Das Episodenprinzip

Von Iorael · 4. Oktober 2015 · Aktualisiert am 5. Oktober 2015 ·
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  1. Jetzt wo sich gleich 3 Episoden-Adventures (Life is Strange, Tales from the Borderlands und Game of Thrones) dem Staffelfinale nähern und die Foren mal wieder überlaufen mit "wann kommt die Episode endlich" und "das Warten macht mir das Spiel kaputt" wollte ich das Timing mal nutzen um auch meinen Senf quer über das Thema zu schmieren.

    Eine Sache gleich vorweg: Ich mag das Episodenprinzip. Und das nicht, weil ich es schön finde, dass damit kleinere Studios ein größeres Projekt in Etappen stemmen kann, sondern mir gefällt tatsächlich die Erfahrung eines episodisch strukturierten Spiels.

    Also, wieso mag ich es zu warten? Meiner Meinung nach ist es weniger das warten als vielmehr, dass ich dazu gebracht werde über das gespielte noch einmal nachzudenken. Kein 30-Stunden-Epos, den man an einem lauschigen Wochenende durchsuchtet, würde einen dazu bringen Details auf die Goldwaage zu legen und sich den Kopf zu zerbrechen wie es weitergehen könnte. Ich will hier niemanden Spoilern, aber bei Life is Strange gibt es einen (zumindest für mich) extrem überraschenden Twist, der von einer youtuberin bereits nach der zweiten Episode vorausgesehen wurde. Zu sehen wie viel Liebe zum Detail in das Spiel gesteckt wurde und dass ein Twist (der mir anfangs etwas absurd vorkam) völlig logisch ist, wenn man auf die richtigen Sachen achtet, bereichert einfach meine Spielerfahrung.



    Das Problem hierbei ist nicht nur, dass einem viele Spiele keine Zeit lassen das ganze revue passieren zu lassen, sondern dass es oft nicht viel gibt, was man da erforschen könnte. Das soll gar nicht heißen, dass mir AAA-Spiele zu platt sind (auch wenn es immer Spaß macht die Platzhirsche runter zu machen), sondern ich will damit sagen, dass genau das ein wichtiger Punkt ist, den ein Spiel für ein Episodenformat erfüllen muss. Die Wartezeit muss einen Zweck haben, der nicht nur darin besteht zuzusehen, wie mehr und mehr Salz im Forum ausgeschüttet wird.

    Und da wären wir auch schon beim nächsten großen Punkt: Die Wartezeit selbst. Meiner Meinung nach waren die Wartezeiten bis jetzt bei jedem Episodenadventure zu lang. Das lässt sich leider kaum ändern. Entweder macht man die Wartezeit kurz, muss dann aber eigentlich das ganze Spiel bereits beim Release von Episode 1 fertig haben, womit der finanzielle Vorteil der ganzen Masche wegfällt, oder man nutzt die Zeit tatsächlich zur Entwicklung und lässt zwischen einer Episode und ihrer Fortsetzung nen Monat verstreichen (und das is noch schön gerechnet).

    So leid es mir für die Indies tut, aber meiner Meinung nach funktioniert nur Variante 1 wirklich. Schauen wir uns doch mal plakativ den Zeitplan von Walking Dead Season 2 an:

    5 Episoden a 1,5 Stunden vom 17. Dezember 2013 bis zum 22. Oktober 2014. Das sind 7,5 Stunden Spiel über fast ein ganzes Jahr. Bei dieser Wartezeit ist es vollkommen egal wie viele Easter-Eggs, Andeutungen und anderen Schnickschnack man versteckt. Wer am ersten Tag anfängt wird über kurz oder lang die Lust am Spiel verlieren und dann (wie ich) nur noch halbherzig die letzte Episode durchspielen, weil man ja schon irgendwie sehen will wies ausgeht. So gesehen könnte das mit den 400 days durchaus ein überaus zynische Meta-Witz der Entwickler sein.

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    Gucken wir doch mal auf den großen Bruder dieses Gewerbemodells, die Serie. Für üblich erscheint hier eine Episode pro Woche für knapp 3 Monate. Meiner Meinung nach ist das Ideal. Viele Menschen kommen unter der Woche nicht zum zocken und sind froh, wenn sie sich statt einem Film im fernsehen eine neue Episode "Wolf among us" reinziehen können. Statt jetzt hinten an zu stehen, weil der Rest der Gamerschaft das Spiel schon nach zwei tagen ad akta legt, sind sie endlich mal genauso auf dem Laufenden wie alle anderen auch. Dazu kommt diese Neugier, wenn eine Episode mit "next time on..." endet und die Vorfreude bis zum nächsten Happen.

    Doch dann kommt das nächste Wochenende und selbst der Gelegenheitsspieler wird sich wieder vor den Bildschirm schwingen wollen. Wenn dann die nächste Episode nicht in Aussicht ist greift er halt zum nächsten game und schon fiebert er der nächsten Episode ein wenig weniger entgegen.

    Ein Spiel hat im Endeffekt eine große Aufgabe: Die Spielzeit sinnvoll zu füllen. Was manche Entwickler begreifen müssen ist, dass die Wartezeit in diesem Fall mit zur Spielzeit gehört. Wenn das Studio es vermasselt mir Anreize zu geben nochmal über das Gespielte nachzudenken oder es nicht schafft mich neugierig auf die nächste Episode zu machen, dann hat es das Prinzip der Serie einfach nicht verstanden. Und so leid es mir tut. Kein noch so gutes Spiel schafft es einen Spannungsbogen zu halten, wenn man den Controller für 2 Monate aus der Hand legt.

    Jetzt gibt es eine beträchtliche Anzahl von Leuten die sagen "na und, ich kaufs mir erst wenn alles raus ist". Das ist zur Zeit die bessere Variante, aber genau da gehen dann alle eigentlichen Vorteile der Episoden verloren. Ich fände es schade, wenn das Episodenprinzip nicht weiter ausgelotet wird, doch ich fände es genauso schade, wenn ich noch ein weiteres mal desinteressiert die Ankündigung des Staffelfinales einer Season hinnehme, die ich nach Folge 2 weggelegt habe. In diesem Sinne: Bitte, macht weiter damit, aber macht es endlich mal vernünftig.

Kommentare

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  1. der.Otti
    Tja, schwierig zu bewerten...

    Den Punkt des finanziellen kann Ich durchaus gelten lassen, gerade für die Indies, aber bei denen kommt bei mir noch folgendes Problem hinzu:

    Was ist, wenn Episode 1 eines beliebigen Spiels zwar durchaus gut ankommt bei Kritikern, aber finanziell ein Flop wird, weil sich die Spielerschaft (aus welchen Gründen auch immer) einfach nicht dafür interessiert?

    Bin ich nun einer derjenigen Personen, die die erste Episode aufgrund der guten Kritiken gekauft haben (oder, wie bei den Telltale-Spielen üblich, direkt die komplette Staffel, da kein Einzelvertrieb), habe ich die A-Karte gezogen, falls der Entwickler pleite geht und den Rest einfach nicht fertig stellen kann.

    Bei grossen Entwicklern bzw.Publishern ist diese Gefahr zwar nicht (bzw. kaum) vorhanden, allerdings frage ich mich da dann wiederum, ob die Spielzeit auch den Gesamtpreis am Ende wert ist, bzw. ich am Ende sehr viel mehr als für ein Vollpreisspiel bezahle, aber eigentlich viel weniger Spielzeit erhalte.

    In beiden Fällen ist man als Kunde dann im Endeffekt nur auf der sicheren Seite, wenn man abwartet.

    Ich (persönlich) bräuchte also eine Art Vorabgarantie, dass das Projekt in einem vernünftigen Zeitrahmen erscheint, der auch eingehalten wird, und einen passenden Gegenwert (=Spielzeit) liefert für den Preis, den ich zahle.

    Ich fand die erste Staffel von "The Walking Dead" großartig, habe die zweite aber trotzdem wieder erst gekauft, als diese komplett war, da mir irgendwie klar war, dass Telltale die Episoden nicht in einem festen Zeitrahmen auf die Reihe kriegt und mir der Zeitraum zwischen den Episoden zu uneinheitlich und groß wird.

    MfG, Otti
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