Endless Space Rezension

Von Xenotone · 10. Juli 2012 · Aktualisiert am 11. September 2012 ·
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  1. „Endless Space“ versucht im momentan wieder heiß umkämpften Genre der 4X-Rundenstrategiespiele seinen eigenen Platz im Weltraum zu finden. Trotz Schwächen beim Militärsystem und der KI, kann es dank interessantem Wirtschaftssystem, guter Benutzeroberfläche und einem fairen Preis punkten.

    Szenario:

    Dem Spiel liegt eine Geschichte zu Grunde, dessen Muster für Genre-Kenner weithin bekannt sein sollte: Lange nach dem Untergang eines riesigen Imperiums, der namensgebenden „Endless“, machen sich verschiedene junge Völker auf, die Wiege des eigenen Sonnensystems zu verlassen, um die Weiten des Weltraums zu erkunden, zu besiedeln und letztendlich die Vorherrschaft mit wirtschaftlichen, technologischen, diplomatischen und kriegerischen Mitteln zu erringen. Sie treffen dabei nicht nur auf ihre unmittelbare Konkurrenz, mit denen sie handeln, Allianzen eingehen oder sich bekriegen können, sondern ebenso auf die Hinterlassenschaften eben jener „Endless“. Viel mehr wird hier nicht geboten, vermutlich aber auch nicht von den Spielern erwartet, und trotz des standardmäßigen und knappen Story-Rahmens wird man sehr gut in das Szenario des Spiels reingezogen. Das liegt auch daran, dass dem Spiel gut geschriebener Text spendiert wurde, der Völker und Technologien lebendig macht und teilweise wohltuend ironisch ist.

    Präsentation und Benutzeroberfläche:

    Gemäß dem Genre-Standard hat man zu Beginn einer Partie viele Einstellungsmöglichkeiten bezüglich der Beschaffenheit der Galaxie, welche Gegner anzutreffen sind, wie schnell neue Technologien erforscht werden können usw. Auch wenn man dem Spiel grundsätzlich anmerkt, dass es nicht von einer großen Spieleschmiede mit entsprechendem Budget stammt, so weiß es doch sich zu präsentieren. Die Galaxie wirkt farbenfroh und dynamisch ohne mit unnötigem Firlefanz zu blenden. Eigene und fremde Gebiete werden mit klaren Abgrenzungen eingefärbt, Menüs stellen sich trotz des unausweichlichen Excel-Charmes ansprechend für das Auge dar. Grafische Highlights sind die vorgerenderten Schlachten, die sich allerdings ihren Effektreichtum mit stark eingeschränkter Interaktion erkaufen, aber dazu später mehr. Keine Kritik hingegen lässt die Qualität der Hintergrundmusik zu, die mit ihren passenden elektronischen Klängen dem Sci-Fi Szenario mehr Tiefe verleiht. Toll!
    Ein Tutorial, das beim ersten Start einer Partie aktiviert wird, erklärt in aufploppenden Fenstern mit Text die verschiedenen Bildschirme/Knöpfe und ihre Bedeutung. Zu Beginn fühlt man sich dabei etwas erschlagen und nicht alle Symbole geben intuitiv zu erkennen, was sie jetzt genau bedeuten; Eine umfassendere Erklärung eventuell mit Videos wäre wohl besser gewesen. Allerdings steigt man dank des sehr aufgeräumten Designs dann doch recht schnell dahinter.
    Die Navigation zwischen Hauptkarte, Sternensystemen und den verschiedenen Untermenüs wie Forschungsbaum und Flottenansicht geht nach kurzer Eingewöhnungszeit sehr schnell von der Hand. Allgemein lässt die Benutzeroberfläche kaum Wünsche offen: Man weiß dank klarem Feedback immer Bescheid, was in seinem aufblühenden Reich gerade gut funktioniert und - viel wichtiger - was eben nicht funktioniert. Und wenn etwas Anpassung vonnöten ist, dann ist der Weg dahin meist nur ein bis zwei Klicks entfernt.

    Forschungs- und Wirtschaftssystem:

    Hier trumpft „Endless Space“ groß auf. Anders als zum Beispiel bei „Master of Orion 2“ liegt der Fokus mehr auf der Effektivität ganzer Sonnensysteme und weniger auf der Entwicklung einzelner Planeten. Natürlich haben auch in diesem Spiel Planeten unterschiedliche Eigenschaften und werden oftmals durch besondere Anomalien oder Ressourcen wichtig, allerdings wird die Generierung von Nahrung, Produktion, Forschung und Geld auf der Ebene ganzer Sonnensysteme abgewickelt. Verbesserungen werden bis auf wenige Ausnahmen generell für das gesamte System errichtet. Das mag erstmal einschränkend klingen, funktioniert aber sehr gut und man hat trotzdem sehr viel zu tun, um ein Sonnensystem effektiver zu machen.
    Das Entwickeln des eigenen Reiches ist dank der vorbildlichen Verzahnung von Forschung, Industrie und Wirtschaft hervorragend gelungen. Ständig gibt es neue Dinge zu tun und interessante Entscheidungen zu treffen: Forsche ich jetzt weiter nach besseren Besiedlungs-Technologien, damit ich mich weiter ausbreiten kann oder sollte ich lieber effektivere Waffen erfinden, damit meine Flotte der Piratenplage Herr wird? Soll der Planet ein Forschungskomplex werden oder brauche ich doch erstmal ein Finanzzentrum? Lohnt sich in diesem Sonnensystem die Verbesserung, die ich gerade erforscht habe, oder würde sie doch zu sehr an meinen Finanzen zehren? So oder so ähnlich geht es eigentlich ständig, auch im späteren Spielverlauf.
    Erschwert (und damit noch interessanter) werden diese Entscheidungen durch den starken Fokus auf strategische und luxuriöse Ressourcen, die in der gesamten Galaxis verteilt sind und erst nach der dafür benötigten Technologie enthüllt werden. Ressourcen gibt es viele verschiedene, die sowohl unmittelbare Boni auf die Leistung der jeweiligen Planeten haben, aber ebenso äußerst mächtige Vorteile dem kompletten Reich gewähren, falls man mehrere des gleichen Typs anhäuft. Zusätzlich setzen bestimmte Verbesserungen zwingend den Besitz von strategischen Ressourcen voraus. Hat man keine im eigenen Einflussbereich oder ertauscht sie sich von anderen Völkern, schaut man in die Röhre und fällt eventuell stark zurück. „Civilization“ lässt grüßen.

    Völker und Diplomatie:

    Die von dem Spiel vorgegeben acht Völker unterscheiden sich stark in dem Design ihrer Raumschiffe, ihrer Eigenschaften und der Art, wie sie sich am effektivsten spielen lassen: Die kriegerischen halb-insektoiden „Cravers“ zum Beispiel setzen ganz auf militärische Stärke, können keinen Frieden schließen und bekommen schnell wirtschaftliche Nachteile zu spüren, wenn sie in ihrem Kriegswahn nicht neue Sonnensysteme von anderen Völkern unter ihre Fittiche bekommen. Die forschungsorientierten „Sophons“ setzen dafür ganz auf raschen Fortschritt im Technologiebaum, schwächeln aber bei der Verteidigung ihrer Kolonien und dem Bau neuer Verbesserungen. Die maschinellen „Sowers“ hingegen sind Experten im Besiedeln und Bebauen von unwirtlichen Gegenden, brauchen aber ewig zum Erkunden und Erforschen und leben dadurch in ständiger Gefahr der Isolation.
    Das aus „Master of Orion 2“ bekannte Prinzip wird hier also konsequent angewandt und sogar weitergeführt; Auch das Erstellen von eigenen Völkern mit selbst ausgeklügelten Boni und Mali wird unterstützt und bietet damit umfangreiche Möglichkeiten der Anpassung. Nett ist, dass jedes Volk ein paar besondere Technologien erforschen kann, zu denen nur sie Zugang haben.
    Tritt man mit den Konkurrenten in Kontakt, ergeben sich umfangreiche Möglichkeiten des Austausches. Entsprechende Technologien vorausgesetzt, bietet das Spiel die üblichen Optionen wie Handel, Nichtangriffspakte und Allianzen. Nicht spektakulär, aber funktional.
    Ebenso nett sind die Helden, die man gegen entsprechendes Entgelt plus Dauergehalt anheuern kann, um sie entweder einer Flotte oder einem Sonnensystem zuzuweisen. Dort erhöhen sie dann die Effektivität in verschiedenen Bereich, deren Fokus man nach jedem Levelaufstieg bestimmen kann. Die Flotte kann dann zum Beispiel besser verteidigen oder ein Sonnensystem schneller erobern, ein Sonnensystem erhält dann eher Boni wie erhöhte Forschungsleistung oder einen Zufriedenheitsboost.

    Kampf und KI:

    Auch wenn es bis hierher so klang, als wenn „Endless Space“ nur Positives zu bieten hat, so glänzt nur sehr wenig im militärischen Aspekt des Spiels. Während man wie bei den meisten Spielen dieser Art die Schiffe im Editor bis auf ihr Aussehen nach Belieben designen kann, werden Schlachten hier nicht in rundenbasierter Form ausgefochten, bei denen man zugweise die einzelnen Schiffe befehligt, sondern sie laufen nahezu automatisch ab, selbst wenn man manuell eingreifen will. Wichtig für den Sieg sind dabei vor allem die auf den Schiffen montierten Waffen, Panzerungen und Unterstützungsmodule, die in den jeweils 3 Kampfphasen (Long Range, Medium Range und Melee) zur Geltung kommen. Der einzige interaktive Faktor ist dabei im Stile eines Stein-Schere-Papier Kartenspiels gehalten - Karten mit bestimmten Eigenschaften werden in den Phasen gegeneinander ausgespielt, so zum Beispiel eine Erhöhung des Raketenschadens oder die Errichtung von Barrieren. Durch neue Technologien und Helden mit besonderen Kampffertigkeiten werden zusätzliche Karten freigeschaltet.
    Nun kann man in der Tat durch geschicktes Ausspielen eine ansonsten unsichere Konfrontation zu seinen Gunsten ummodeln, allerdings leidet im Gegenzug das Gefühl der totalen Kontrolle. Zudem entwickeln die Kämpfe keinen starken taktischen Anspruch und sie fangen schnell an zu langweilen. Meistens drückt man bei einer anstehenden Schlacht und militärischer Überlegenheit dann doch auf den „Auto“ Knopf, denn das funktioniert gut und läuft viel schneller ab, als zum 10. Mal die schicken aber langatmigen Kämpfe anschauen zu müssen.
    Hinzu kommt, dass die KI zwar passabel sowohl auf der Strategiekarte als auch in den Kämpfen agiert, aber für Genre-Profis etwas zu leicht zu durchschauen ist. Natürlich bieten höhere Schwierigkeitsgrade größere Herausforderungen, aber nicht aufgrund der taktischen Bandbreite der gegnerischen Aktionen. In beiden Punkten ist deutlich Platz nach oben.

    Multiplayer:

    Das Spiel bietet einen Multiplayermodus, in dem man gegen andere menschliche Spieler, gegen die KI oder in verschiedenen Kombinationen antreten kann. Das System ist gut aufgebaut und ich konnte keine größeren Probleme wie Abstürze o.ä. feststellen. Bei der Erstellung einer Partie kann man sehr einfach eröffnete Spiele von Freunden auf Steam finden und ihnen beitreten. Außerdem werden öffentliche Spiele angezeigt, um bei Bedarf mit Fremden eine Partie zu wagen. Toll!

    Fazit:

    „Endless Space“ ist ein sehr lohnenswertes Spiel für Fans von Rundenstrategie im Weltraum geworden - zumal für den Preis. Es zieht sich bewährte Aspekte aus „Master of Orion 2“ und „Civilization“ und kombiniert sie nahtlos miteinander. Vor allem Genre-Freunde, die großen Wert auf Forschung, Aufbau und die Entwicklung des eigenen Reiches legen, werden sich für lange Zeit an den immer wieder interessanten Herausforderungen erfreuen können. Zudem bietet der Multiplayer-Modus genügend Möglichkeiten, sich mit anderen menschlichen Spielern zu messen, wenn einem die etwas eingeschränkten Fähigkeiten der KI zu durchschaubar geworden sind.
    Problematischer sieht es für diejenigen aus, die gerne Krieg führen und die totale militärische Kontrolle wollen. „Endless Space“ legt keinen großen Wert darauf und wird Hobby-Kriegsherren doch recht schnell langweilen, da kein großer taktischer Reiz vorhanden ist. Für wen dies essentiell ist, sollte doch lieber woanders nach neuen Herausforderungen schauen.

    "Endless Space" ist derzeit auf Steam für 29,99 Euro erhältlich

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