Pay4Fun oder: warum F2P oft Augenwischerei ist

Von Eronaile · 21. April 2016 ·
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  1. Morgen zusammen,



    der Begriff F2P (Free to Play) dürfte jedem Spieler etwas sagen. Das sind Titel, für die man weder einen Kaufpreis noch monatliche Gebühren zahlen muss, um sie zu spielen.

    Seit dem Aufstieg des F2P-Segments, der ja nun auch schon einige Jährchen zurück liegt, war der Vorwurf "Pay 2 Win" ein ständiger Begleiter in der Berichtserstattung, Reviews und zahllosen Posts aus der Community.

    Pay 2 Win, das heißt: zahlst du etwas, bekommst du Vorteile im Spiel, die dich direkt besser machen als nichtzahlende Spieler. Besonders unbeliebt ist diese Art von Geldmacherei in Shootern und anderen sehr auf Konflikt zwischen den Spielern programmierten Genres. Alles also, was einen Multiplayer hat und die Spieler gegeneinader antreten lässt.

    Vom Vorfwurf "Pay 2 Win" kann sich ein F2P-Titel befreien, indem man für Echtgeld nur kosmetische Veränderungen oder sogenannte "Shortcuts" (z. B. mehr gesammelte Erfahrung) erhält. Anders ausgedrückt: Dinge, die nichtzahlenden Spielern keinen Nachteil verschaffen (Kosmetik) oder die sie mit genug eingesetzter Zeit ohne Echtgeld erreichen können (Shortcuts). Bei Shortcuts sollten natürlich die Grenzen des Anstands nicht überschritten werden. Viele sogenannte "Asia Grinder" erfordern extrem viel Zeit, um Fortschritte (z. B. Level in MMOs oder Freischaltungen von Waffen in Shootern) zu erspielen. Hier kann ein Shortcut bereits in die Region "Pay 2 Win" rücken, weil er eben Echtgeldeinsatz absolut unverhältnismäßig belohnt.

    Auch Inhalte, die zwar exklusiv Echtgeld-Zahlern zur Verfügung stehen, die aber nicht stärker oder besser sind als reguläre Alternativen, sind zunächst einmal keine gerechtfertigte Grundlage für den Pay2Win-Vorwurf.



    Nun zu meiner eigenen Behauptung:

    Viele F2P-Titel sind nicht "Pay 2 Win", aber "Pay 4 Fun".



    Darunter verstehe ich: Echtgeldeinsatz beschert dem Spieler so viele und/oder so umfangreiche neue Optionen, dass der Spielspaß für Nichtzahler unverhältnismäßig leidet.

    Das Wörtchen "unverhältnismäßig" möchte ich hier unterstreichen, denn sonst wären sehr viele F2P-Titel ungerechterweise mit dem Vorwurf "Pay 4 Fun" gestempelt. Der Grund dafür ist einfach: ich kenne fast kein F2P-Spiel, das wirklich nur kosmetische und Shortcut-Features gegen Echtgeld bietet. Es finden sich in den Shops der Betreiber immer auch Komfortoptionen oder konkrete zusätzliche Möglichkeiten im Spiel.
    Ein paar Beispiele aus verschiedenen Genres:

    • größeres Inventar (vor allem MMO/MOBA)
    • zusätzliche Waffen oder Ausrüstung (vor allem Shooter)
    • zusätzliche betretbare Regionen oder Karten (genreübergreifend)
    • exklusive Fahrzeuge (Sport), Spieler (Fußball-Simulationen) usw.
    • Aufhebung oder Reduzierung von Restriktionen, wie zum Beispiel
      • begrenzte Anzahl an Zugängen zu Dungeons (MMO)
      • Anzahlmäßig begrenzte Nutzung von besonderen Chat-Channeln (z. B. globaler Channel), von besonderen Effekten (bspw. Buff-Elixire) usw.
      • zeitliche Beschränkungen, bspw. Zugang zu besonderen Regionen im Spiel nur für X Stunden am Tag möglich
    • Erweitertes Customizing des Spiels
      • Benutzung von Lootfiltern
      • Sortierung des Inventars
      • Möglichkeit, Gegenstände genauer zu filtern / zu suchen
    • Autopilot-Funktion (z. B. Weltraumsimulation / -MMO)
    • Automatisierung trivialer Tätigkeiten, die Nichtzahler manuell vornehmen müssen (bspw. Verladen von Waren in Simulationen, manuelle Ausrüstung des Shooter-Helden vor Beginn des Matches vs. speicherbare Templates ...)



    Sicher fallen euch noch viele andere Features ein, die je nach Spiel allen oder nur zahlenden Kunden zur Verfügung gestellt werden.

    Besonders oft betroffen sind meiner Erfahrung nach MMOs, aber generell ist diese Vorgehensweise der Betreiber genreübergreifend.





    Nun noch einmal zum Vorwurf "Pay 4 Fun".
    Ich habe die Beispiele gerade aufgezählt, damit klar wird, auf was ich mit diesem Begriff hinaus will:


    Es ist OK, wenn ich für Echtgeld ein größeres Inventar in meinem MMO erhalte. Aber es ist nicht OK, wenn Nichtzahler ein so kleines Inventar haben, dass der Spielspaß darunter leidet, z. B. weil man viel zu oft in die Stadt zurück muss, um es zu leeren, Sachen zu verkaufen usw.



    Es ist OK, wenn ich für Echtgeld in die Lage versetzt werde, meine Warenwirtschaft durch genauere Suchfilter zu vereinfachen.
    Es ist aber nicht OK, wenn meine Wirtschaftssimulation mir kaum noch Spaß macht, weil ich als Nichtzahler mühselig und in furchtbarer Kleinsarbeit alle (gefühlt) 10.000 verschiedenen Rohstoffe und Produkte eigenhändig und manuell suchen und zuweisen muss.



    Es ist OK, wenn ich in einem Shooter für Echtgeld exklusive Knarren erhalte (solange diese gegen reguläre Waffen balanciert sind, sonst wäre es Pay2Win).
    Es ist aber nicht OK, wenn die Auswahl an normalen Waffen so klein ist, dass Nichtzahler keine ausreichenden Optionen zur Diversifizierung haben. Damit meine ich: sie können sich nicht ausreichend auf unterschiedliche Situationen einstellen.
    In anderen Worten: nur Echtgeldeinsatz erlaubt dem Spieler, ein angemessen umfangreiches Arsenal an Waffen zu besitzen, zwischen denen er wählen kann. Das verdirbt nämlich Nichtzahlern nicht nur den Spaß sondern grenzt schon hart an "Pay2Win".



    Es ist OK, wenn dem zahlenden Spieler der Zugang zu mehr PvP-Schlachtfeldern (MMO), zu weiteren Karten (Shooter) oder Strecken (Rennsport) gewährt wird.
    Es ist aber nicht OK, wenn diese exklusiven Zonen nicht gegen reguläre Inhalte balanciert werden. Ein Gebiet in einem MMO, in dem sich zahlende Spieler mit unendlichen, leichten Gegnern anlegen können (viel Loot, viel XP)... eine Shooter-Karte, in die offensichtlich viel mehr Arbeit und Balancing gesteckt wurde als in die Alternativen für Nichtzahler... eine Rennsport-Strecke, die viel länger, abwechslungsreicher und spannender ist als die reguläre Kost...



    Nach dem Schema "Es ist OK ... aber es ist nicht OK..." kann man auch die übrigen Punkte durchgehend, die ich oben als Beispiele genannt habe.

    Es ist allzu leicht für Spielefirmen, bei der Verfolgung monetärer Ziele (viele Einkäufe im Shop) völlig den Blick für den Spielspaß zu verlieren.



    Nun, ich hoffe, es ist klar geworden, auf was ich hinaus möchte.
    "Pay 4 Fun", wie der Name sagt, ist das Zahlen von Echtgeld, um Spaß am Spiel zu haben.
    Ein Analytiker würde wohl versuchen, den "Spielspaß" (wie bei einigen Spielemagazinen) in Zahlen zu fassen. Danach könnte man einfach den Wert bei einem zahlenden Spieler mit dem Wert eines Kostenlos-Anhängers vergleichen. Wenn die Werte zu sehr abweichen, liegt Pay 4 Fun vor.



    Besonders perfide finde ich, dass viele F2P-Entwickler noch Werbung damit machen, dass ihr Spiel nicht "Pay 2 Win" ist.
    Unabhängig davon, ob diese Behauptung stimmt, es ist ganz sicher in zu vielen Fällen "Pay 4 Fun"!



    Ich habe hier absichtlich auf konkretes Namecalling verzichtet, lade euch aber ausdrücklich ein, über Spiele zu diskutieren, die in die Kategorie Pay 4 Fun fallen - und auch darüber, warum das so ist.
    Selbstverständlich gibt es noch mehr Indikatoren für diesen Trend, als die paar Beispiele, die ich oben aufgezählt habe! Ich würde es begrüßen, wenn ihr weitere Echtgeld-Optionen beisteuert, die in Maßen und balanciert gegen Nichtbezahl-Inhalte OK sind, bei denen aber viele Spiele definitiv in den Bereich Pay 4 Fun abdriften.


    Oder vielleicht vertretet ihr auch eine ganz andere Meinung! Lasst hören :)



    Gruß

    Eronaile

Kommentare

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  1. Eronaile
    Hmm, das ist sicher eine Meinung, die nicht viele teilen. Interessant.
    Wie würdest du das denn begründen? Ich meine, dass das Spiel auf der "Basis" kostenlos ist, heißt ja nicht, dass zahlende Spieler besseres Zeug bekommen müssen. Es finden sich genug Zahlende für kosmetische Dinge, Shortcuts oder balancierte Zusatzinhalte, die mehr Content, aber eben nicht BESSEREN Content (im Sinne von Pay2Win) bieten.
    Insofern verstehe ich deine Argumentation nicht ganz. Warum den zahlenden Spielern unfaire Vorteile verschaffen, wenn es auch fair genug Cash gibt? Siehe z. B. Path of Exile: keine direkten Boosts gegenüber Nichtzahlern und das Geschäfts läuft offenbar prächtig. Und ja, ich habe selbst ein Supporter-Paket gekauft, einfach weil ich die Entwickler unterstützen will (naja und die Portaleffekte/Pets sind auch nice ^^).
    Aber erhielte ich für dasselbe Geld eine 6-gelinkte-Sockel 2Hand-Waffe mit tollen Stats fürs Endgame, wäre ich sofort weg von PoE.

    Wohlbemerkt, das ist jetzt eine Diskussion F2P vs Pay2Win. In meinem Blog hier ging es mir eigentlich um eine Stufe dazwischen, die Pay4Fun heißen könnte. Eben kein Pay2Win und trotzdem werden die Spieler über den Tisch gezogen, weil sie für das zahlen, was auch ein F2P-Titel kostenlos bieten muss: den vollen Spielspaß.
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  2. skydragon316
    Für mich ist, wie fast alles, F2P eine Frage der Umsetzung.

    Damit ich ein Spiel spiele, muss es Spaß machen. Das ist die primäre Vorraussetzung. Viele F2P-Titel gehen ja mit dem Konzept an eine Sache heran, dass sie dich in den ersten 5 Spielstunden mit einfachem Fortschritt anfüttern,und dann langsam die Daumenschrauben anziehen, bis man in eine Mauer (Die sogennante Paywall) rennt, wo dann ohne Echtgeld-Einsatz kein Fortschritt mehr drinnen ist.

    Grundsätzlich sehe ich es aber so, dass ein Spiel auch bezahlt werden muss, und gerade bei F2P-Titeln kann ich sehr gut mit meinem Geldbeutel abstimmen, ob ich jetzt einem Entwickler 50€ in den Rachen werfe, oder nicht. Meine Geld, meine Entscheidung.

    Gerade bei F2P-Titeln sind ganz klar die ZAHLENDEN Spieler die fokussierte Spielergruppe, denn diese bezahlen eben auch das Spiel, und zwar für alle. F2P ist ein Geschenk, und wer es nicht will, braucht es nicht annehmen.

    Bei erkaufbaren Vorteilen in Vollpreis- oder Abotiteln sieht das für mich nochmal ganz anders aus, aber alles was zum "Spielen" nichts kostet, darf für mich auch Pay2Win beinhalten.
  3. Takamisakari
    Es gibt Grauzonen. Eine exklusive Waffe kann ausbalanciert sein, aber wenn ein bestimmter Spieler damit einfach besser klar kommt, als mit den Standard-Waffen, dann ist das schon ein gewisser Vorteil, wenn auch subjektiv. Im Zweifelsfall ist das allerdings als "Pay2Win" einzustufen, da dieser bestimmte Spieler einen Vorteil daraus zieht.
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