Mortal Shell im Lesertest (als Podcast)

Von nummer47 · 6. Mai 2021 ·
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  1. Hallöchen.

    Vor einigen Jahren habe ich auf gamestar.de Lesertests veröffentlicht. Das war immer eine große Freude, weil mir das Schreiben und Zusammentüfteln des richtigen Textes immer Spaß gemacht hat. Das ganze setze ich mittlerweile in Form von Review-Folgen meines Podcasts um, wo ich nicht nur einen Text schreiben muss, sondern ihn später auch noch einsprechen muss. Immer unterstützt mit passenden Einspielern. Das macht mir persönlich mehr Spaß als das pure Schreiben, da das Endergebnis nun nicht nur in purer Textform existiert, sondern für euch alle hörbar ist. Und ein kleiner Vorteil: ich muss nicht mühsam Screenshots aufnehmen, sondern kann bequem auf die Share-Taste drücken. Aktuell habe ich mich auf Mortal Shell gestürzt um es abschließend in Podcastform zu gießen.

    Hört mal rein....viel Spaß dabei: Youtube-Video des Podcasts
    Den Podcast gibts auch hier: klick
    oder auf Spotify und iTunes.

    Danke für eure Aufmerksamkeit

    P.S. Für alle, die jetzt trotzdem lieber einen Text lesen wollen, als sich das alles als Podcast anzuhören....bitteschön. Nachfolgend der eingesprochene Test:

    Manchmal ist es schwer. Also ein Spiel. Und manchmal auch ein Test. Denn wie fängt man am besten an? Hat man etwas an dem man sich erstmal abarbeiten kann? Fängt man schnöde mit dem Entwickler, dem Setting oder doch dem offensichtlichsten, weil sichtbarsten, der Grafik an? Unwissenheit macht sich beim Autor dieser Zeilen breit. Wobei das schon wieder ganz passend ist, denn da haben wir, oder besser gesagt, ich, eine Einleitung. Denn bei dem heutigen Spiel Mortal Shell, einem Soulslike, ist der Spieler genauso unwissend wie die Spielfigur, die wir verkörpern. Na dann Feuer frei!

    Obwohl das auch schon wieder nicht richtig ist, denn geschossen wird in Mortal Shell nur sehr sehr selten. Aber ich bleibe lieber erstmal bei dem ersten Punkt: Der Unwissenheit. Es gibt den schönen Ausspruch „Nichtswissen macht nichts“ und dieses Motto trieft bei Mortal Shell aus jeder Pore.

    Man steuert eine aschfahle, weiße, geschlechtslose Figur, die später nur „Findling“ genannt wird durch eine düsteres Fantasysetting und wissen nichts. Wir wissen nicht wohin wir müssen. Was das alles hier soll und was der komische Pilz, ein Quaddelkäppchen, den wir am Wegesrand finden und natürlich mitnehmen überhaupt macht. Man fühlt sich etwas verloren, zumal das erste Gebiet welches man betritt sehr groß, aber auch sehr verwinkelt ist. Aber das soll so sein. Wie eingangs erwähnt, die Spielfigur ist unwissend, dann bist du es lieber Spieler bitteschön auch. Das Spiel nennt das bei Gegenständen selber „Vertrautheit“. Bei dem erwähnten Pilz, dem Quaddelkäppchen, hat man zu Spielbeginn eine Vertrautheit von null. Null von 10 um genau zu sein. Benutzen wir den Pilz, steigt die Vertrautheit auf Stufe 1 und wir erfahren seine Eigenschaft: er heilt uns. Über einen bestimmten Zeitraum schenkt er uns ein paar Lebenspunkte. Gut zu wissen, denn jetzt wissen wir, wo wir Heiltränke herbekommen. Also zumindest sowas in der Art, denn richtige Heiltränke, wie in anderen Souls-Spielen, die sich auch nach jedem Tod wieder auffüllen, gibt es in Mortal Shell nämlich nicht. Dafür wachsen die Pilze, wie auch im echten Leben, wieder nach. Nach ca. 3 Minuten steht ein neuer Pilz am gleichen Standort und wartet darauf wieder gepflückt zu werden. Ok, im „Real Life“ dauert es länger als 3 Minuten, aber was passiert jetzt wenn man mehr Pilze futtert? Die Vertrautheit steigt bei jedem Pilz um eine Stufe und bei Stufe 10, dem Maximum, heilt das liebgewonnene Quaddelkäppchen die Lebenspunkte über einen schnelleren Zeitraum.

    Ok, ich habe jetzt vielleicht ein wenig zu viel über Pilze geredet, aber das erwähnte lässt sich halt auf jeden Gegenstand anwenden, den man im Spiel trifft. Man bekommt einen Gegenstand und weiß nicht was er macht. Man hat vielleicht eine Ahnung, aber nie die Gewissheit. Auch ist die Menge an Vertrautheit, die man bei jeder Benutzung gewinnt zum Beispiel unterschiedlich. Ein weiteres schönes Beispiel: ebenfalls im ersten Gebiet findet man einen weiteren Pilz, eine Tarspore. Cool, dachte ich mir, sicher auch zum Heilen, nur eben auf ne andere Art. Pustekuchen! Ich hab ganz schön große Augen gemacht, als mein Lebensbalken plötzlich grün wurde und schrumpfte. Die Tarspore fügt nämlich Giftschaden über Zeit zu, hob die Stufe der Vertrautheit aber gleich auf 5 von 10 an. Aber wozu nochmal so ein Ding fressen, dachte ich mir? Egal, Augen zu und durch. Also kurz geheilt und um erneut wiederwillig in die Tarspore zu beißen…..und? Sie machte keinen Giftschaden. Schließlich bin ich jetzt der große Pilzkenner. Tarspore? Werde ich manchmal gefragt. Nun wenn man mit ihr Vertraut ist, macht sie einen für 2 Minuten immun gegen Giftschaden. Bäm!

    Die Vertrautheit kann im Spiel also nicht nur den Effekt verstärken, den ein Gegenstand hat, sondern ihn auch komplett auf den Kopf stellen. Also den Effekt, nicht den Gegenstand.

    Ja und was macht man nun in Mortal Shell, außer Pilze sammeln? Mortal Shell ist, ich erwähnte es bereits am Rande, ein Soulslike, benutzt aber hier und da eigene interessante Ansätze und Ideen.

    Zu Beginn des Spiels können wir uns zum Beispiel keinen Charakter erstellen, wir sind einfach diese weiße, nur aus weißem Fleisch und Knochen bestehende Figur. Recht schnell finden wir am Wegesrand einen toten Ritter, den wir mit samt seiner eindrucksvollen Rüstung kurzerhand einnehmen. Damit haben wir unsere erste von insgesamt 4 Hüllen gefunden in die der Findling schlüpfen kann. So umgeht das Spiel einen Charaktereditor und bietet dem Spieler auf diese Weise gleichzeitig 4 mögliche Spielarten bzw. Charaktere an. Diese Hüllen lassen sich im Turm von Falgrimm oder über bestimmte Gegenstände wechseln. Zu den Hüllen selber hat man, wie sollte es anders sein, natürlich auch keine Vertrautheit. Wen man sich also gerade „angezogen“ hat, weiß man nicht. Schwester Genesa, die man ebenfalls im Turm von Falgrimm findet, und die den Charakter auch immer Findling nennt, kann uns hier glücklicherweise weiterhelfen.

    Für 500 Tar, die Währung in Mortal Shell, erfahren wir wessen toten Körper wir da angeschleppt haben. Also naja, wen wir da halt gerade benutzen. Tar bekommen wir von jedem besiegten Gegner und wir verlieren auch alles, wenn wir sterben und beim Versuch es zurückzuholen scheitern. Das ist typisch für Soulsspiele und auch Mortal Shell erfindet das Rad hier nicht neu. Dafür aber bei der Charakterentwicklung. Schließlich „borgen“ wir nur fremde und dazu noch eigentlich schon tote Körper. Deswegen können wir nicht im klassischen Sinne leveln, sondern können nur bei Schwester Genesa in einem charaktereigenen Fertigkeitsbaum verschiedene Vorteile freischalten. Mehr Lebenspunkte zum Beispiel, oder kein Ausdauerverlust beim Rennen. Zu jeder Freischaltung, auch zur Hülle selbst, bekommen wir noch einen kleinen Text präsentiert, der uns tiefer in die Lore des Spieluniversums eintauchen lässt.

    Die Hüllen unterscheiden sich im Übrigen in der Haltbarkeit, also dem Leben, der Ausdauer und ihrer Entschlossenheit. Die benötigt man zum Kontern und für mächtige Waffenfertigkeiten. Denn Kontern sollte man können, oder besser gesagt parrieren, denn einen Schild oder etwas Vergleichbares gibt es nicht. Hat man genug Entschlossenheit, wird eine Parade immer in einen stylischen Konter umgewandelt, der zudem noch einen kleinen Boni mitbringt. Der hängt vom ausgerüsteten Siegel ab, welches uns beispielsweise noch heilt oder uns für kurze Zeit in einen feurigen Racheengel verwandelt.

    Das fehlende Schild ersetzt Mortal Shell durch eine weitere Eigenheit. Der Charakter kann sich verhärten. Heißt: egal in welcher Situation, es ist jederzeit möglich sich selbst per Tastendruck in eine Art Steinsäule zu verwandeln. Lässt man die Taste los, ist man nicht nur wieder quicklebendig, man führt auch die begonnene Aktion zu Ende, einen Angriff zum Beispiel. Die Verhärtung wird zudem auch aufgelöst, wenn man von einem Gegner getroffen wird. Der Gegner taumelt dabei meist ein Stück zurück, was einem selbst Zeit für einen Gegenangriff gibt. Oder man war bereits im Angriff, holt aus, verhärtet….und wartet…der Gegner trifft einen, taumelt zurück und man selbst macht die begonnene Aktion zu Ende, greift also instant an. Ein schönes Alleinstellungsmerkmal von Mortal Shell, welches aber teilweise zu überpowert ist. Denn schon mit der ersten von 4 Waffen, ja auch hier ist weniger mehr, lernt man einen viel zu mächtigen Sprungangriff. Und man kann jederzeit verhärten. Jederzeit. Also auch während des Sprungangriffs, in der Luft schwebend. Schwerkraft? Pah! Muss hier nicht erklärt werden. Einer der 3 Endgegner greift an und ZACK! Sprungangriff geglückt, kurz nachdem die menschgewordene Steinsäule, also die steingemachte Menschsäule, also unser Protagonist vom Endboss getroffen wurde. Keinen Schaden genommen, Boss getroffen. Ja, die Verhärtung hat einen kleinen Cooldown, aber der beträgt gerade mal 3 Sekunden. Mortal Shell hat neben diesem noch andere Balancingprobleme. Ein Dark Souls ist beispielsweise schwer, aber nie unfair. Sagt zumindest die Presse, nicht meine Meinung. Mortal Shell hat aber manch unfaire Stellen, die sich am Ende in der Wertung wiederspiegeln.

    Die Hüllen geben dem Spiel im Übrigen noch eine weitere letzte Besonderheit. Man kann einmal sterben, wobei sterben hier nicht der richtige Ausdruck ist. Fällt der Lebensbalken auf null, wird der Findling aus der Hülle rausgeschleudert. Hülle und Gegner verhärten in diesem Moment für eine kurze Zeit. In der hat man nun die Chance wieder in die Hülle zu schlüpfen um sich mit vollem Lebensbalken wieder in den Kampf zu stürzen. Erst bei einem erneuten dahinscheiden, wacht man bei Schwester Genesa auf um seine Seelen, entschuldung, seinen Tar wieder zurück zu holen.

    Mit Mortal Shell hat Entwickler Cold Symmetry ein, wie ich finde, wunderschönes Souls-Like erschaffen. Ihr Erstlingswerk hebt sich durch eigene Gameplayideen und Ansätze angenehm von anderen Spielen dieser Art ab. Das man nicht leveln kann fand ich zu Beginn komisch, aber irgendwann sinnvoll, schließlich ist das Spiel um diesen Ansatz herum gestrickt. Das Verhärten im richtigen Moment erfordert ebenso gutes Timing wie das parieren und kontern. Die Vertrautheit, sie man zu allem aufbauen muss. Es gibt keine Schnellreisefunktion, aber wozu auch? Die Gebiete sind, bis auf das Startgebiet, alle recht klein und dass ich nachdem ich einen Boss besiegt habe mit dem erbeuteten Gegenstand den ganzen Weg zurücklaufen muss, während ein mysteriöser Nebel Gebiete und Gegner ändert, ist ein cleverer Kniff, der ein wunderbares Unwohlsein in der Magengrube erzeugt.

    Dank der Unreal Engine sieht das alles auch noch sehr gut aus. Zumindest die Enhanced Edition. Nur in ganz wenigen Ecken der Spielwelt konnte ich Texturen finden, die man wohl übersehen hat. Diese Version läuft auf den neuen Konsolen mit 60 Bildern die Sekunde bei einer Auflösung von 4K. Dabei benötigt der Titel gerade mal 8 GB auf eurer Platte, bei der normalen Version sind es gar nur 4, aber die rennt auch nur mit 30 Bilder in 1080p. Ok, genug techniksprech. Sehr gut und stimmig fand ich die englischen Sprecher, die dem düsteren Szenario eine weitere Note hinzufügen. Der Sound der Kämpfe klingt zudem noch schön satt und alles wird mit einem unheilvollen Klangteppich untermalt. Die Animationen können sich ebenfalls sehen lassen, wenn zum Beispiel ein Gegner erschrocken auf den Allerwertesten fällt weil wir gerade seinen Kollegen in die ewigen Jagdgründe geschickt haben.

    Wertungstechnisch kann Mortal Shell aber trotzdem nur eine 7 von 10 geben. Der Sprungangriff ist zu mächtig und Gegner in den Rücken spawnen lassen geht gar nicht. Aber versteht mich bitte nicht falsch. Ich habe kein einziges Dark Souls durchgespielt, dafür aber Genrevertreter wie Lords of the Fallen, The Surge, Bloodborne oder Remnant From the Ashes. Sollte euch also einer der genanten Titel aufhorchen lassen, ist Mortal Shell sicherlich was für euch.

    Über den Autor

    nummer47
    Geb.1980 in der DDR. Dann zur Wende einen Atari 2600 bekommen und die Videospielleidenschaft war geweckt. Danach kam C64 und später PC. Jetzt auch allerlei Konsolenkram.

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