"Ich bin besser als das" - viele von uns waren bereits an diesem Punkt. Der Punkt an dem man nicht einsehen möchte, dass man eventuell an eine Grenze gelangt ist die das Ende eines Fortschritts einläutet. Und dennoch behauptet man steif und fest, dass es immer Luft nach oben geben wird.
Kaum ein Online-Spiel kommt noch ohne irgendeine Art von Ranking System aus. In Dota ist es die MMR, in Rocket League die Ränge Prospect I bis hoch zu Grand Champion, in Overwatch das Skill Rating usw. Das Prinzip ist eigentlich immer das selbe: Irgendwo gibt es eine Zahl, sei sie versteckt oder offen einsehbar, die darüber bestimmt in welchem Bereich des Rankings wir uns aufhalten. Gewinnen wir, dann steigt diese Zahl. Verlieren wir, dann sinkt sie.
Hier kommt das Faszinierende. Irgendwo bildet sich in der Regel immer eine solide Mitte, die eigentlich nicht einmal genau die "Mitte" sein muss. Die große Mehrheit der Spieler findet sich in ein und dem selben Bereich wieder. Manch ein Individuum ist so gut, dass es sich von dieser breiten Masse abheben kann und manch einer ist so schlecht, dass er weit abfällt. Doch die Meisten von uns finden sich wahrscheinlich im simplen Mittelfeld beim restlichen Pöbel wieder. Und hier fangen wir an uns einzureden, dass wir eigentlich viel besser sind als der Rest und das wir hier gar nicht hingehören.
Falsch!
Nun gut, manch einer hat eventuell wirklich die Veranlagung deutlich besser zu sein und zieht das Pech einfach sehr unglücklich hinter sich her, aber der Rest gehört dort hin wo er sich befindet, wenn kein Fortschritt mehr zustande kommt. Hier müssen wir in zwei Rubriken unterteilen.
Solo basierte Spiele
Ich gebe zu, mir fällt spontan kaum eines ein, doch es gibt sie. Ich muss da primär an Sportspiele wie Fifa und Co. denken. Oder aber Shooter wie Quake und Unreal Tournament. Oder aber Counterstrike. Dies aber eher, wenn man Ligen wie die ESL mit einbezieht. Immerhin gibt es auch dort Ränge zu erklimmen und sei es nur in der 1on1 Fun Map-Ladder.
Gerade Spiele die darauf aufbauen, dass man alleine an seinem Schicksal festhält, sind das Paradebeispiel. Nehmen wir Rocket League und dessen Solo-Ladder. Hat man noch keinen Rang erspielt, muss man zuerst zehn Placement Matches absolvieren. In meinem Fall habe ich 9 von 10 gewonnen, spielte dabei aber auch gegen wirklich sehr schlechte Autofußballer. Am Ende war mein Ranking dennoch irgendwo in der Mitte und egal wie viel ich spielen würde, ich habe meine Grenze erreicht.
Sei es im Solo Modus oder in einem der anderen drei. Meine Fähigkeiten den Ball mit einem Auto zu führen entwickeln sich nicht weiter. Weder am Boden, noch in der Luft. Einerseits bekomme ich es motorisch einfach nicht mehr auf die Reihe und andererseits habe ich aufgegeben es noch weiter zu versuchen. Höher als Challenger Elite werde ich wahrscheinlich nie kommen und damit muss ich mich abfinden. Und selbst auf dem Ranking bin ich nur, da die Entwickler das System ein wenig umgestellt haben, wodurch sich die besagte "Mitte" etwas mehr nach oben verlagert hat.
Team basierte Spiele
Hier gelangen wir zu dem Klassiker der Ausreden: die Anderen sind schuld. Ich erwische mich selber auch oft genug dabei, dass ich andere Mitspieler zur Rechenschaft ziehe wenn ich in einem Teamspiel verliere. Und genau da liegt das Problem. Man sagt zu sich selbst: "Ich wäre viel höher wenn ich nicht immer so schlechte Mitspieler hätte!"
Das ist schlichtweg nicht richtig. Klar gibt es Momente in denen man wie ein junger Gott spielt und die Anderen es einem versauen, aber das zieht sich nicht über hunderte von Stunden und Runde für Runde. Ich habe in Overwatch auch schon das Ulti des Jahrhunderts gelandet und dann folgte absolut rein gar nichts von den Anderen darauf. Es ist frustrierend, aber nicht die Regel.
Vor allem ist es einfacher aus seiner Sicht der Dinge immer zu behaupten, dass man den großen Master Plan hatte und alle anderen Spieler hätten nur folgen müssen. Und erst recht ist es leichter im Nachhinein zu behaupten, dass es "total offensichtlich war, dass dies passieren würde". Letztendlich sucht man sich lediglich Ausreden und war meist selbst nicht schlauer als der Rest.
Was ich damit meine ist simpel. Wenn man wirklich besser ist als der Rang auf dem man sich derzeit befindet, dann kann man diese Situation selbst in einem Teamspiel in die eigene Hand nehmen. Wer ein starker Counterstrike Spieler ist, der wird auch alleine mal Runden entscheiden. Und was früher das klassische "kannst du mal meinen Account hochspielen" unter Freunden war, ist heute das banale MMR-Boosting gegen Geld in Dota und Co.
Gerade bei letzterem Beispiel zeigt sich was ich meine. Man übergibt seinen gesamten Steam Account an eine fremde Person die als Dienstleistung anbietet so viel zu spielen, bis sie die gewünschte MMR erreicht hat. Früher gab es gewisse Glitches die es erlaubten, dass man zwar ein Solo Spiel sucht, aber dennoch immer wieder mit den selben Leuten spielen kann, wodurch sich besagte "Booster" einen kleinen Vorteil verschafften. Das geht heute nicht mehr. Dadurch merkt man ganz klar, dass diese Spieler genau das in einem Teamspiel schaffen, woran man selber scheitert - sie spielen sich souverän von alleine wieder nach oben und verlieren dabei vielleicht eines von zehn Matches. Natürlich wählen sie dabei die langweilige Variante indem sie ein und den selben Helden immer und immer wieder spielen. Sei es weil er gerade extrem unbalanced ist oder einfach nur aus persönlicher Präferenz. Und so wider mir diese Dienstleistung auch ist, so sehr zeigt sie, dass man sich nur anstrengen muss wenn man schon behauptet, dass man dort nicht hingehöre.
Fazit
Ich war früher ein guter CS-Spieler. Ich habe jeden Teil miterlebt und hörte irgendwann kurz nach dem Release von CS:GO auf. Bis dahin spielte ich auf einem soliden Level. Ein Public-Hero der immer ganz oben stand und auch in Matches immer recht gut dabei war. Aber ich wäre nie in der Lage gewesen auf höchstem Niveau mitzuspielen. Das musste ich irgendwann einsehen. Mein Können stagnierte. Würde ich heute noch einmal mit diesem Spiel anfangen, dann hätte ich Schwierigkeiten, denn an anderen Shootern merke ich, dass mir das Aimen immer schwerer fällt. Ich habe über die Jahre diese bestimmte Hand-Augen-Koordination verlernt und besitze nicht mehr die Reflexe meines 16-jährigen Ichs. Ein kleiner Grund dafür könnte sein, dass ich zwar ausnahmslos nur am PC spiele, aber immer häufiger einen Controller dafür nutze, weil es einfach entspannter ist.
Auch in Dota bin ich nicht dazu bestimmt auf höherem Niveau zu spielen. Wenn ich mir ganz viel Mühe gebe und es wirklich versuche, dann schaffe ich es vielleicht auf eine MMR von ~4000. Das wäre dann allerdings auch das höchste der Gefühle. Ist man einmal zu dieser Akzeptanz gelangt, dann spielt es sich irgendwie viel entspannter, denn man macht sich selbst keinen Druck mehr. Natürlich bin ich irgendwann genervt, wenn ich in Rocket League sechs Spiele am Stück verliere. Dann aber primär nicht weil ich im Ranking absteige, sondern einfach weil ich endlich mal wieder gewinnen will.
Ein weiteres Problem ist auch die Einbildung, dass "Wissen = Können" bedeutet. Ich habe in der Theorie beispielsweise ein großes Wissen über alle möglichen Ecken und Kanten, Techniken, Glitches, Funktionen usw in Battlefield 3 und 4. Auf fast jede Frage könnte ich eine Antwort geben. Und trotzdem bin ich außerhalb eines Panzers nur ein absolut durchschnittlicher Spieler. In Dota kenne ich von jedem einzelnen Helden jede einzelne Fähigkeit. Das ändert nichts an der Tatsache, dass mein Gegenüber auf der Lane immer noch bedeutend besser sein kann als ich und mich an die Wand spielt. Ein gutes Beispiel dafür sind professionelle Caster auf Events wie dem International. Jeder dieser Menschen hat eine immense Bandbreite an Wissen über das Spiel welches sie kommentieren, aber kaum einer von ihnen spielt auf einem hohen Niveau, mit wenigen Ausnahmen, obwohl sie diesem Titel für eine gewisse Zeit ihr Leben widmen.
Während Videospiele "damals" noch eine Sache des Spaßes waren und kompetitives Spielen eher eine Randerscheinung, müssen wir uns heute überall mit Rängen und Abzeichen rumschlagen und sind deprimiert, wenn wir eigentlich dort sind wo wir hingehören - nämlich genau da wo auch alle Anderen sind.
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