Ich lese immer wieder Konversationen auf Twitter, die mich stören. Stören aufgrund der Falschheiten und Ansichten die dort verbreitet werden, und die dort auf Resonanz derer stoßen, die diejenigen validieren, die ebendiese Aussagen verbreiten. Und nein, ich wandere nicht rastlos auf Twitter umher um die nächste Diskussion zu finden, bei der ich meinen Kopf gegen eine Wand donnern möchte, aber es passiert nunmal, dass Menschen, denen man folgt, Dinge teilen oder „liken“ und so scheinen diese „Dinge“ dann eben auch in der eigenen Timeline auf.
Folgende Aussage war Stein meines Anstoßes: „Hey Mädels, die denken Gamer wären frauenfeindlich, JEDER wird in Spielen beschimpft.“ Ja. Okay. Das stimmt, jeder wird in Spielen beschimpft. Problem dabei ist, dass die zwei Teilsätze in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden. Aber natürlich kann es damit nicht getan sein. Es folgte: „Zu sagen, die Szene hätte was gegen Frauen, würde heißen, sie wären kein Teil davon, was beleidigend und falsch ist.“.
Ich will mich an einer Dekonstruktion beider Aussagen versuchen. Wie gesagt: Ja, jeder wird in Spielen beschimpft, irgendwann im Onlineleben. Aber es wird versucht, die Angriffe auf Spielerinnen zu rechtfertigen, indem man vermeldet, dass doch jeder Opfer von Beschimpfungen würde. Das geht aber am Kern der Sache vorbei. Denn Frauen werden nicht einfach Opfer von Beleidigungen. Sie werden Opfer von sexistischen, misogynen, chauvinistischen Aussagen. Es ist ein Unterschied, ob ich jemanden als „Noob“ oder „*********“ oder „*********“ beschimpfe, oder diejenige bewusst wegen ihres Geschlechts abqualifiziere und abwerte. Frauen werden angegriffen weil sie Frauen sind. Mit sexuell abwertenden Beleidigungen und Herabwürdigungen. Frauen wird schon alleine ihres Geschlechts wegen weniger Fähigkeit im Spiel zugestanden, Frauen werden auf ihre körperlichen Merkmale reduziert und deswegen für weniger wert befunden.
Und ja, irgendwann wird jede/r als „Noob“ beschimpft. Irgendwann erfährt jeder, was das Gegenüber vom eigenen Skill denkt, und wie ebendieser geringgeschätzt wird. Aber nicht jeder erfährt von vornherein, dass er keinen Skill besitzt weil er eine Frau ist. Nicht jeder wird aufgefordert sexuelle Handlungen vorzunehmen, mit dem einzigen Ziel, die eigene Dominanz hervorzuheben. Wie oft werdet ihr damit konfrontiert, dass euer Mitspieler seinen Penis in euch versenken will? Wie oft werdet ihr dazu aufgefordert an den Herd zurückzugehen weil zocken könnt ihr eh nicht?
Viele dieser Beleidigungen spielen mit einem alten Stereotyp, einem unterdrückenden Bild der Frau, und es setzt das Geschlecht der Spielerinnen bewusst als Waffe gegen sie ein und qualifiziert sie aufgrund dessen herab. Das ist etwas anderes, als wenn jemand als „Idiot“ oder „Drecksdepp“ beschimpft wird. Und wenn jemand als „Schwuchtel“ oder „scheiss Homo“ beschimpft wird, ist das auch etwas anderes. Denn auch hier wird jemand bewusst aufgrund seiner/ihrer sexuellen Präferenzen bewusst herabqualifiziert und für schlechter befunden.
Aber was ist eigentlich mit der zweiten Aussage? „Zu sagen, die Szene hätte was gegen Frauen, würde heißen, sie wären kein Teil davon, was beleidigend und falsch ist.“ Auch hier wird wieder eine Aussage mit einer anderen Aussage gemischt, zu einem unlauteren Argument. Frauen sind Teil der „Szene“, es gibt Spielerinnen, laut Statistiken sogar sehr viele. Aber das heißt nicht, dass die „Szene“ nicht Antipathien gegen Frauen hegen kann. Zu keinem Zeitpunkt bedeutet das, dass Frauen nicht Teil der Gemeinschaft wären, sie haben nur mit großem Gegenwind innerhalb ihrer eigenen Community zu kämpfen. Videospiele waren lang eine Männerdomäne. Und jetzt, da sich diese Domäne dank ihres Vordringens in die Popkultur immer weiter öffnet brechen alte Ressentiments aus den alteingesessenen Mitgliedern immer stärker hervor oder sind Teil einer doch nicht so gleichberechtigen Gesellschaft.
Das Silicon Valley hat mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Lang war die Tech-Industrie eine Männerdomäne mit geringstem Frauenanteil. Und so tauchen Pamphlete auf, die Frauen degradieren, Berichte darüber wie mit Frauen umgegangen wird. Das heißt nicht dass Frauen sich nicht wehren können, oh das können sie, aber dass diese Perspektive auf Frauen eine zutiefst veraltete und chauvinistische ist, gerade in diesen Domänen die so lang exklusive Männerhorte waren. Und auch im Silicon Valley gibt es natürlich Frauen, und sie sind Teil dieser Technikkultur. Das bedeutet aber nicht, dass es beleidigend ist zu behaupten, dass die Technikwelt sexistisch ist. Nämlich vermutlich noch sexistischer als viele andere Berufe. Und das bedeutet auch nicht, dass Frauen nicht Teil dieser Welt sind, wenn dieses Verhalten ihnen gegenüber kritisiert wird. Es heißt nur, dass innerhalb dieser gemischten Gesellschaft, Frauen generell weniger akzeptiert werden, mit mehr Problemen zu kämpfen haben.
Und am Ende kann ich nur spekulieren, und zwar darüber, wie viel häufiger jemand mit offensichtlich weiblichem Gamertag, offensichtlich weiblicher Stimme, grundsätzlich beleidigt wird, und zusätzlich, aufgrund des Geschlechts beleidigt und herabgewürdigt wird, wie oft weibliche Streamer zu sexuellen Handlungen aufgefordert werden, oder auf ihre geschlechtsspezifischen Merkmale angesprochen werden. Die Behauptung all das würde nicht passieren, verschließt die Augen vor den tatsächlichen Problemen in der Gamingcommunity und, im weiteren Sinn, der Welt. Denn nur wenn wir, als Teil dieser Gesellschaft, diese Probleme auch erkennen und uns klar davon distanzieren und diejenigen abstrafen und kritisieren, die sich so verhalten, können wir uns weiterentwickeln und diese Dinge wirklich hinter uns lassen.
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