Für Bill Gates liegt die Energie der Zukunft weder in erneuerbaren Energien noch in der Kernfusion: Sie liegt im Natrium

Ein Schritt zurück oder die Notlösung für unsere Zukunft? Warum Kernkraftwerke immer noch zur Debatte stehen könnten.

Ist der Gang zurück zur Atomkraft ein notwendiges Übel oder sollte man dieses Geld in den Ausbau erneuerbarer Energien und Energiespeicher setzen? (Bildquelle: Adobe Stockake1150) Ist der Gang zurück zur Atomkraft ein notwendiges Übel oder sollte man dieses Geld in den Ausbau erneuerbarer Energien und Energiespeicher setzen? (Bildquelle: Adobe Stock/ake1150)

Am 15. April 2023 schaltete man in Deutschland die letzten Atomkraftwerke ab. Andere glauben weiterhin an diese Technologie wie zum Beispiel Bill Gates. Der Microsoft-Gründer investiert kräftig in Reaktoren – in Kombination mit Natrium.

Warum ist das wichtig? Die Menschheit braucht dringend eine Energiequelle, welche fossile Brennstoffe so schnell wie möglich obsolet macht und den Klimawandel eindämmt. Der Reihe nach:

  • Die Firma TerraPower entwickelt seit Jahren einen Natrium-Reaktor.
  • Bill Gates ist einer der Hauptinvestoren der Firma.
  • Laut ihm soll die SFR-Technologie (Sodium fast reactor = Natriumgekühlter schneller Reaktor) zukunftsweisend sein.
  • Jetzt strebt die Firma einen offiziellen Bauantrag an.

Im Detail: Am 22. April 2024 berichtete das Magazin RealClear Energy über den ersten Bauantrag der Firma TerraPower. Mit flüssigem Natrium lässt sich nach Meinung von Bill Gates klimaneutral Energie produzieren. Was steckt hinter diesen Kernkraftwerken und ist das wirklich so klimaneutral?

  • In Kemmerer, Wyoming, soll ein erster Testreaktor bis 2028 in Betrieb gehen.
  • Aber: Das U.S. NRC (United States Nuclear Regulatory Comission) muss dieses Vorhaben absegnen.
  • Zukunftsplan der Firma: Laut dem Stern sollen nach dem Testreaktor hunderte weitere Reaktoren bis 2050 folgen.

Das Projekt im Clip: Hier könnt ihr euch ein kurzes (Werbe)Video ansehen. Dort erklärt TerraPower, wie so ein Reaktor aussehen und funktionieren wird:

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Ist die Technologie wirklich so zukunftsweisend, wie Bill Gates behauptet?

Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Um eine fundierte Aussage treffen zu können, müssen wir uns erst mit der Funktionsweise und dem Element Natrium auseinandersetzen.

So funktionieren Kernreaktoren: Bei herkömmlichen Reaktoren wird Wasser zur Kühlung der Reaktorstäbe genutzt. Stark vereinfacht gesagt, transferiert das Wasser die erzeugte Wärmeenergie und treibt als Dampf eine Turbine an, die schließlich Strom erzeugt.

  • Im Fall von TerraPower wird Wasser durch Natrium als flüssiges Kühlmittel ersetzt.
  • Das Natrium nimmt Wärmeenergie auf und überträgt sie an einen Dampferzeuger.
  • Der Reaktor erzeugt so eine Leistung von 345 MW und ist mit einem Energiespeicher verknüpft.

Das sind Vorteile von Natrium-Reaktoren

Warum möchte Gates unbedingt auf einen Reaktor setzen, der auf Basis von Natrium statt Wasser läuft, anstatt auf Solarkraft oder Windräder zu setzen? Gates sieht das folgendermaßen:

Der Natrium-Reaktor von TerraPower ist ein Beispiel dafür, wie Energieinnovationen Arbeitsplätze schaffen und die amerikanische Wirtschaft stärken können.

Pressemitteilung TerraPower

Gates sieht die Vorteile also in der wirtschaftlichen Natur dieser Technologie. Nüchtern betrachtet, liefert Natrium auf wissenschaftlicher Ebene tatsächlich einige Vorteile gegenüber Wasser als Kühlmittel. Eine kurze Übersicht:

  • Natrium besitzt eine hohe Wärmekapazität und gute Leitfähigkeit.
  • Natrium siedet nicht = kein erhöhter Druck im Reaktorbehälter wie bei Wasser.
  • Natrium kann im Falle eines Stromausfalls Nachzerfallswärme aufnehmen und Kernschmelze passiv verhindern.

Energiespeicher aus Salz: Ein weiteres Feature dieses Reaktors soll ein sogenannter Flüssigsalzenergiespeicher sein. Mit der Kernreaktor-Energie wird Salz verflüssigt und in einem separaten Tank gespeichert, bis es zur Energieerzeugung benötigt wird:

  • So sollen diese Energireserven zu Spitzenlastzeiten (zum Beispiel morgens und abends) bis zu 400.000 Haushalte versorgen können
  • Das Konzept funktioniert wie eine Batterie und liefert kurzfristig (5,5 Stunden) etwa 500 MW Strom

Kompakt und günstig: Laut dem Magazin Xataka ist die Bauweise des Reaktors sehr klein und kommt dank des Natriums beim Bau mit weniger Druckelementen aus.

  • Dadurch ist er bis zu 25-mal günstiger als herkömmliche Reaktoren.
  • Schnellere Bauzeit und dank der geringen Größe ist der Einsatz vor Ort, zum Beispiel in einer Fabrik möglich.

Apropos günstig: Dieser Deutsche hatte die Idee, seinen Zaun aus Solarmodulen zu bauen. Jetzt produziert er damit Strom und will innerhalb von 4 Jahren seinen Zaun damit abbezahlen.

Risiken und Gefahren der Natrium-Kernkraft-Technologie

Weniger wirtschaftlich wird es dann, wenn es zu Atomunfällen kommt. Keine Technik ist unfehlbar. Natrium mag im Falle eines Stromausfalls passiv eine Kernschmelze verhindern, besitzt im Falle eines Lecks aber besonderes Brandpotential:

Feuer und Flamme: Zwar steht der Natrium-Reaktor nicht so sehr unter Druck, weshalb bei Lecks bestenfalls weniger Inhalt austreten wird. Aber auch kleine Mengen austretendes Natrium sind hochgefährlich. So warnt das Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Entsorgung:

  • Natrium ist in Kontakt mit Wasser und Sauerstoff sehr reaktiv und bedarf zusätzlicher Sicherheitsbarrieren.
  • Erfordert verbesserte Sicherheit im Sinne von drei separierten Kühlkreisläufen (= höhere Kosten)

Video: Dreht die Lautstärke dieses Clips herunter und seht selbst, wie gefährlich Natrium in Kombination mit Wasser und Sauerstoff ist. Dieses bedenkliche Amateur-Video schreit förmlich Nicht nachmachen:

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Nuklearer Abfall: Nicht nur die Risiken der Atomtechnologie sprechen gegen Reaktoren. Am Ende ihrer Lebenszeit müssen alte Brennstäbe entsorgt werden. Theoretisch wird bei der Kernkraft kein CO2 freigesetzt, doch den Erhalt unserer Umwelt garantiert sie nicht.

Die entscheidende Frage: Wohin also mit dem radioaktiven Müll, der noch tausende Jahre vor sich hin strahlen wird und ein permanentes Risiko für unsere bewohnbare Welt darstellt? Darauf gibt es aktuell keine wirkliche Antwort:

  • Endlager unter der Erde bergen die Gefahr der Trinkwasserkontamination und Umweltzerstörung.
  • Kriege oder Naturkatastrophen wie Erdbeben könnten radioaktiven Müll unkontrolliert verteilen.
  • Fukushima und Tschernobyl zeigen: Niemand ist perfekt. Menschliche Unfälle wird es immer geben und unsere Einschätzung von Risiken werden nicht immer stimmen.

Warum uns die Kernfusion eine Alternative liefern könnte – allerdings nicht zeitnah

Neben der Kernkraft-Technologie forscht die Wissenschaft derzeit an der Kernfusion. Wer hier tiefer tauchen möchte, kann sich gerne dieses informative und unterhaltsame Video von Harald Lesch und Terra X ansehen:

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Aktueller Stand bei der Kernfusion: Ein zeitnaher Durchbruch bei der Kernfusion scheint unwahrscheinlich. Experten in einem SWR-Beitrag sprechen von Jahrzehnten der Forschung, bis wir diese Technologie meistern werden. Damit ließen sich riesige Energiemengen ohne radioaktiven Müll und CO2 produzieren.

Wir dürfen gespannt sein, wie die Entwicklung mit Blick auf die Kernkraft weitergeht. Etliche Länder stocken die Zahl an Kernkraftwerken durch neue Reaktoren auf. Womöglich befinden sich darunter in absehbarer Zeit auch welche, die auf Natrium statt Wasser basieren.

Was denkt ihr über dieses Thema? Kann es wirklich die Lösung sein, für die Übergangszeit auf Atomkraft zu setzen? Wäre es nicht sinnvoller, die Infrastruktur für erneuerbare Energien auszubauen und stattdessen in Energiespeicheranlagen für grünen Strom zu investieren? Schreibt es gerne in die Kommentare.

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