Meinung und Spekulation: Warum die Gegenwartshandlung von Assassin's Creed so zerbröselt ist

Von Tetsu Fierro · 2. Februar 2020 ·
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  1. Anmerkung vorweg: Diesen Beitrag habe ich ursprünglich als Kommentar zu einem Video von Gamesground geschrieben. Darin ging es um die verpassten Chancen der Gegenwartshandlung in der Spieleserie Assassin's Creed.
    Meine Meinung ist doch dann schnell sehr ausschweifend geworden und ich habe mich in spekulativen Erklärungen versucht. Dieser Text ist jedoch abgewandelt und wird sich richtig als Meinungsartikel lesen, der zwar auf das Video bezug nimmt, jedoch kein einfacher Kommentar mehr darauf ist.

    Kurze Zusammenfassung der Gegenwartshandlung in Assassin's Creed:
    Assassin's Creed hatte einst eine durchgehende Gegenwartshandlung, die die Handlung der Vergangenheit rund um den Krieg zwischen Templern und Assassinen, in unsere Gegenwart transportiert hat. Dabei erlebten wir, wie Hauptfigur Desmond Miles als Gefangener der Templer in diesen Krieg hineinrutschte, den Animus kennen lernte um die Vergangenheit seiner Vorfahren zu durchleben, mit seiner Befreierin und Mit-Assassinen Lucy Stillman flirtete, diese unter Zwang dann umbringt und die coolen Fähigkeiten seiner Ahnen erlernte, nur um sich dann nach 5 Titeln im großen Finale in Teil III durch Handauflegen antiklimatisch einfach so zu opfern und die Menschheit zu retten.
    Nach Desmonds Tod spielte man dann zwei mal unbestimmte Personen aus der Ego-Persoektive, wovon Ego Nr. 1 von den Assassinen angeheuert wurde und Ego Nr. 2 von den Templern. Dann war man kurz Gamer zu dem sich die Assassinen gehackt haben und zu guter Letzt sind wir jetzt Layla Hassan, ehemalige Entwicklerin am Animus und Überläuferin von den Templern zu den Assassinen. Tja und warum ich jetzt weiter nicht so viel zu ihr sagen kann, dazu komme ich später. Jetzt aber erst mal ein Erklärungsversuch, warum sich Ubisoft weg von Desmond Miles hin zu Layla Hassan bewegt hat.

    Zuerst aber die Frage: Warum ist die Gegenwartshandlung in Assassin's Creed so zerbrochen?
    Grade in Teil 1 und 2 schien sie doch sehr aufeinander abgestimmt. Ich denke das hat sehr viel damit zu tun, was in der Realität rund um die Serie passiert ist.
    Ich vermute einmal ein Problem wie bei Monkey Island. Dort ist Monkey Island-Erfinder Ron Gilbert nach Teil 2 ausgestiegen. Und hat somit auch das Geheimnis auf ewig mitgenommen, was eigentlich das Geheimnis von Monkey Island ist, von dem in der Serie die Rede ist. Ebenso wie bei Assassin's Creed II, wo Serienerfinder Patrice Desilets sich mit Ubisoft überworfen hat. Denn die übergeordnete Serienhandlung lief zum Beispiel auch in den sich in Teil II und Brotherhood befindlichen Glyphen-Rätseln ab. Wer alle Glyphen in Teil II gelöst hat bekam ein Video wo Adam und Eva mit dem Edenapfel aus einer Städte der ersten Zivilisation flohen, was den Anfang, der freidenkenden Menschen in Assassin's Creed darstellt. In einem Glyphen-Rätsel wird aber noch etwas weiteres einfach mal nebenbei angedeutet. Nähmlich, dass Assassinen von Halbgöttern abstammen. Ein Handlungselement, was dann später Odyssey aufgreift.
    Glyphen gab es dann weiter auch in Brotherhood, wo es um den Einfluss der Templer in Form von Überwachung und Politik im Jahre 2012 ging.
    Glyphen gab es aber nicht mehr in Revelations. Ich vermute das Finale sollte krasser ausfallen und Glyphen, Vergangenheits- und Gegenwartshandlung zusammenführen. Ein bischen wie Revelations es gemacht hat mit Ezio, der, als zweiter Vergangenheits-Protagonist der Serie, die Erinnerungen von Altair, dem ersten Vergangenheits-Protagonist der Serie, erlebt.
    Aber dazwischen kam halt der Bruch vom Serienerfinder mit Ubisoft. Das heißt was auch immer als ursprüngliches Konzept existiert haben mag, falls es eins gab oder wie weit Desilets es überhaupt mitgeteilt hat, wurde über Bord geworfen.

    Lucy Stillman, erst beflirtet, dann ermordet:
    Wie bereits erwähnt gab es eine wichtige Figur Namens Lucy Stillman. Erst Love Interest für den Helden, dann tötet er sie unter Zwang selbst. Viel Trauer gibt es nicht. Wie Gamesground in seinem Video oben anspricht hat man sehr lieblos versucht das mit einer Sequenz in einem DLC zu Revelations zu klären. Darin wird verraten, dass Lucy eine Doppelagentin der Templer war mit dem Auftrag, die Assassinen zu infiltrieren. Wer jetzt wie Gamesground der Meinung ist, dass sowas ins Hauptspiel gehört, dem gebe ich absolut recht. Erklärt aber immer noch nicht, warum dieser wichtige Handlungszweig nur im DLC veröffentlich wurde. Meine Vermutung ist eine sehr kundenunfreundliche Firmenstrategie.
    Man darf nicht vergessen was Ubisoft sich regelmäßig unverschämtes mit seiner DLC-Politik erlaubt. In ACII waren zwei ganze Story-Kapitel nur als DLC erhältlich. In einem DLC zu Brotherhood gab es mehr mit dem bei Fans sehr beliebten Leonardo da Vinci, der dafür etwas knapp im restlichen Hauptspiel Brotherhood gehandhabt wurde.
    Da passt der Lucy-Abschnitt, der nur in einem DLC angeboten wird, in meinen Augen, sehr gut ins Bild. Und Ubisoft hat auch nicht damit aufgehört. In Odyssey werden sehr wichtige Abschnitte mit der ersten versteckten Klinge, der Markenzeichen-Waffe der Assassinen, und das in Odyssey angeteaserte Atlantis etwa nur als DLC angeboten.

    Manchmal ist es einfach nur das liebe Geld (Vorsicht, dieser Abschnitt hier ist nach wie vor nur eine Mutmaßung und Theorie):
    Ich spekuliere jetzt einfach mal, dass das herauschreiben von Lucy auch sehr viel mit Budget-Einsparung zu tun haben könnte. Man darf nähmlich nicht vergessen, dass die Darstellerin von Lucy, Kristen Bell, schon 2006/2009 eine sehr gefragte Schauspielerin war. Dann noch bereits im dritten Teil (Brotherhood, wo sie getötet wurde) einer Serie, wo sie zu den wichtigsten Figuren gehörte. Wer weiß wie hoch ihre Gage war.
    Selbes könnte auch Desmonds verändertes Aussehen in ACIII erklären. Vielleicht wollte man seinem Model, Francisco Randez, keine Tantiemen mehr zahlen oder die Figur allgemein unbeliebter machen, weil sie noch aus Desilets Ursprungsidee stammte. Wofür auch der echt beschissene und antiklimatische Tod sprechen könnte. Selbes könnte natürlich auch für die Figur Lucy Stillman gelten. Fast so als hätte Desilets die Serie in eine Situation hineinentwickelt, aus der das Team ohne ihn dann alles wieder hinausentwickeln musste. Denn Desmond passte auch nicht mehr zur zukünftigen Verkaufsstrategie Ubisofts. Wie Gamesground ebenfalls in seinem Video anspricht, ein Ende für AC in ACIII damals hätte auch theoretisch ein Ende für eine sich gut verkaufende Spielereihe bedeuten können. Und das wollte Ubisoft natürlich nicht.
    Ich denke nähmlich der Schwenk auf Amerika mit III, Black Flag und Rogue war ganz klar um die Verkaufszahlen zu erhöhen. US-Amerikaner, als wichtigste Kunden, kaufen nun mal am liebsten, was US-Amerikaner kennen und/oder in den USA spielt. Und ACIII war mit damals 12 Millionen Einheiten der best verkaufteste Titel der Reihe. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg wurde schon lange herbeigewünscht und bis heute bewegt sich die Serie mit seinen Hauptteilen in eher europäischen und amerikanischen Gefilden. Oder ansonsten, was diesen Gefilden bekannt ist: siehe Teil 1 im dritten Kreuzzug und Origins im Antiken Ägypten.
    Es gibt zudem ein drittes Zeichen, dass Ubisoft das Budget gut handhaben muss und musste. Bis Brotherhood hat Jesper Kyd den Soundtrack gemacht. In Revelations dann zusammen mit dem bekannten Lorne Balfe, der dann in III alleine den Hauptsoundtrack gemacht hat. Doch alle die danach kamen, waren keine so großen Namen. (Zumindest spekuliere ich das wie gesagt nur indem ich Bekanntheit und Gage gleich setze, die mir natürlich nicht bekannt sind.)

    Das "Heute" in den Spielen, mit Layla Hassan:
    Warum Ubisoft jetzt so wenig mit der Gegenwartshandlung macht, dazu kann ich weiterhin nur Vermutungen anstellen.
    Vielleicht traut sich Ubisoft nicht und will sich nicht verhaspeln, wie bereits bei Desmond Miles.
    Oder sie trauen sich sehr viel und tasten sich nur behutsam heran und testen grade aus. Stichpunkt "US-Amerikaner kaufen am liebsten". Denn Desmond Miles war US-Amerikaner. Er war also eine gute Identifikationsfigur für die weißen, us-amerikanischen Spieler. Jetzt spielt man hingegen eine Nordafrikanerin mit arabischem Namen. Was so überhaupt nicht mehr dem sehr weißen, us-amerikanischen Assassinen-Team rund um Desmond Miles entspricht. Es könnte auch einfach mit ein Wandel der Zeit sein, Spielecharaktere weniger weiß und weniger männlich zu machen.
    Oder sie lassen die Gegenwartshandlung nur als Teaser drin. Für die, die schon damals immer mehr wollten und von einem Assassin's Creed rein in der Gegenwart geträumt haben. Also als eine Art Nostalgie-Bonus für die Fans.
    Oder rein als Mittel zum Zweck. In Origins hat man mit der Gegenwartshandlung den damals erschienen Kinofilm "beworben". In Odyssey wurde mit der Gegenwartshandlung gezeigt, wie die Hauptfigur nach Ende des Spiels unsterblich wurde, den Stab an Layla Hassan weitergegeben hat und dann ohne ihn einfach starb.
    Damit kommen wir nähmlich zu dem Punkt, warum ich am Anfang meinte ich könnte nicht mehr so viel zu Layla Hassan sagen. Denn sie entspricht in meinen Augen eher einem Werkzeug, dass anderen Elementen irgendwie helfen soll. Deswegen hat die Gegenwartshandlung im Moment in meinen Augen auch so ein Problem in der Serie. Sie existiert nur für etwas anderes. Nie gleichzeitig für sich selbst.
    Vielleicht nicht immer offensichtlich hat die Gegenwartshandlung also schon einen Nutzen. Ich bin mal böse und behaupte: Die Gegenwart kittet was gekittet werden muss. Einen neuen Film. Die Narrative des Spiels. Comics (Daniel Croos, der in III ganz plötzlich als neuer Antagonist auftaucht kommt aus 2 Comics. Seinen Auftritt hat er logischerweise in der Gegenwartshandlung. Wird aber kaum eingeführt und erklärt).

    Soweit zumindest meine Gedanken zum aktuellen Stand von der Gegenwartshandlung von Assassin's Creed. Ich könnte jetzt einen Blick in die Zukunft wagen und noch so einiges behaupten. Doch denke ich macht das erst wieder Sinn, wenn Ubisoft das nächste Merchandise anbieten will, dass in den Kanon der Hauptspiele eingewoben werden soll.

    Über den Autor

    Tetsu Fierro
    Behauptet des Lesens und Schreibens mächtig zu sein.
    Hat auch schon mal etwas gespielt.

    Wundert sich sehr darüber, dass es noch keine gescheite Videospielumsetzung zu "Die 3 Musketiere" gibt.

Kommentare

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