Wir schreiben das Jahr 1859. Plötzlich entbrennt innerhalb von Sekunden ein Feuersturm in den führenden Nationen der Welt. Krieg ist es nicht und doch kommen Menschen zu Schaden, da sich buchstäblich ihre eigene Technik gegen sie wendet.
Das Carrington-Ereignis lässt weltweit Telegrafenleitungen in Flammen aufgehen und Techniker an den Endgeräten Verbrennungen erleiden. Schuld ist das Weltraumwetter. Und war es damals unangenehm, würde ein Sturm wie 1859 heutzutage eine Katastrophe globalen Ausmaßes mit Jahrzehnten an Folgewirkungen nach sich ziehen.
Wir erklären euch, was es damit auf sich hat und welche Gefahren unserer technisierten Gesellschaft tagtäglich sowie im Extremfall drohen.
Was ist Weltraumwetter?
Weltraumwetter ist stark vereinfacht alles, was mit der Atmosphäre sowie dem Magnetfeld der Erde geschieht, wenn die Sonne oder andere kosmische Quellen darauf einwirken. Hauptspielfeld dieser Interaktion ist die Ionosphäre. Seit 1994 werden solar-terrestrische Prozesse als Weltraumwetter bezeichnet.
Was ist die Ionosphäre? Sie beginnt in den höheren Schichten der Atmosphäre, bei etwa 60 Kilometer und geht letztlich in den Weltraum über. In ihr ficht die Erde mit allem, was an Strahlung von außerhalb heranrollt. Sie ist entscheidend für jede moderne kabellose Kommunikation und insbesondere alles, was mit Satelliten zu tun hat.
Die Ionosphäre entsteht sogar durch die Interaktion von Luft und geladenen Teilchen. Eben deshalb ist sie zentral, wenn wir uns mit der Sonne und ihrer Aktivität beschäftigen. Einer der oberen Bereich wird als Thermosphäre bezeichnet. Hier stieg die Temperatur erneut an, da die verbleibenden Luftteilchen auf die Sonnenstrahlung reagieren.
Je fleckiger, desto stärker
Unsere Sonne durchläuft alle elf Jahre einen Zyklus, der mit der Umpolung ihres Magnetfeldes von Nord nach Süd beziehungsweise umgekehrt jeweils endet und von Neuem beginnt. Optisches Hauptaugenmerk und Urheber aller Folgendem sind die Sonnenflecken. Je mehr Flecken es gibt, desto erheblicher ist die Sonnenaktivität.
Alltag versus Sturmwetterlage
Das sind die verschiedenen Wetterlagen zwischen Zentralgestirn und Erde, wobei die Sonnenflecken die Ursprungsgebiete für die Ereignisse sind.
- Strahlung und Sonnenwind: Es gibt keine Sekunde ohne sie. Die Sonne verteilt jederzeit immense Mengen an Strahlung (eben auch das sichtbare Licht) und geladenen Teilchen, den Sonnenwind, in alle Richtungen. Unser Magnetfeld schützt uns hiervon aber zuverlässig.
- Sonneneruptionen: Starker Anstieg von kurzwelliger, energiereicher Strahlung. Dauer durchschnittlich etwa 30 Minuten, Vorhersagezeit acht Minuten, solange ist Licht zwischen Sonne und Erde unterwegs. Es ist quasi vereinfacht ausgedrückt energiereicheres Licht als gewöhnlich.
- Sonnensturm, auch koronaler Massenauswurf genannt: Dramatisch verstärkter und auch schnellerer Sonnenwind, deshalb bleibt oft nur rund ein Tag Vorhersagezeit, anstatt etwa drei bei normaler Aktivität. Die Plasmawolken können verheerend sein, das obig beschriebene Carrington-Ereignis rührte von einem starken Sonnensturm her.
Wo steht die Erde? Eruptionen und Stürme nehmen teils riesige Volumina im All ein, dennoch geht das meiste vorbei. Die Erde muss auf ihrer Bahn durch so ein Ereignis hindurch – meistens haben wir Glück.
Was bedeutet Weltraumwetter für unsere digitale Welt?
Sonneneruptionen können zu Behinderungen der verschiedenen Satellitennavigationssysteme (GNSS) im Orbit führen. Das sorgt in der Regel nur für Verspätungen und Störungen. Je mehr wir uns auf sie aber verlassen (beispielsweise autonomes Fahren), kann es aber auch zunehmend zu Gefahrensituationen kommen. Weit gefährlicher sind aber schon heute Sonnenstürme.
- Das Strommetz würde allein aufgrund zerstörter Transformatoren erheblich beschädigt und vielerorts langfristig unterbrochen werden.
- Zahlreiche Satelliten würden nicht kurzzeitig gestört, sondern dauerhaft zerstört werden. Das würde die ohnehin erheblichen Auswirkungen von Sonneneruptionen auf die GNSS vervielfachen und verstetigen.
- Erhöhte Strahlenbelastung auf, aber vor allem außerhalb der Erdatmosphäre im Orbit.
- Durch Erhitzung der Thermosphäre steigt der Luftwiderstand, was zu Abstürzen von Objekten im Orbit führen kann, wie zum Beispiel 1979 beim Starlab.
Das Carrington-Ereignis sorgte für induzierte Ströme in den damals noch wenigen Leitungen. Würde so etwas heute passieren, wären die Schäden für Menschen und Infrastruktur im Orbit enorm. Laut Studien würden wir zehn bis 20 Jahre brauchen, um die alten Fähigkeiten wiederherzustellen.
Die folgende Auflistung vom Institut für Solar-Terrestrische Physik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit begleitenden Grafiken bildet weitere historisch bedeutende Ereignisse ab:
Wer noch mehr Details wissen möchte, schaut am besten mal in diesem Vortrag eines Wissenschaftlers vom DLR rein. Hieraus ist auch die oben verwandte Folie.
Link zum YouTube-Inhalt
Wie können wir uns vor Weltraumwetter schützen?
Mehr noch als bei normalem Wetter ist bei Weltraumwetter die Beobachtung das A und O. Wirklich schützen, also wie bei angesagter Sturmwitterung nicht rausgehen, ist hier keine Option.
Deshalb ist das Wissen darum, was uns erwartet, wichtig. Nur so können Dienstleister für Satellitendienste entsprechend Kunden warnen oder zum Beispiel Raketenstarts verschoben werden.
Solares Maximum: 2025 wird das solare Maximum, also der Höhepunkt der Sonnenaktivität, in diesem Zyklus erwartet. Legt das eine Katastrophe nahe? Nein, Ereignisse, wie sie der Astronom Richard Christopher Carrington beschrieben hat, sind sehr selten. Aber wahrscheinlich werden auch wir in mittleren Breiten Polarlichter beobachten können. Allerdings wird es wohl auch vermehrt zu Störungen der Satellitensysteme kommen.
Serientipp als Rausschmeißer: In For All Mankind
zieht in einer Episode ein harmloser Sonnensturm über Erde und den Mond hinweg. Das Problem für Erde ist rein technischer Natur, aber auf dem Mond kann es aufgrund der fehlenden Atmosphäre lebensgefährlich werden.
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