Christian Schmidt hat einen interessanten Gastartikel für die GameStar verfasst. Als erstes möchte ich der GameStar mal gratulieren: Ihr habt den Artikel praktisch unkommentiert und, das ist zumindest eine berechtigte Annahme, ungekürzt veröffentlicht.
Worum gings im Groben? Um die Beeinflussung im Kleinen. Wie sich Publisher die professionelle Spielepresse nach und nach zu reinen Werbeträgern heranzüchten. Der Artikel war als Antwort gemeint auf das Video in dem die GameStar Redaktion Stellung bezieht zum Thema käufliche Wertungen.
Ich gebe Herrn Schmidt Recht: Bestechung beginnt im Kleinen. Ein Kunde hat mir letzte Woche eine Packung Mozarttaler geschenkt. Ich sehe das mit Wohlwollen. Er kriegt dafür sicher keinen besseren Preis aber ich werde sein Werkzeug etwas früher ausliefern als das von einem anderen Kunden der mir persönlich verhasst ist. Das ist eine bewusste Entscheidung und geprägt von Sympathie.
Hätte dieser Kunde mir aber einen Packen hundert Euro Scheine vor die Nase gehalten hätte ich ihn hochkant rausgeschmissen.
Ich glaube im Grunde ist es bei den meisten Menschen so: Wir lassen uns gerne umwerben. Aber wir lassen uns nur ungern kaufen. Diesbezüglich gebe ich Herrn Schmidt also Recht.
Allerdings ist der gute Mann bei einigen anderen Dingen gewaltig auf dem Holzweg:
Spielehersteller verhängen Embargos und schützen somit große, institutionalisierte Magazine vor kleinen Konkurrenten die eventuell schneller sind.
Diese Behauptung halte ich für sehr gewagt. Genau das Gegenteil ist der Fall: Die Tester von GameStar können ein Spiel schon wochenlang testen bevor es im Handel ist. Dennoch wird mein Test - wenn mich ein Spiel interessiert und ich es schon bei Release kaufe - nur wenige Tage nach Ihrem erscheinen.
Nehmen wir zB Age of Wonders 3. Hätte es hier ein Test-Embargo gegeben hätte GameStar seinen Test erst am 1.4.2014 veröffentlichen dürfen. Mein Test war am 10.4.2014 als Lesertest draußen. Yeagers Test sogar schon am 8.4.2014.
Ob käuflich oder nicht: Die Spieleredaktionen werden immer mit dem Vorwurf leben müssen käuflich zu sein. Einfach deswegen weil sie diesen Job professionell machen und davon abhängig sind als Erste über irgendetwas berichten zu dürfen.
Würde GameStar jedes Spiel von Ubisoft oder EA zerfetzen würden die schon bald keine Einladungen mehr zu Pressevorstellungen mehr kriegen. Das würde dann zwar auch einiges über die Qualität eines Spiels aussagen wenn ein kritischer Tester einfach erst gar nicht eingeladen wird aber damit kann man keine Seiten füllen.
Und damit sind wir auch schon bei der Quintessenz: Man hat als Spieletester sicher keine Verpflichtung den Publishern gegenüber. Aber man hat bei GameStar, PC Games und Co. sicher immer im Hinterkopf das man leider auch ein bisschen von deren Wohlwollen abhängt.
Und gemeinsam mit den Embargos bedeutet genau diese Tatsache das die Spieleredaktionen ordentlich an Boden verlieren. Für professionelle Tests braucht man, wenn man bereit ist ein paar Tage zu warten, keine GameStar und auch keine PC Games. Diese Informationen gibt es auch kostenlos und oftmals genauso professionell auch von Leute die das als Hobby machen. Die Seite fResort.com ist hierfür ein tolles Beispiel: Die Artikel stehen dem Layout eines professionellen Printmagazins teilweise in nichts nach und dadurch dass dort einige der besten ehemaligen Lesertester (zB der gute, alte Firewind) der GameStar veröffentlichen ist der Konkurrenzdruck einen möglichst guten Artikel abzuliefern extrem groß. Auch die Testvideos (wie von Tom) sind auf allerhöchstem Standard und brauchen sich vor der Bezahlpresse nicht verstecken.
Wir sind übrigens niemals käuflich: Da wir nie auf Presseveranstaltungen eingeladen werden, für das Spiel immer die volle Latte zahlen müssen und auch keine Dienstreisen bezahlt bekommen werden wir Hobbytester immer das schreiben was wir wirklich über ein Spiel denken. Das muss nicht unbedingt objektiv oder fair sein. Aber zumindest ist es etwas hinter dem wir stehen.
Eine Packung Mozarttaler macht aber zumindest bei mir natürlich einiges möglich...
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