My.5 - Grafik

Von TheVG · 29. Februar 2020 ·
Grafik ist das erste Merkmal von Spielen, mit dem wir uns bei Einschätzungen befassen - in meiner ersten Topliste möchte ich die Optik in den Fokus nehmen und meine Favoriten aufführen.
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  1. Gleich zu Beginn meiner neuen Toplisten-Blogreihe möchte ich auf den Aspekt bei Spielen zu sprechen kommen, der wohl (im wörtlichen Sinne) die meiste Beachtung findet. Wenn man sich etwas anguckt, will man auch was Schönes betrachten, wobei das für jeden Einzelnen etwas anderes bedeuten mag. Sei es Fotorealismus, atemberaubende Epik oder ein grotesk schöner und minimalistischer Stil – die Geschmäcker sind breit gefächert. Ich möchte Euch hier meine persönlichen Top5 von Grafikknallern präsentieren, die in meiner Spielerlaufbahn einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

    Es soll ein breites Spektrum abbilden und die Historie mit einschließen. Ich denke, es ist selbstredend, dass die CryEngine mitunter die beste Grafik bereitstellt, aber den uralten Spielen nicht ihren Pixelcharme nehmen können. Es sind eher subjektive Erwägungen, die meinem Geschmacksspektrum entsprechen, dafür sind rein technische Aspekte eher zweitrangig. Ihr werdet es vielleicht anders bemessen.

    Ich hoffe, ihr habt Spaß an dieser kleinen Zeitreise, die euch ein paar Grafikperlen präsentiert, die Ihr vielleicht so nicht erwartet hättet. Schreibt mir doch in den Kommentaren, welche Spiele euch am meisten beeindruckt haben!

    My 5
    International Karate + (C64)


    Es war schwierig für mich, einen Favoriten zu finden, der mich in der Brotkasten-Ära besonders beeindruckt hatte. Es gab so viele schön anzusehende Spiele, die um die optische Gunst der Spieler rangen. Oft wird dabei Turrican oder gleich fast jeder Titel von Rainbow Arts aufgeführt, was sicherlich berechtigt ist. Für mich war jedoch der zweite Release des System 3-Prügelspiels letztlich derjenige, dem ich besondere Beachtung schenken möchte.

    Der wunderschöne Hintergrund, sogar mit Animationen versehen, sorgte bei mir sogleich für romantische Verzückung. Der zentral gesetzte Sonnenuntergang samt rötlichem Himmel war im Rahmen von 16 möglichen Farben ein echter Hingucker, ein wahres Lehrstück in Sachen Bildgestaltung. In dieser träumerischen Schönheit kloppt es sich doch gleich viel angenehmer, selbst wenn die Macher das Klischee vom Land der aufgehenden Sonne ein bisschen wörtlich nahmen.

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    Darunter herrschte die graue Ernüchterung vor. Eine simpel eingefärbte Fläche, die den halben Bildschirm in Beschlag nimmt, verschandelt im ersten Moment den ersten Eindruck und wirkt wie ein minimalistischer Gegenentwurf zur oberen Hälfte. Doch macht dies durchaus Sinn, denn davor springen, schlagen und treten die Hauptakteure auf dem Asphalt (oder was auch immer da angedacht war). Sicherlich war es Speicher-schonend, animierte Sprites nur auf einen Teil des Hintergrunds und die Kämpfer zu beschränken. Das funktionierte unter´m Strich so gut, dass man gar den Turbo zünden, also die Geschwindigkeit per Tastendruck erhöhen konnte. Auch das ist ein gutes Argument, IK+ als Grafikperle auszuzeichnen, wo es doch in seinem Antlitz und den gelungenen, butterweichen Bewegungen im Ansatz nur eine Rundenklopperei mit Zwischenaufgaben im Stil von Street Fighter darstellt.

    Manchmal sind es die kleinen Details, die zu überzeugen wissen, und bei all den toll gestalteten Spielen von Rainbow Arts und Co. hatte dieser Prügler für mich den einen Haken in der Checkliste mehr auf der Haben-Seite. Das sah natutgemäß auf dem Amiga noch eine ganze Schippe besser aus - ein guter Übergang zur nächsten Platzierung.

    My 4
    Xenon 2 Megablast (Amiga, AtariST)


    Wenn ich Bitmap Brothers sage, dann werden mir wohl einige beipflichten, dass das Entwicklerteam schlichtweg Kult ist. Ich hatte zwar nie einen Amiga mein eigen nennen können, war aber oft bei Kumpels zu Besuch, die einen besaßen und zockte alle Titel mit ihnen durch, die die Pixelbrüder in den 80ern und frühen 90ern veröffentlichten. Auffällig vielseitig waren sie gewesen und ließen sich nicht auf ein Genre festnageln, programmierten unter anderem mit den Speedball-Spielen einen weiteren, nachhaltigen Kult, der auf ihrer Releaseliste am deutlichsten hervorsticht.

    Deswegen ist es auch schwierig, vom rein grafischen Standpunkt aus einen Favoriten abzuwägen, da Speedball 2 konkret einen sehr ausgereiften, dynamischen Eindruck hinterließ und in seiner dystopischen Stahloptik zu überzeugen weiß. Allerdings gefiel mir Xenon 2 Megablast einfach eine kleine Schippe besser. Was die Jungs auf den 16-Bit-Plattformen da kreiert hatten, war zwar nur ein simpler Arcade-Shooter, wie es sie beim Amiga/AtariST zu Dutzenden gab, aber als grafische Meisterleistung oft genug gelobhudelt wurde. Der Stil war typisch für die Bitmap Brothers, eindeutig koloriert, aber sehr gut abgestimmt, wo andere Titel einen Hang zum Farbchaos hegten (Beispiel Battle Squadron). Hier jedoch hielt man an einem Konzept fest, die Umgebung und Feinde in einem eng eingegrenzten Farbschema beizubehalten. Mitunter hätte ich mir vielleicht ein bisschen mehr farbliche Abwechslung gewünscht, aber wurde hier das Maximale aus dem selbst gesteckten Rahmen herausgeholt.

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    Die Hintergrundtapete hält Vergleichen zu Spielen wie Katakis stand, sind eigentlich nur Staffage, aber bei Xenon nicht nur ein simples Raster aus Strichen und Punkten, sondern ein schwer zu beschreibendes, plastisches Geflecht aus außerirdischem Glibber, Gesteinsformationen oder sonstigen der Natur entnommenen Oberflächenstrukturen. Wie das aus der Nähe ausschaut, wird dann in der zweiten Scrollebene deutlich, und da haben die Programmierer mal so richtig geklotzt. Die Wegbegrenzungen waren nicht nur dazu da, statisch am Raumschiff vorbeizuziehen, sondern spuckten auch in verschiedener Weise Gegner aus. Ob Pfifferling-förmiges Gestrüpp (die als stationäre Geschütze fungieren) oder Weltraummonster in Nierenform, die aus wabenartigen Kammern herausploppten – es war immer Zeit und Speicher da, eine Animation daraus zu machen, keine Selbstverständlichkeit im Jahre 1989.

    Das Konzept hält das ganze Spiel über stand, wird lediglich angepasst, so dass wir in späteren Levels einen maschinellen Look begutachten und die Gegner immer futuristischer werden. Die einzige Abkehr davon ist der Shopbildschirm, wo man seine Kohle für Schiffsextras eintauschen kann – Nostalgiker werden hier wohl hellhörig, da sich dies frappierend nach X-Out anhört. Das ist übrigens auch eine grafische Wucht, spielerisch aber sehr identisch zu Xenon 2 und mit deren Hang zum Plagiatsbau leider nicht die erste Geige.

    My 3
    Forsaken (Nintendo 64)

    Der Abstecher zur einzigen Konsole, die bei mir – abgesehen vom Tchibo Tele-Fever – im Zimmer stand, war das Nintendo 64. Klar, dass ich dabei an die bunten, kindgerechten Spiele zurückdenke, wo Mario-Titel den Ton angaben. In der frühen 3D-Ära waren diese schon ansehnlich, allerdings zweckmäßig limitiert und wenig atmosphärisch. Doch gab es auch Ausnahmen: Spiele wie Turok: Dinosaur Hunter oder Extreme G wussten durch ihr erwachsenes Äußeres zu begeistern.

    Mein persönlicher Optiksieger ist allerdings ein Spiel, das sich recht deutlich am DOS-Pendant Descent orientierte. Das Spielprinzip ist dasselbe – mit einem Raumgleiter bewegen wir uns in echten 3D-Umgebungen frei umher und schießen Gegner ab. Forsaken ist allerdings das deutlich hübschere Spiel. Während in Interplays Shooter grobes Pixelantlitz vorherrschte, wartete Probes/Iguanas Konkurrenzprodukt mit weichen Kanten, klar zu deutenden Texturentapeten und vor allem dynamischer Beleuchtung auf. Mit 3Dfx-Grafik reihte sich das Spiel in eine Zeit ein, in der DirectX, Direct3D und andere Schnittstellen zum Grafikstandard avancierten, was die Darstellung von atmosphärischen Lichtquellen ermöglichte und auch eine Gezeitenwende weg vom Comiceinschlag des Sprite-Zeitalters und trägen Polygon-Games wie Alone in the dark und Konsorten markierte. Dass Forsaken dabei immer noch ein wenig poppig und verspielt wirkte, machte dabei keinen Unterschied.

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    Warum ich nun ausgerechnet die N64-Version ausgesucht habe, liegt beim näheren Hinsehen auf der Hand – die Portierung sah am schönsten aus und lief richtig rund. Texture Mapping und Antialiasing berechneten das Gezeigte so, dass es deutlich hübscher als bei Sonys Konkurrenz aussah und gar einen Großteil von hiesigen PC-Portierungen in die Schranken wies. In Forsaken wurden die Möglichkeiten vollends ausgeschöpft und erst durch storyintensive PC-Spiele wie Half-Life abgelöst, die auch grafisch schnell voranschritten.

    My 2
    Dark Messiah of Might and Magic


    Apropos Half-Life: mit der Source Engine von Valve vollzog die Spielegrafik einen weiteren Quantensprung in Sachen Darstellungskraft. Wir befinden uns 2006 in einer Zeit, in der sich Wiesen beim Hindurchlaufen zur Seite weg bewegen, Licht- und Schattendarstellungen in Echtzeit berechnet wurden und die virtuelle Darstellung der Realität immer weiter voranschritt. Valve ging noch ein paar Schritte weiter und ließ nun Objekte physikalisch korrekt die Newton´schen Gesetze anwenden sowie Figuren Emotionen abbilden.

    Warum dann nicht Valves Erfolgsshooter in meiner Rangliste? Da ich gerne das Gesamtpaket bewerte und die Physik einen Sonderstatus einnimmt, tendiere ich mehr zu Dark Messiah denn zu Freemans zweiten Auftritt, das ebenfalls mit der Engine gebaut wurde. Aus rein technischer Hinsicht sind sich beide Spiele ähnlich, die Optik unterscheidet sich nur wegen ihres jeweiligen Szenarios. Manchmal entscheiden sich Duelle auf Augenhöhe nur durch gefühlte Wahrheiten, und da erscheint mir Arkanes fantastisches Werk durch die neuen spielerischen Elemente einfach eine Spur aufregender. Es ist diese besondere Art von diebischer Freude, die mich durchströmt, wenn ich im Kampf Orks per Tastendruck im wahrsten Sinne des Wortes in den Hintern treten darf. Wobei eventuelle Übertreibungen hier mit Magie eher entschuldbar sind wie die Frage, warum eine Waschmaschine in einigen Metern Höhe auf einer Gerüstkonstruktion steht. Oder warum Gordon Freeman nicht in der Lage ist, eine Mauer auf Brusthöhe hochzuklettern und das nur umständlich über eine Wippe bewerkstelligen kann, indem wir sie mit Gewichten beschweren müssen.

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    Es steht außer Frage, dass die Rätsel in Half-Life 2 eher Mittel zum Zweck waren, fast schon Angeberei. Dark Messiah präsentiert sich dagegen in diesem Punkt eher etwas kleinlaut. Die Physik als fester Bestandteil der Spielmechanik hat in Valves Shooter etwas von Messe-Charakter, auf der sie die Gravity Gun den ganzen Tag präsentieren dürfen, im Fantasy-Schnetzler ist das alles schon wieder ein alter Hut und eher Ergebnis eines kreativen Understatements.

    Jetzt habe ich viele Worte über die Physik verloren, doch wie sieht es mit den optischen Vorzügen aus? Da mit der Source Engine auch Effekte wie HDR und Partikel eine Rolle spielen, konnte damit ebenfalls ein wenig geprotzt werden. Die Lichtstimmungen sind vielseitig eingesetzt worden, dabei ist Dark Messiah in seinem Rahmen in allen möglichen Stimmungsbildern gehalten. Ob draußen bei strahlendem Sonnenschein oder tief unten in Gruften, wo uns Zombies, riesige Zyklopenmonster und Möchtegern-Gollums zusetzen – die Engine kann das alles ohne Mühe stemmen. Und wenn ein Grafikgerüst zur Verbesserung des atmosphärischen Gefühls beiträgt, soll es auch angemessen gewürdigt werden.

    Sollte nun die Frage aufgekommen sein, warum ich nicht Crysis aufführe, das nur ein Jahr später für offene Münder sorgte, möchte ich gerne mit meinem Top-Favoriten beantworten.

    My 1
    Kingdom Come: Deliverance


    Im Grunde bin ich ein richtiger Naturbursche, der sich gerne im Wald aufhält, Berge, Wiesen und Täler bestaunt und die Sonne beobachtet, wie sie sanft hinter Hügeln untergeht. Wie sich Sonnenstrahlen in Baumwipfeln brechen und Muster auf das saftige Grün zeichnen. Wie der Herbst grün-gelb-braune Farben gebärt und sie wieder verblassen lässt. Wie der Regen die Blätter glitzern lässt. Wie...

    Hach, ich könnte so viele Beispiele aufzählen und meiner Verzückung Ausdruck verleihen, was mir an der Natur so gut gefällt. Da kam mir schon öfter unweigerlich der Gedanke hoch, dass die Natur doch kaum als Computergrafik angemessen darstellbar gewesen wäre – und doch freute ich mich über jeden Versuch, Flora und Fauna virtuell zu erschaffen. Letztlich war es jedoch immer nur ein Versuch, der mehr oder weniger beeindruckend aussah. Als dann die CryEngine mit Crysis im Schlepptau erschien, strafte Crytek meine Skepsis endgültig Lügen. Was dem Shooter auf der Zielgeraden fehlte, war keine Optikmacke, denn die gab es schlichtweg nicht. Egal, wie schlecht man die letzten Spielstunden gefunden haben mochte, war das Spiel eine Grafikwucht, die der Realität erschreckend nahe kam.

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    Was Crysis aber auch war: ein Ballerspiel mit zu viel Pomp. Schießen, sprengen, Verfolgungsjagden – nicht selten bescheinigt man actionreichen Titeln eine auf Technik fokussierte Oberflächlichkeit. Kingdom Come: Deliverance ist eigentlich ein Gegenentwurf dazu. Während der deutsche Shooter irgendwo zwischen Predator und Rambo verortet ist, nutzten die tschechischen Warhorse Studios die Engine für ihr Mittelalter-Open-World-Spiel im Sinne von... nun ja, dem Mittelalter eben. Nun weiß ich gar nicht, mit welchen Superlativen ich nun um mich schmeißen soll, weil KCD nichts anderes als ein realistisches Abbild der Natur ist. Aber was für eines! Ob ich nun den Protagonisten Heinrich einen Blick über bewaldete Täler schweifen, Berge, Wiesen und Täler bestaunen oder den Sonnenuntergang beobachten lasse – es gibt mir so viel mehr, dieser wirklichen, virtuellen Realität beizuwohnen, mich in ihr zu bewegen und mit ihr zu interagieren als jedes Paradiesvogel-Spiel, das mit sichtbarer Lautstärke um Aufmerksamkeit buhlt.

    Kann sein, dass ich alt werde, aber schöner, realer und konsequenter hätte man Grafik kaum gestalten können als in diesem Spiel. Und wenn ich mal nicht ständig mit Aufgaben betraut werde, reicht mir lediglich ein Stündchen für einen Spaziergang im tschechischen Waldgebiet vor einigen hundert Jahren. Da ist nur eines schöner: es selbst zu tun.

    My 0
    Limbo


    Die Null in meiner Liste steht für eine Sonderplatzierung, die außer Konkurrenz läuft und irgendwie besonders ist.

    Und Limbo ist besonders. Während in der Indie-Szene Spielemacher durch kalkulierte Verpixelung der Grafik ein wenig Rebellismus zelebriert, schlägt Limbo völlig aus der Art. In diesem Jump´n´Run ist Atmosphäre Programm – Schwarz/weiß-Optik, Schattenfiguren in düster beleuchteten Umgebungen und groteske Momentaufnahmen lassen das Blut in meinen Adern gefrieren, wenn das Spiel selbst nicht schon durch seine makabren Ideen Schrecken verbreitet.

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    Den Stil kann ich höchstens mit einer abstrakten Film Noir-Stilistik vergleichen, da es in seiner Düsternis noch einige Striche hochgeschraubt wurde. Und selbst trotz der nicht vorhandenen Einstellungsmöglichkeiten holt das Spiele-Kleinod das Beste aus spielbarem Horror heraus. Manchmal ist es verstörender, unsere Urängste durch Schatten zu wecken – ich bin mir sicher, ihr werdet die Spinne und andere kleine Schockmomente nicht so schnell vergessen.

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