Wenn Menschen altern, ändern sich oftmals Ihre Interessen und Gewohnheiten. Alte Freundschaften verblassen, neue werden hinzugewonnen. Familien werden gegründet, Karrierewege bestritten. Auch der Körper und der Geist verändert sich zunehmend. Dieser Blogeintrag soll aus der persönlichen Erfahrung eines (vielleicht? vielleicht auch nicht?) ehemaligen Gamers Einblick in meine Entwicklung gewähren.
Der Beginn einer Leidenschaft
Vielleicht stelle ich mich kurz vor. Geboren 1986 und zum ersten Mal mit Videospielen in Berührung gekommen im Jahre 1993 begann früh meine Passion für Videospiele. Meine Eltern schenkten mir und meiner Schwester einen Super Nintendo mit dem Meilenstein Super Mario World.
Meine Schwester - ganz ladylike - war wenig an dem Rumgehüpfe mit Dinosauriern und Pilzen interessiert und wandte sich lieber ihren Puppen zu. So hatte ich die Konsole für mich. Was folgte, war ein beispielloser Siegeszug...Sekunde...lassen wir das Gequatsche. Bei den Meisten fing doch alles irgendwann mit irgendeiner Konsole und irgendeinem Spiel an. Nur bei den einen blieb es eben beim Gelegenheitspielen, bei den anderen wurde es zum Hobby...zur Leidenschaft...oder gar zum Lebensstil. Ich landete irgendwo zwischen den letzten beiden Dingen. Ich habe in meinem Leben viele Videospielkonsolen besessen und war seit dem SNES in jeder "Generation" unterwegs. Dazu hatte ich in der Regel immer einen PC, der auf dem Stand der Technik war. Hauptsache mir entging kein Blockbustergame. Einige würden bzw. haben das mit dem Begriff Nerd beschrieben, für mich war/ist es einfach mein Hobby.
Nach dem Höhepunkt kam der Fall
Am nächsten war ich wohl einem Nerd in der Zeit nach meinem Abitur. Ich hatte drei Monate frei und konnte mich voll und ganz auf die ESL und mein Counter Strike: Source-Team konzentrieren. Es mündete darin, dass ich teilweise acht bis zehn Stunden täglich vor dem Computer saß und virtuelle Tode gestorben bin. Noch heute denke ich gerne an diese Zeit zurück. Ja, richtig. Da steht "gerne". Ich habe viele Freundschaften geschlossen, konnte nie geahnte Erfolge feiern und mir den ganzen Stress durch die Schule und die Abschlussprüfungen von der Seele zocken. Ich saß - entgegen jeglicher Hygieneempfehlungen und "sozialen Gepflogenheiten" von morgens bis Abends, Tag für Tag in den selben Klamotten, chipsessend und colatrinkend vor dem Rechner und starte auf die 60hz-Maschine. Wie wohl ich mich doch fühlte...
Im Anschluss an diese Zeit begann ich meine Berufsausbildung und musste meine Gaming-Aktivitäten auf den Abend reduzieren. Dazu kam der übliche Freizeitstress wie Freundin, feiern mit den Jungs usw. Ihr kennt das...
Videospiele nahmen zu diesem Zeitpunkt nur noch einen sehr überschaubaren Teil meiner Zeit ein und ich (in Ermangelung einer besseren Formulierung will ich es mal in nerdisch ausdrücken) "verlor meinen Skill". Durch die vorherigen sehr erfolgreichen Monate war ich, was den eigenen Skill betraf, sehr verwöhnt. Wenn man dann nur noch gelegentlich spielt und nicht mehr die Leistungen der Vergangenheit abrufen kann, ist das schon sehr frustrierend. War es jedenfalls für mich. Ich hatte nur noch wenig Lust und über einige Jahre beschäftigte ich mich - wenn überhaupt - eher mit Singleplayer spielen auf der Playstation oder Trinkspielen mit meinen Freunden.
Im Anschluss an meine Ausbildung begann ich in 2009 ein vier Jahre dauerndes berufsbegleitendes Studium, welches unter der Woche abends und am Samstag von morgens bis zum nachmittag meine Zeit in Anspruch nahm. Die mir noch zur Verfügung stehende freie Zeit war mehr oder weniger vollständig frei von Videospielen. So - zumindest erwartete ich das zu dem Zeitpunkt - sollte meine Gaming-Karriere also enden...
Resurrection?!
Kommen wir zur Gegenwart. Derzeit bin ich in einem zweiten berufsbegleitenden Studium, welches jedoch viel weniger zeitintensiv ist. Ich habe wieder einige freie Abende und auch mal freie Samstage/Sonntage. Nachdem ich mir Gedanken über eine zukünftige Freizeitbeschäftigung gemacht habe, wollte ich es noch einmal wissen. Ich gab meinem Rechner ein Rundum-Update und haute Steam auf die Schüssel. Als erstes wurde Counter Strike: Source installiert und gleich mal der nächste Public Server aufgesucht. Doch was ist da los? Ich kassiere wie ein erbärmlicher Anfänger. Die einfachsten Dinge klappen nicht mehr. Wie war noch mal die Steuerung? Ach ja. Moment...da kann man durchschießen? Stimmt! Wieso habe ich das vergessen? Ich dachte immer, das sei wie Fahrradfahren. Das verlernt man doch nie?!
Also setzte ich meine Frustgrenze extrem weit nach oben und spielte ein paar Stunden. Und siehe da - geht doch. Runde um Runde, Kill um Kill. Nach und nach blitzte das alte Talent wieder auf. Ein Headshot durch das Holztor, eine Prediction-Nade in die Katas mit doppeltem Frag zu meinen Gunsten. Das Getriebe war wieder geölt. Und plötzlich blinkte auch noch Steamfriends auf. Frühere Team-Mitglieder fragen, ob ich mal wieder eine Runde einlegen möchte. "Klar!" sage ich und lade mir ratzfatz die neueste Teamspeak-Version herunter. Ach, was tut das gut. Das Headset ist aufgesetzt, die alten Stimmen hallen durch den Teamspeak-Server. Ein Hauch von Nostalgie kommt auf. "Erinnerst Du Dich noch an damals?" werde ich gefragt und gleichzeitig bekomme ich ein YouTube-Video gelinkt.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt in der Lage bin mit meinen begrenzten Fähigkeiten als Schreiber die gerade in mir aufkommenden Emotionen zu transportieren. Aber die letzten Tage und Wochen waren wirklich sehr schön und haben mir viele gute Gefühle aus meiner früheren Nerd-Zeit wiedergegeben. Jetzt, nach einigen gespielten Matches kann ich sagen, dass ich meinen Zenit wohl überschritten habe. Die Reaktionen sind nicht mehr die schnellsten, das Aiming ist eingerostet und der Ehrgeiz vielleicht auch nicht mehr so groß. Dafür bin ich aber gelassener denn je, spiele überlegter und weniger gereizt. Wenn ich damals noch einen vermeintlich guten Schuss des Gegners mit Schmährufen und Unterstellungen von Betrug "gewürdigt" habe, sitze ich heute lächelnd vor dem Monitor und zolle meinen Respekt durch Schweigen (zugegebenermaßen spricht meine innere Stimme ab und zu in sanftem Ton zu mir "wusa junge, wusaaaa"). Ich bin wohl doch noch lange nicht weg von meinem Hobby...
Wie ergeht es Euch?
Mich würde interessieren, ob jemand ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Seid Ihr auch ruhiger geworden? Oder immer noch mit der gleichen Verbissenheit am Werk? Vielleicht habt Ihr Euer Hobby gänzlich an den Nagel gehangen und seid nur zufällig hier gelandet? Teilt mit mir Eure Erlebnisse. Ach so, ein kurzes Feedback wäre auch super. Ich liebäugel mit dem Gedanken, ein paar Reviews zu älteren Titeln zu verfassen. Kommt hier sowas überhaupt an?
Gruß
Euer Ben
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