend, also ich bin den männlichen Shepard wohl einfach gewöhnt. „Mein“ Shepard ist halt einfach männlich. Die offizielle Statistik dazu hat mich beim kurz googlen gerade allerdings ziemlich überrascht. 82% der Spieler haben den männlichen Shepard gewählt, was man schon deutlich nennen kann.

    [​IMG]
    (Wie gewissenlos muss man eigentlich sein, um Mordin zu erschießen? Ihr 3,8% wisst genau, wer ihr seid!)


    Die Band
    Die Charaktere sind vom Writing her größtenteils hochklassig. Charaktere waren damals auch noch Biowares Stärke. Auch im Jahr 2183 gibt es einige althergebrachte Rollenverteilungen. Es gibt die typischen Krieger (Soldiers), Zauberer (Adepts), Supporter (Engingeers) und alles dazwischen.
    Ich habe die Zusammensetzung des 3-Mann Squads allerdings nie aufgrund irgendwelcher Klassen vorgenommen, oder um irgendwas zu min/maxen. Ich finde die Kommentare und den Input der verschiedenen Charaktere viel interessanter als die Bleispritzen oder das Spacevoodoo, mit denen sie ausgestattet sind.

    Meine persönlichen Favoriten sind dabei Liara, Tali und Garrus. Tali, weil mich die Geschichte der Quarianer sehr interessiert hat und Garrus, weil ich seinen trockenen „Oh Gott, wir werden alle sterben... außer wir schießen zuerst“ Humor super finde.

    Liara, (weil ich damals noch Anfang 20 war) weil sie ein komplett eigenes Charakterkonzept besitzt. Jeder andere Charakter aus der Crew ist auf die eine oder andere Weise ein knallharter Actionheld direkt aus Hollywood. Liara hingegen leistet ihren Beitrag für die Mission nicht, weil sie so toll mit einer Knarre umgehen kann. Sie ist dabei, weil sie das letzte halbe Jahrhundert die Protheaner studiert hat und Wissen besitzt, was sonst keiner aus der Crew hat. Eigentlich wundert es mich, dass sie überhaupt mit einer Waffe umgehen kann. Sie ist es nicht gewohnt mit anderen Personen zusammenzuarbeiten und wirkt wie ein etwas schüchterner „ich komm direkt aus der Uni und hab keinen Plan vom Leben“ Charakter.

    Tali´s Geschichte ist mit das Beste, was meiner Meinung nach in der Mass Effect Trilogie dabei ist. Tali ist Quarianerin. Die Quarianer erschufen die Geth als intelligent reagierende Maschinen (also Roboter), um niedere Arbeiten auszuführen. Die Geth entwickelten dann allerdings echte Intelligenz und ein eigenes Bewusstsein. Die Quarianer reagierten panisch und versuchten die Geth zu zerstören, was in einem Krieg endete. Sie verloren diesen Krieg und leben seitdem im Exil. Da ihr Immunsystem sehr spezielle Voraussetzungen mit sich bringt, können sie nicht einfach den nächstbesten Planeten besiedeln. Ihr "natürlicher" Lebensraum ist dadurch auf ihre Raumschiffe beschränkt und sie müssen diese weit über ihre ursprüngliche Lebensdauer am Laufen halten. Das äußerst sich auch in ihrer Kultur, die vorsieht, dass junge Erwachsene (wie Tali) auf eine „Pilgerreise“ gehen, bevor sie auf einem Schiff permanent akzeptiert werden. Sie müssen durch die Galaxie reisen, um zu lernen und bei ihrer Rückkehr etwas mitbringen, was für die Flotte nützlich ist. Dadurch zeigen sie, dass sie keine Belastung für die knappen Ressourcen, sowie technisch äußerst versiert sind. Im ersten Spiel wird der Konflikt vorgestellt, den ihr Volk mit den Geth hat und zeigt durch Tali die Perspektive der Quarianer. Im zweiten Spiel konnte man dann durch den Charakter Legion die Stimme der Geth zu dem Konflikt hören. Abhängig von den Entscheidungen, die man im Laufe der Trilogie getroffen hat, endet Talis Story dann im dritten Teil entweder in einer Katastrophe, oder im Happy-End. Super!

    Shepard sammelt außerdem den Kroganer Urdnot Wrex auf. Die Kroganer sind ein von Natur aus sehr kriegerisches, aber auch traditionelles Volk. Wrex glaubt, dass die Genophage ultimativ das Aussterben der Kroganer zur Folge haben wird. Diese Story ist wie Tali´s Geschichte hervorragend geschrieben und kann auf verschiedene Arten enden. Ebenfalls Super!
    Ich will nicht vorgreifen, aber bis heute wundert es mich, wie zwischen der Main-Story und diesen beiden "großen" Neben-Storys, die auch die drei Spiele der Trilogie überspannen, eine qualitativ dermaßen große Abweichung entstanden ist.

    Ansonsten sind noch Kaiden und Ashley dabei. Sie stellen die menschlichen Begleiter dar. Da allerdings so viele deutlich spannendere Aliens dabei sind, hab ich die meistens auf der Normandy gelassen. Es ist in dieser schönen neuen Welt einfach interessanter die Perspektive der anderen Völker zu erleben.

    Was den Support Cast angeht, ist Jeff „Joker“ Moreau mein absoluter Favorit. Er hat die Glasknochenkrankheit und wurde entgegen aller Wahrscheinlichkeit zu einem der besten Piloten der Allianz. Er fliegt die Normandy und ist einer der ersten Charaktere on-screen. Meistens macht er den Comic Relief, also bringt etwas Humor in das eher düstere Universum von Mass Effect. Die Gespräche zwischen ihm und Garrus zwischen den Missionen sollte man jedenfalls nicht verpassen. Der Autor war allerdings clever genug, seinem Charakter etwas Tiefe zu geben und er spielt das ein oder andere Mal eine tragende Rolle.

    Virmire

    Nachdem die Hauptmissionen von zwei der drei Planeten (Feros, Noveria und Therum) erledigt sind, bekommt Shepard vom Rat die Mission zu dem Planeten Virmire zu fliegen. Im Zusammenhang mit Shepards Mission wurde dort von Salarianischen Spionen eine Nachricht gesendet, die aber nicht vollständig war. Mir gefällt der Dialog zwischen dem Rat und Shepard über die Details der Mission. Das Gefühl, dass das Mass Effect-Universum lebendig ist, verstärkt sich hier. Shepard werden nicht alle Informationen gegeben, nur weil er der Protagonist des Spiels ist. Er ist nicht der Einzige, der für den Rat arbeitet und wird nicht anders behandelt als andere Spectre. Nicht alles muss vom Spieler selbst erledigt werden und das Universum dreht sich nicht nur um ihn.

    Man kann sich entscheiden direkt nach Virmire, oder erst zum dritten Planeten zu fliegen. Ich hab normalerweise erst den dritten Planeten angesteuert, bevor ich zu Sarens Basis auf Virmire geflogen bin. Allerdings gibt es so oder so kleine Unstimmigkeiten mit der Story. Wenn man Noveria zuerst angeht, dann hat Saren alle Informationen, die er benötigt. Es macht für ihn keinen Sinn, danach noch lange auf Virmire herumzusitzen. Es könnte immerhin passieren, dass (sagen wir mal) ein paar Salarianische Spione seine geheime Basis entdecken und Shepard auf eine Schießerei vorbeikommt. Das fällt besonders ins Gewicht, wenn man nach dem Abschnitt auf der Citadel auf Noveria den ersten Stop macht.

    Wenn man Virmire vor Noveria besucht, dann ist es nicht hundertprozentig stimmig, dass Sarens Verbündete nach dem Abschnitt immer noch auf Noveria rumhängt. Virmire hält zudem den (theoretisch) deutlich härteren emotionalen Moment für den Spieler bereit, passt also auch daher besser in der Reihenfolge. Dazu hab ich aber schon gute Argumente in beide Richtungen gelesen, von daher ist das wohl Geschmackssache.

    Aber der Reihe nach: Wenn man auf Virmire ankommt, dann wird Shepard mit seinem Panzer bei ungefähr Mach 5 aus der Ladeluke katapultiert. (Wann übt die Crew solche Manöver eigentlich mal? Theoretisch muss Joker da nur 10 Meter danebenliegen und Shepards Mission endet in einem Feuerball am nächsten Felsen.)

    Man fährt dann etwas mit dem Panzer und schießt ein paar Geth ab, bevor Shepard auf die Salarianischen Spione trifft. Die sind nicht begeistert, dass nur Shepard und Konsorten aufgetaucht sind. Eigentlich hatten sie eine ganze Flotte angefordert. Sie bestätigen, dass Saren die Basis aufgebaut hat. Er hat eine Möglichkeit gefunden, um die Auswirkungen der Genophage zu negieren und eine Armee aus Krogan zu züchten. Wrex spitzt bei diesen Worten sofort die Ohren (oder was auch immer Kroganer stattdessen haben). Der Kroganer fordert Shepard dazu auf, die Basis nicht zu zerstören. Er sieht hier eine Chance für sein Volk, dem Aussterben zu entgehen. Der Autor macht hier keine halben Sachen, wenn Shepard Wrex nicht überzeugen kann, dann überlebt Wrex die Konfrontation nicht. In dem Fall beraubt man sich des besten Dialogs der Videospielgeschichte!


    Cthulhu much?
    Man trifft in der Basis auf Sovereign, den eigentlichen Antagonisten des Spiels. Shepard führt ein Gespräch mit ihm und spätestens jetzt werden die Einflüsse von H.P. Lovecraft deutlich. Die Bösewichte der Trilogie werden Reaper genannt. Es sind uralte, riesige Maschinengötter und sie vereinen alle Eigenschaften, die Lovecraft für seine „Großen Alten“ erdacht hat. Man wird verrückt, wenn man in ihre Nähe gerät und sie sind unserer Existenz unvorstellbar weit voraus. Ihre Motivationen und Ziele sind unergründlich und wir würden sie nicht verstehen, selbst wenn man sie uns erklären würde. Man kann sie nur durch das Finden von altem Wissen aufhalten, aber die Suche danach ist gefährlich. Man kann mit ihnen nicht verhandeln, sie kennen keine Moral oder Gnade. Man kann keine wie auch immer geartete Beziehung zu ihnen aufbauen, außer man lässt sich indoktrinieren.
    Es ist der Moment, in dem klar wird, dass es nicht einfach nur eine Jagd nach einem abtrünnigen Spectre ist. Auf einmal hängt alles Leben der Galaxis an Shepards Team. Ich kannte damals die Werke von Lovecraft noch nicht und ich war direkt begeistert von den Reapern als Konzept.

    [​IMG]
    (So ein brillanter Ansatz, aber bei Mass Effect 2 und 3 kann ich nich anders als zu denken: "Look how they massacred my boy...")

    Jeder gute Antagonist hat eine Motivation, die von „Ich will einfach nur so böse wie möglich sein“ abweicht. Niemand sieht sich selbst je als den Bösewicht und Begriffe wie „Gut“ und „Böse“ hängen immer vom eigenen Standpunkt ab. Darth Vader glaubte, der Galaxie Ordnung und Stabilität zu bringen und sie von der korrupten und trägen alten Republik zu befreien. Auch rein psychopathische Antagonisten, wie John Doe aus dem Film „Sieben“ funktionieren nicht, ohne eigene Motivation. John Doe wollte den moralischen Verfall der Gesellschaft anprangern.
    Die großen Alten und die Reaper funktionieren als Antagonisten, weil ihre Motivation unergründlich ist, was nicht bedeutet, dass sie keine haben. Die Reaper existieren seit Millionen von Jahren und „ernten“ alle paar zehntausend Jahre die höher entwickelten Spezies der Milchstraße. Keiner weiß warum. Man kann das in der Geschichte ergründen, muss man aber nicht. Für mich hätte beides funktioniert, wenn Bioware sich irgendwann auf die eine oder andere Variante festgelegt hätte. Aber das heben wir uns am besten fürs Ende der Trilogie auf.

    Es ist für Shepard und Kompagnons jedenfalls ein guter Anlass, sich auf die Suche nach Möglichkeiten zu machen, wie man die Reaper stoppt. (Was im zweiten Teil wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wird, aber ich will immer noch nicht vorgreifen)

    Indoktrination und Faustschläge
    In der Basis werden außerdem Details über die Indoktrination gezeigt und welche Form diese annehmen kann. Durch eine Art elektromagnetisches Feld, was von einem Reaper emittiert wird, können Lebewesen in dessen Einflussbereich manipuliert werden. Die Indoktrination kann langsam und subtil stattfinden. Oftmals bemerkt der oder die Betroffene die Beeinflussung dann überhaupt nicht, wie bei Saren. Oder sie ist brutal und schnell und das Opfer wird zum agressiven Zombie, welcher dann allerdings alle höheren kognitiven Fähigkeiten verliert.

    Das macht die Reaper wesentlich beängstigender, als einfach zu sagen, dass sie die größten Kanonen von allen haben. Wie wehrt man sich gegen etwas, wogegen man sich nicht wehren kann? Gegen etwas bei dem man nicht mal merkt, dass man sich überhaupt wehren muss?

    Saren selbst taucht irgendwann auf und Bioware schafft es hier ziemlich gut seinen Status als Antagonisten aufrecht zu halten. Im zweiten Akt einer typischen drei Akt Story müssen der Held und der Antagonist sich einmal konfrontieren und es ist wichtig, dass der Protagonist den Antagonisten dabei nicht besiegt.
    Bei Star Wars hat Rey ihren Widersacher Kylo Ren im ersten Teil der neuen Trilogie besiegt. (Spätestens) Danach war er als Antagonist nicht mehr zu gebrauchen. Wie kann er eine valide Bedrohung darstellen, wenn er gegen diese untrainierte junge Frau verliert, die zum ersten mal ein Lichtschwert in der Hand hält? Dann kann er ja nicht Fähig genug sein, um für unsere Helden wirklich zur Bedrohung zu werden. Da kann er danach noch so oft die Fassung verlieren und irgendwelche Konsolen zerkleinern. Das wirkt dann eher lächerlich, als bedrohlich.

    [​IMG]
    (Charakterentwicklung beim Antagonisten. Passt!)

    Bioware wusste das. Sie haben bei der Konfrontation zwischen Saren und Shepard eine Menge Dialog eingebaut. Dabei wird deutlich, dass Saren keineswegs einfach nur Macht an sich reißen, oder den Rat stürzen möchte. Er weiß, wozu die Reaper fähig sind und er versucht den Wert des Lebens in der Galaxie vor Sovereign zu beweisen, um die Reaper dazu zu bringen, die verschiedenen Völker zu verschonen. Es ist ein hoffnungsloses Unterfangen, aber Saren erkennt das nicht, weil er bereits von Sovereign indoktriniert ist. Er ist von seinem eingeschlagenen Weg vollkommen überzeugt und lässt sich nicht beirren. Der Dialog zwischen den beiden gibt Saren ein tragisches Element und das Gefühl, das Saren eigentlich „das Herz am rechten Fleck“ hat. Er will das Beste für die Galaxie, aber durch Sovereigns Einfluss macht er das absolut Schlimmste, was er machen kann. Shepard wird dann, nachdem das Palaver beendet und ein paar bleihaltige Argumente ausgetauscht wurden, von Saren überwältigt. Er kann sich aber durch eine beherzte Faust direkt in Sarens Gesicht befreien. Am Ende ist es nicht direkt ein Sieg für Saren, aber auch alles andere als eine Niederlage.

    Der theoretisch emotionale Punch sollte dann durch die Entscheidung kommen, dass entweder Ashley oder Kaiden geopfert werden. Da ich die beiden aber meistens nur ganz zu Beginn des Spiels dabei hatte, ist das zumindest bei mir etwas flachgefallen. Trotzdem mochte ich die Szene, denn sie zeigt einmal mehr, dass nicht unbedingt jeder überlebt und der Spieler zumindest manchmal wirkliche Entscheidungsgewalt hat. Auf die Entscheidungen gehe ich nochmal dediziert ein, wenn der Blog beim dritten Teil angekommen ist. Also gefühlt, wenn das hier ein halber Roman geworden ist, obwohl ich mich schon kurz zu fassen versuche...

    Beim nächsten Eintrag geht es nach Ilos zum verlorenen Mass Relay. Der beste Teil vom Spiel!

    Über den Autor

    Thore
    Jahrgang 85. Ich spiele Videospiele seit ich 7 oder 8 Jahre alt war. Ich bin schon immer von gut erzählten Geschichten fasziniert gewesen.

Kommentare

Um einen Kommentar zu schreiben, melde dich einfach an und werde Mitglied!
Top