"Items on your wishlist are now discounted!"
Mit dieser Nachricht animierte mich GoG endlich einmal mit Icewind Dale ein Kapitel der Rollenspiel-Geschichte nachzuholen. Einen Spieleabend später muss ich jetzt einfach mal meinen Ärger loswerden und falls ihr dies hier lesen solltet, dann sage ich gleich: es ist ein Rant!
Wie bereits gesagt, geht es um die Enhanced Edition von Icewind Dale, welche nun endlich von mir zum ersten Mal gespielt werden sollte, da ich dieses Spiel früher schändlicherweise nie gekauft habe. Trotz meiner Liebe zu Baldurs Gate, seinem Nachfolger, Planescape Torment und den neuen Vertretern des Genres: Pillars of Eternity und Tyranny bin ich bisher nicht glücklich geworden.
Der Einstieg in das Spiel gefiel mir erst einmal sehr gut. Dass ich mir direkt zu Beginn nicht nur meinen eigenen Charakter, sondern gleich die ganze Abenteurergruppe selber zusammenstellen konnte fand ich super! Mit viel Liebe zum Detail achtete ich also auf eine ausgewogene Truppe inkl. Tank, Heiler, mehreren Damage Dealern und mit Blick auf den späteren Spielverlauf ein wenig Crowd Control. Mit einiger Rollenspielerfahrung ausgestattet, ging ich davon aus, dass meine Truppe nun erst einmal ziemlich "rocken" würde!
Wohl wissend, dass man zu Beginn eines sogenannten Infinity Engine Spiels erst einmal möglichst viel mit Steinschleuder und Bogen aus der Entfernung agieren sollte, waren die ersten Gegnertruppen auch kein Problem.
Zack, Zack, Zack -> Orcs tot -> Zufriedenheit macht sich breit!
Aber bereits nach kurzer Zeit kriegten die eigenen Mannen dann doch einmal Schaden ab und der eine (!) Heilzauber meiner Level 2 Klerikerin war natürlich leider kein 100% Heal AoE, sondern konnte genau einen Charakter um ein paar Punkte heilen. Super, wenn es zwischen den Encountern keine Möglichkeit gibt die Gruppe zu heilen außer teure Tränke zu schlucken oder zu rasten!
Überhaupt, das verflixte Rasten:
Was hat sich Bioware damals eigentlich gedacht? Nach jedem Encounter mit ein paar Gegnern erst einmal ein Lager aufschlagen, 8, 16 oder 24 Stunden schlafen, Wunden heilen, Rostbratwurst grillen und dann gehts irgendwann weiter zu den Gegnern, die schon direkt in 30 Metern Entfernung hinter der nächsten Ecke ungeduldig warten?! Da gibt man sich so viel Mühe mit dem "Rollenspiel" und die Glaubwürdigkeit wird mit einer solch bescheuerten Gameplay Mechanik wieder über Bord geworfen. Letzten Endes dauert das Rasten ja nur den kurzen Augenblick in dem man die kleine Videosequenz mit einem Mausklick wegklickt, aber dann steht da dieser unglaublich unglaubwürdige Satz: "You have rested for 8/16/xx hours." WTF?!
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass eine Gameplay Mechanik, der sie sogar ein kurzes Mini Rendervideo spendiert haben, für die allminütliche Kampferholung gedacht war. Es macht aus rollenspieltechnischer Sicht einfach keinen Sinn jedesmal Stundenlang zu rasten. Dabei wäre es so einfach gewesen das Ganze ein wenig glaubwürdiger zu machen. Oder soll die wenig epische Quest drei Fässer Wein aus einer Ogerhöhle zu holen wirklich mehrere Tage dauern?
Hätte der Satz nicht auch so heißen können?: "You have rested for a short while."
Hier macht es ein Pillars of Eternity, meiner Meinung nach, viel viel besser. Die Charaktere erholen sich prinzipiell selbstständig nach jedem Kampf. Wunden, die die Charakterwerte reduzieren, müssen aber manuell oder über das Rasten geheilt werden. Das Spiel wird dadurch nicht "vercasualisiert", reduziert den Nerv-Faktor des ständigen rasten Müssens aber auf ein erträgliches Maß, denn auch leicht oder mittel angeschlagen lassen sich die nächsten normalen Gegnertruppen erledigen. Rasten, um somit 100% kampftauglich zu sein, muss man also viel seltener oder möglichst direkt vor einem Bosskampf. Macht aus Rollenspielsicht ja auch deutlich mehr Sinn!
Und dann wäre da noch das Balancing:
Ein weiterer Aspekt der alten Infinite Engine Spiele der mich aus heutiger Sicht zur Weißglut bringt ist, dass viele der Klassen zu Beginn mehr oder weniger nutzlos sind. Ein Magier darf auf Level 1 genau einen (!) "mächtigen" (haha) Zauberspruch wirken bevor er zum weiteren zaubern erst einmal wieder rasten muss. (Habe ich zum Rasten eigentlich schon etwas gesagt?!!?!)
Daraus resultierend sind die meisten Zauber wirkenden Charaktere für die meiste Zeit schlicht und einfach Steinschleuder-Nutzer und man fragt sich, warum man nicht einfach 4 richtige Bogenschützen für die Gruppe erstellt hat. Geht ja zumindest bei Icewind Dale.
Klar, Progression muss über den Spielverlauf gegeben sein und man soll ja auch das Gefühl bekommen, dass die eigene Truppe immer mächtiger und schlagfertiger wird. Später ist es unerlässlich Zauber wirken zu können, Crowd Control und Heilung sind ein Must have. Bis es aber soweit ist spielt man stundenlang auf die gleiche Art und Weise: Ein, maximal zwei, Nahkämpfer "tanken", während die restlichen 4 oder 5 Charaktere mit besagten Steinschleudern oder Bögen die Gegner aufs Korn nehmen. Spannend ist das nicht wirklich! Und ganz ehrlich? Auch nicht anspruchsvoll!
Womit wir beim nächsten Punkt wären.
Was macht diese Spiele eigentlich so schwer?!
Gemischte Gegnertruppen aus Nah- und Fernkampfeinheiten mit Unterstützung von Magiern, die fiese Zauber entfesseln!
Das sind die Mob Gruppen, für die man alles aus seiner Heldengruppe herausholen muss. Im schlimmsten (oder besten?) Fall muss man die passenden Tränke einwerfen, genau wissen welche Konterzauber man einsetzen muss und seine Einheiten richtig auf dem Schlachtfeld platzieren.
So sehen die Momente aus in denen die Infinite Engine Spiele glänzen! Sie fordern einiges und sind ungemein befriedigend, wenn alles nach Plan gelaufen ist und man den Kampf überstanden hat. Dass ich solche Kämpfe auch mehrfach versuchen und neu laden muss gehört zum Spiel dazu. Ich muss erst einmal schauen was die Gegner können und den Kampf versuchen wie ein Puzzle zu lösen.
Ist man ehrlich, dann sind dies aber vor allem Bosskämpfe und einige bestimmte Gegnergruppen im späten Verlauf der Spiele. Den viel größeren Teil der Spielzeit sorgen ganz andere Dinge dafür, dass die eigene Heldengruppe in regelmäßigen Abständen ins Gras beißt!
Ein und derselbe Encounter können bei gleicher Strategie völlig unterschiedlich ausgehen. Durch das auswürfeln jeder Attacke im Hintergrund sind gerade zu Beginn der Spiele viele Encounter überhaupt nicht planbar. Bei meinem bisher kurzen Ausflug nach Icewind Dale musste ich feststellen, dass selbst mein Tank mit 19 Punkten in Constitution von zwei Orc Bogenschützen mit 2 Treffern umgehauen werden kann, noch während er auf die beiden zuläuft.
Tank tot -> reload -> zum zweiten Mal: Attacke!
Im zweiten Anlauf sind dann beide Orc Bogenschützen tot bevor der Tank bei ihnen angekommen ist. Beide haben dieses mal übrigens den Krieger verfehlt.
Versteht mich nicht falsch. All dies ist mir bereits vorher klar und ich bin mir über die D&D Wurzeln dieser Spiele bewusst. Dass hier das Würfelglück oft mitentscheidet ob ein Kampf gut oder schlecht ausgeht ist nun einmal so und wenn man das unerträglich findet sollte man die Spiele einfach links liegen lassen.
Beim aktuellen Ausflug nach Icewind Dale ist mir aber wieder bewusst geworden wie unglaublich frustrierend dieses ständige quicksave und quickload Nutzen im Vergleich zu aktuellen Vertretern des Genres ist. Noch vor ein paar Tagen habe ich Tyranny auf höchstem Schwierigkeitsgrad durchgespielt (wenn auch ohne Permadeath etc.) und auch wenn der Schwierigkeitsgrad hier schlicht und einfach nicht ganz so hoch ist wie bei Baldurs Gate I u. II (Icewind Dale wahrscheinlich auch) habe ich mich nie gefrustet gefühlt, denn Kämpfe wiederholen muss man hier nur, weil man etwa übersehen hat einen bestimmten Zauber als Konter zu wählen, den falschen Gegner getankt hat oder nicht früh genug geheilt hat. Sterben tun die eigenen Recken nur, weil man selber einen Fehler gemacht hat. Unfair ist Tyranny nie und "Pech" kann man dort Gott sei Dank nicht haben. Denn die Hintergrundwürfelei ist einem deutlich durchsichtigeren System geweicht. Mir gefällts!
Die Infinite Engine Spiele haben einen ganz eigenen Zauber und ich werde mich gleich wieder ins Schlachtgetümmel werfen und den Kampf so lange neustarten, bis ich ihn ohne tote Kameraden überstanden habe. Irgendwann ist mir das Würfelglück schon hold.
Trotzdem bin ich mir sicher, dass ich mich noch schätzungsweise 2-112 Mal darüber aufregen werde, dass einige Gameplay Entscheidungen aus meiner Sicht einfach völlig hirnrissig und frustrierend sind.
Spätestens wenn Torment: Tides of Numenera erscheint werde ich sicherlich aber wieder erleichtert aufatmen, dass RPG Entwickler gelernt und viele Ärgernisse der Klassiker nicht übernommen oder deutlich verbessert haben!
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