Erst war es der große Hype, dann plötzlich gefühlt aus der Öffentlichkeit verschwunden: Virtual Reality hat in den letzten Jahren keinen leichten Stand gehabt. Nach Half-Life: Alyx wurde es lange ruhig, hierzulande auch, weil Meta die Meta Quest 2 in Deutschland lange nicht verkauft hat.
Ich habe seit meiner ersten Begegnung mit VR an die Zukunft dieser Technologie geglaubt. Und vertraut mir, das war nicht immer einfach. Mit meiner Webseite VR-Legion.de und ein paar Podcasts begleite ich die VR-Community seit Jahren und habe die meisten Headsets selbst besessen oder zumindest ausprobieren können.
Gute Verkaufszahlen der Meta Quest 2 und 3 sorgen aktuell wieder für Bewegung im VR-Markt, primär allerdings bei den mobilen Brillen und nicht so sehr bei PC-Headsets.
Immer mehr VR-Games knacken Umsätze von mehr als einer Million US-Dollar und in letzter Zeit erscheinen auch mehr und mehr aufwändiger produzierte Titel wie Assassin's Creed: Nexus VR oder Asgard's Wrath 2.
Solltet ihr daher überlegen, ob VR nicht inzwischen doch einen Versuch wert ist, bewerte ich fünf aktuell angebotene VR-Headsets nach meinen Erfahrungen und folgenden Kriterien:
- Displayqualität: Welche Display-Technik und Auflösung werden eingesetzt, welcher Typ Linsen kommt zum Einsatz?
- Features und Funktionen: Beherrscht das Headset zusätzlich Mixed Reality oder besondere Tracking-Techologien, wie fällt der Funktionsumfang aus?
- Spieleauswahl: Mobile Headsets nutzen eigene Stores, was bringt ein Headset schon ohne passende Games? Sind PC-VR-Games möglich?
- Bedienkomfort: Wie einsteigerfreundlich ist der Einstieg und Umgang mit der VR-Brille?
Für PC-VR braucht ihr bei jeder Brille nicht einmal zwingend einen Steam-Account, auch wenn bei Steam die größte Auswahl an Spielen zu finden ist. Mobile VR-Brillen wie von Pico oder Meta setzen auf eigene Stores, bei denen ihr einen Account anlegen müsst.
Meta hat die Zwangskopplung der VR-Accounts mit Facebook beendet.
Auf Mixed Reality würde ich nicht mehr verzichten wollen, wenn ich mir eine neue VR-Brille kaufe. Dabei wird ein Bild der realen Umgebung ins Headset eingeblendet und mit computergenerierten Bestandteilen erweitert.
So sind Spiele, virtuelle Arbeitsplätze mit beeindruckend großen virtuellen Bildschirmen und vieles mehr möglich, ohne dass man befürchten muss, von der Umwelt abgeschnitten zu sein.
Oldie but Goldie? Valve Index
Die Valve Index ist zwar bereits ein VR-Opa und kann vor allem bei den Punkten Ausstattung und Bildqualität nicht mehr mithalten - es gibt sie aber noch im Handel und sie hat andere Vorzüge. Da sie ausschließlich per PC und kabelgebunden genutzt werden kann, dient als Store schlicht Steam.
Beziehungsweise jede ausführbare Datei auf dem PC und unzählige Mods wie der Unreal-Injector, der viele UE-Engine-Games in VR bringt.
Das erhöht die Spieleauswahl, auch wenn aktuelle Top-Games seltener auch für den PC erscheinen und eher im Meta-Store zu finden sind. Ein großes Plus der Valve Index ist aber der Komfort.
- Sie wird mit einem Paar sehr gut über den Ohren schwebender Lautsprecher geliefert und sitzt erstklassig auf dem Kopf, auch ohne Zusatzhardware wie alternative Kopfgurte.
- Auch die Index Controller sind überzeugend.
Auf Mixed Reality, Eyetracking oder andere aktuellere Features müsst ihr allerdings komplett verzichten und sonderlich viel Zukunft hat der Oldie Index auch nicht mehr. Gegen einen Kauf spricht auch der hohe Preis inklusive der nötigen Lighthouse-Trackingstationen und Controllern.
Der Herausforderer mit TikTok-Genen: Pico 4
Auch wenn die Bildqualität der Pico 4 des asiatischen Unternehmens Bytedance (die auch hinter TikTok stehen) dank guter Pancake-Linsen mit der Meta Quest 3 mithalten kann, fehlt es der Pico etwas an Rechenleistung, da nur ein Snapdragon XR2 Gen1 genutzt wird. Dafür bietet die Pico 4 ein gutes Passthrough in Farbe, jedoch ohne Tiefensensor.
MR geht damit gut, aber nicht auf dem Niveau der Quest 3.
Wollt ihr eine autarke VR ohne Kontozwang bei Meta (aber dafür beim TikTok-Betreiber, entscheidet selbst), gibt es nur wenig Auswahl: HTC Vive Focus oder Pico 4.
Im Store von Pico finden sich recht viele Spiele und Apps, auch in der Community beliebte Überraschungshits wie Walkabout Minigolf. Das volle Programm an VR-Spielen findet ihr dort aber nicht und dass es Meta-Exklusives nicht bei Pico gibt, sollte sich von selbst verstehen.
Habt ihr bereits Spiele im Hinterkopf, auf die ihr nicht verzichten wollt, checkt das Store-Angebot vor dem Kauf besser genau durch.
Aber selbst wenn alles vorhanden ist: Bytedance scheint das Experiment Pico zu beenden, Massenentlassungen und Aussagen zur Schritt-für-Schritt-Abwicklung von Pico sprechen gegen einen Kauf, wenn ihr langfristigen Support erwartet.
Wahrscheinlich lässt sich die Brille aber selbst nach einem Bytedance-Aus noch als PC-Headset nutzen.
Wie aus einem Sci-Fi-Film: Bigscreen Beyond
Das mit Abstand kleinste und leichteste Headset stammt vom Entwickler der Kino-VR-App Bigscreen. Die Beyond ist teuer und benötigt die ebenfalls nicht günstigen Lighthouse-Stationen und dazu kompatible Controller wie die der Index von Valve.
Vor der Auslieferung müsst ihr zudem einen Scan eures Gesichtes anfertigen, damit perfekt passende Inlays gefertigt werden können.
Wozu das alles? Beispielsweise um Filme mit Freunden in Bigscreen zu schauen. Oder jedes SteamVR-Spiel und PC-Mods zu spielen. Einen eigenen Store oder gar Autarkie wie Pico 4 oder Meta Quest gibt es jedoch nicht, was den Komfort etwas einschränkt.
Die Bigscreen Beyond bietet ein hervorragendes Bild und wirkt verblüffend futuristisch. Der Sprung in der Bildqualität, beispielsweise der Valve Index gegenüber, ist drastisch. Auch hier verzichtet ihr aber auf Exklusiv-Spiele, wie sie inzwischen meist in den Herstellerstores mobiler VR-Brillen angeboten werden.
Luxus-Headset mit Highend-Anspruch: Pimax Crystal
In eurem PC steckt eine RTX 4090 und ihr ärgert euch, dass kein SLI damit mehr möglich ist, weil für euch selbst das technisch beste noch nicht ganz ausreicht?
Hervorragend, dann solltet ihr euren Hardware-Fuhrpark dringend um eine Pimax Crystal erweitern. Sie hat einen Preis, der eigentlich durch keine private Aktivität gerechtfertigt ist, bietet aber im Gegenzug das mit Abstand beste VR-Bild eines Consumer-Headsets.
Zwar verzichtet Pimax auf OLED aber dank Local Dimming wirkt das Bild trotzdem extrem kontrastreich. Auch die Farben der QLED-Displays überzeugen, ebenso die exorbitante Auflösung von 5.760x2.880 Pixeln.
Beim Tracking setzt sie nur noch optional auf Lighthouse, das integrierte Kameratracking funktioniert gut aber nicht so perfekt wie Lighthouse.
Pimax Crystal bietet zwar die theoretische Option, dank eines XR2-Prozessors und Akku auch autark zu arbeiten, diese Funktion ist aber nicht relevant. Seht die Crystal als die aktuell beste Brille für PC-Games und dabei vor allem Simulatoren. Günstiger als ein nachgebautes Cockpit ist sie zumindest.
Noch exklusiv für Playstation 5: Sony Playstation VR2
Sony schafft es mit der zweiten PSVR-Brille, gleich eine ganze Reihe Pluspunkte auf der Featureliste zu sammeln:
- Serienmäßiges Eye-Tracking beispielsweise, aber auch Rumble-Funktionen am Kopf oder die HDR-Darstellung des sehr guten OLED-Displays.
- Auf der anderen Seite ist ein Kabel zur PS5 Pflicht, es gibt keine Wireless-Option.
In Zukunft könnte die PSVR2 auch als PC-Brille dienen, jedenfalls gibt es Andeutungen von Sony.
Wie genau das technisch umgesetzt werden wird, ist aber noch unklar - die PSVR2 nutzt ein einzelnes USB-C-Kabel, über das auch das Bild übertragen wird, euer PC wird aber mit großer Wahrscheinlichkeit keine Displaysignale über USB ausgeben können.
Schwächen zeigt Sonys VR-Ausflug ausgerechnet beim Store. Dort finden sich zwar zahlreiche bereits von anderen Plattformen bekannte VR-Games wie Beat Saber oder Bulletstorm VR und eine Handvoll Exklusivtitel wie Horizon oder der VR-Modus von GT7, das Angebot fällt aber verglichen mit Metas Store eher schwach aus.
Vor allem an neuen Exklusivtiteln, die die ebenso exklusiven Features der PSVR2 auch wirklich ausreizen, fehlt es.
Bei den Linsen hat Sony zu den inzwischen eher als veraltet geltenden Fresnel-Linsen gegriffen, was für einen schwer zu treffenden Sweetspot, der Punkt wo das VR-Bild wirklich scharf ist, sowie optische Fehldarstellungen wie God Rays, sorgt.
Dabei ist die Kopfhalterung der PSVR2 durchaus gut, auch wenn ich mir integrierte Kopfhörer statt herunter baumelnder In-Ears gewünscht hätte.
Verkaufshit mit ersten MR-Versuchen: Meta Quest 2
Diese VR-Brille hat einen ganzen Markt umgekrempelt: Verbuchte die erste Meta Quest noch nur einen Achtungserfolg, ist ihr Nachfolger die erfolgreichste Consumer-VR bisher.
Ich habe sie selbst einige Jahre lang genutzt, erst nur als Kuriosum neben dem Daily-Driver Valve Index und dann mehr und mehr auch für ihre Exklusivspiele und weil Meta vieles richtig gemacht hat.
Die Displayqualität ist aus heutiger Sicht noch der größte Schwachpunkt. Mit 1.832 x 1.920 Bildpunkten pro Auge liegt es weniger an der Auflösung, sondern eher an den eingesetzten Fesnel-Linsen. Diese sorgen für einen schmalen Sweetspot und störende Bildartefakte wie Überstrahlen und God Rays.
Im Gegenzug bietet Meta den mit Abstand am besten gefüllten Store aller mobiler VR-Brillen, von Beat Saber über Blade&Sorcery und After the Fall findet ihr hier alle relevanten Games und auch viele seriöse Apps, die beispielsweise die zweckmäßigen MR-Funktionen der Quest 2 nutzen.
Meta Quest 3 ist der aktuelle VR-Standard
Lange Zeit hatte ich eine Sammlung verschiedener VR-Brillen, auch um unterschiedliche Einsatzbereiche abdecken zu können. Mit der Quest 3 ist das zumindest bei mir nicht mehr nötig: Die Meta-Brille ist gleichzeitig eine überzeugende PC-Brille als auch autark sehr gut nutzbar.
Allerdings bedarf es für einen anständigen Tragekomfort eines alternativen Headstraps, die serienmäßige Kopfhalterung der Quest 3 ist zumindest für meinen Kopf nur sehr unbequem nutzbar. Ein Modell mit integriertem Akku verlängert zudem die Laufzeit, was angesichts von nur 2-3 Stunden durchaus ratsam ist.
Der Store bekommt sogar noch ein paar Prozentpunkte mehr an Kopf-interner Bewertung als bei der Quest 2: Mehr und mehr Titel werden exklusiv für Quest 3 angekündigt oder sind bereits nur für die neuere Brille verfügbar.
Viele andere punkten zumindest mit besserer Grafik. Und dann ist da noch das deutlich bessere Mixed-Reality-Erlebnis durch farbigen Passthrough mit Tiefenkamera.
So lassen sich auch Objekte im Raum ins Spiel integrieren, ganze Räume scannen und abspeichern und auch Mehrspielergames in einem Raum mit euren Kumpels spielen. Vor allem wenn euch MR und AR reizen, würde ich zur Mehrinvestition in Form der Quest 3 statt der günstigen Quest 2 raten.
Mein Fazit: Die Meta Quest 3 gewinnt das Rennen
Warum die Valve Index in dieser illustren Runde trotz ihres Alters antreten durfte? Weil für mich persönlich kein VR-Headset danach mehr so komfortabel war und ich Valves Erstlingswerk jahrelang sehr gerne genutzt habe.
Und ausgerechnet beim Tragekomfort verliert mein aktueller Gewinner auf dem VR-Markt in der Grundausstattung krachend. Wie kann das sein?
Ganz einfach: Ich habe die ca. 30 Euro für ein alternatives Kopfband zum Preis addiert und schon passt alles. Denn in fast allen anderen Punkten rennt Meta der Konkurrenz davon. Der Store ist prall gefüllt mit teils erstklassigen Games, mit dem AppLab und Sidequest gibt es auch für Indie-Titel einen Platz. Das Bild ist vor allem für eine mobile VR-Brille erstklassig.
Das liegt auch an den Pancake-Linsen, die zudem für den schmalen Formfaktor der Quest 3 und einen sehr angenehmen Sweetspot sorgen. Auch die PC-Verbindung für eine Runde im MS Flightsimulator oder mit Half-Life: Alyx (das immer noch fleißig mit Mods versehen wird) ist sehr leicht und in guter Qualität hergestellt.
Nur wenn ihr partout ausschließlich den PC und das mit maximaler Bildqualität nutzen wollt, wäre eine reine PC-Brille wie Pimax Crystal interessant. Auch die Pico 4 lässt sich mit dem PC nutzen, was sie interessant für alle macht, die Meta nicht vertrauen (aber dem chinesischen Unternehmen hinter TikTok).
Mit einer Meta Quest 2 lässt es sich zwar noch gut spielen, der deutlich bessere Mixed-Reality-Modus der Nachfolgerin und auch deren bessere Bildqualität und Rechenleistung sprechen aber eher für die Quest 3.
Als sehr günstiger Einstieg in VR überzeugt die Quest 2 aber weiterhin und das wird das sicher auch noch einige Zeit.
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