Playstation vs. Pediküre

Von 8Lisa91 · 16. Mai 2016 · Aktualisiert am 16. Mai 2016 ·
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  1. In der aktuellen Ausgabe der Neon (Juni 2016) schreibt der Autor Marco Maurer: "Eine Frau, die Playstation spielt, ist definitiv nicht meine Freundin."



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    An und für sich ist das nichts Außergewöhnliches oder Verwerfliches, immerhin weiß man selbst, mit welchen Personen und deren Freizeitaktivitäten man auskommt und mit was nicht. Manche haben keine Lust, ihrem Partner beim Versumpfen auf der Couch zuzuschauen, wenn neben der 1. und der 2. Bundesliga auch noch die 3. geschaut wird, andere haben keine Lust, sich jedes Wochenende über Berggipfel zu zwingen oder in Zelten ohne fließend Wasser und Strom zu hausen, wenn man einen Outdoor-Freak zum Freund oder zur Freundin hat, aber Maurers Artikel geht noch weiter.

    Zum Verständnis: Im Ressort "Liebe" tauschen sich die beiden Autoren Mareike Nieberding und Marco Maurer darüber aus, "wie es ist, sich neu kennenzulernen". Die beiden kennen sich nicht und sind in ihrem Diskurs auf die oben eingefügte Passage gekommen. Maurers Sätze wurden in kursiv gedruckt.

    Maurer vergleicht das Playstationspielen mit dem Gang zur Pediküre. Er impliziert, dass Männer Playstation spielen, weil es männlich ist, und Frauen zur Pediküre gehen, weil es weiblich ist, und es da keine Überschneidungen geben sollte. Ein Vergleich, der mich verwundert. Viele Frauen, die ich kenne, mich eingeschlossen, waren noch nie bei der Pediküre. Nicht, weil wir ungepflegte Nägel mögen, sondern weil wir das einfach nicht brauchen oder wollen, weil wir uns dafür nicht sonderlich interessieren. Sind wir jetzt unweiblich? Hinzu kommt, dass ich gerne Playstation spiele, bin ich jetzt doppelt unweiblich?

    Ja, das ist nur ein kleiner Vergleich innerhalb eines Diskurses, in dem es eigentlich um etwas ganz anderes geht, und man sollte ihn vielleicht nicht ganz wörtlich nehmen, aber trotzdem hat mich die Meinung des Autors verwundert. Ich kenne Marco Maurer nicht und weiß natürlich somit auch nicht, in welchen Gamer-Milieus er sich so bewegt, aber ich persönlich habe noch nie einen Videospiel-begeisterten Mann getroffen, der der Meinung wäre, dass Playstationspielen per se männlich sei bzw. Frauen in Mannsbilder transformiert. Natürlich sind viele Angebote und Spiele eher auf den männlichen Markt zugeschnitten (dazu gibt es ja bereits genug Diskussionen), aber dass Frauen, die ein PS4-Gamepad in die Hand nehmen, nach Maurer, sofort ihre weiblichen Reize zu verlieren scheinen, wundert mich doch sehr.

    Immerhin gibt es so viele unterschiedliche Genres und wirklich coole Spiele und die alle sollten weiblichen Augen vorenthalten bleiben? Würde man Maurers Argument weiter ausbauen, dürften sich Frauen vermutlich auch keine Actionfilme anschauen und sich nicht für Autos, Technik oder Sport interessieren, da diesen Feldern oft auch eine männliche Dominanz zugesprochen wird. Aber Frauen bleiben ja immerhin noch Mode, Stars und Schönheit. Reicht doch auch, oder?
    Das Lustige ist, dass ich bis jetzt eigentlich immer gesehen habe, dass sich Männer freuen, wenn sich Frauen auch für die Themen interessieren, die sie gern verfolgen oder in denen ihre Hobbies Zuhause sind und sie dadurch nicht denken: "Oh Mann, die ist aber ganz schön unweiblich..." Das ist immerhin immer noch eine Sache des Auftretens oder des Benehmens oder oft auch des Aussehens.
    Wenn ich mit Gamern, die ich kennenlerne, anfange über Videospiele zureden, fangen sie meistens an, breit zu grinsen und freuen sich. Einen abwertenden Blick oder eine andere negative Reaktion habe ich hingegen noch nie erlebt.
    Im Gegenzug ist es natürlich genauso. Frauen freuen sich ebenso, wenn Männer sich mit ihren Interessen beschäftigen (diese können auch über Pediküre hinausgehen :P ).

    So, genug davon. Erst einmal ein Danke an alle in dieser Community, die Geschlechter nicht nur in Playstation und Pediküre einteilen, sondern differenzierter sehen :)

    Über den Autor

    8Lisa91
    Schreiben, Kino, Games&Medien, Kultur

Kommentare

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  1. Scario
    vll haste ne zu kräftige Stimme^^.


    Ich wurde noch nie bezüglich meines Geschlechts über meine Genrewahl doof angelabert. Und das Rundenstrategiespiele weiblich sein sollen, bzw alles außer Ballerspiele hab ich noch nie gehört. Nur weil wahrscheinlich mehr Frauen eher zu Rundenstrategie als zu Ballerspielen tendieren, macht das die Spiele doch nicht geschlechtsabhängig. O_o






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  2. Bellasinya
    Mein Ex-Freund wollte sich unbedingt die Wimpern färben und die Augenbrauen zupfen. Ich musste darüber ein bisschen lachen, nicht weil er ein Mann war, sondern weil ich so etwas selbst eher als lästig (man muss halt sein gepflegtes Äußeres erhalten) denn erstrebenswert fand.
    Meine beste Freundin ist Kosmetikerin und hat ihm gezeigt wie sehr Augenbrauen zupfen weh tuen kann. Danach wollte er nicht mehr.
    Mittlerweile glaube ich dieser Wunsch von ihm war ein Ausdruck von Eitelkeit.

    Anderes Beispiel: Ich habe eine Zeit lang sehr ausführlich ein bestimmtes MOBA gespielt. War viel in Teamspeak unterwegs und habe mit Menschen gesprochen, die ich noch nie gesehen habe.
    Als sie mich dann entweder Live oder auf einem Foto sahen, kam so gut wie immer eine von zwei Reaktionen:
    "Nimms mir nicht übel, aber ich dachte irgendwie du wärst fett..."
    oder
    "Du siehst ja...gut aus!"

    Dass man Weiblich, Gamer UND ein in regelmäßigen Abständen duschender Mensch sein kann ist in vielen Köpfen einfach noch nicht angekommen.
    Daran Schuld ist meiner Meinung nach die lange gängige Vorstellung des Kellerkindes. Gamer saßen grundsätzlich in ihren Kellern und taten nichts anderes als Zocken, Essen und Schlafen.
    Computerspiele haben sich jedoch so etwas wie Massentauglichkeit erkämpft. Werden Populärer und sind Gesellschaftlich akzeptiert. Manche verstehen sogar, dass zusammen spielen als soziale Interaktion verstanden werden kann.

    Aber es dauert bis das überall ankommt, also gibt es immer noch diejenigen, die nur eine Frau in der Nähe eines PCs oder einer Konsole sehen und schon sehen sie nur noch ein ungepflegtes faules Wesen, was keinesfalls zum Vorzeigen, Putzen und Sex haben geeignet ist. Ach wie Schade.
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  3. 8Lisa91
    @Yeager: danke :)
    Stimmt, du hast recht. Stereotype, Klischees und Vorurteile geben uns einerseits Sicherheit; wir denken, wir könnten den anderen so besser einschätzen, voraussagen, ob er gefährlich ist, ob er uns nützlich ist, wir versuchen, sein Verhalten vorauszusagen.
    Einerseits brauchen wir das, andererseits macht es uns blind. Am Ende ist es dann doch am Wichtigsten, die rohen Instinkte mit gesundem Menschenverstand zu ergänzen :D
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  4. Yeager
    Wie immer ein guter Blog, 8Lisa91!

    Zum Thema:

    Umgekehrt ist es nicht anders - nur weniger direkt:
    Wenn ich sehe, was ich als Kerl zu spielen "hätte", den drölfwzigsten Hurra-Patriotismus mit Schlauchleveln ala Call of Duty zum Bleistift, wird mir schlecht. Wie sagte es mal ein Kumpel zu mir: "Wat zockst du da, Rundenstrategie? Ist doch voll langweilig, Mann. Ballern musste - dat ist männlich, der Rest ist was für Frauen!"

    By the way, @ Bakefish: Ich kenne SEHR unterschiedliche Leute, das macht es interessanter :D

    Nein, ich möchte nicht in die Ecke geschoben werden zusammen mit ein paar Hirnies, für die schon ein einfaches Drei-Schalter-Rätsel zu schwer ist. Nein, ich finde es nicht männlich in einem Team-Match von einem körperlich, aber weniger geistig Heranwachsenden angepöbelt zu werden. Nicht, weil es sich nicht ziemte, nicht weil ich achso viel Wert auf Etikette legte oder mir Aggressionsschübe fremd wären. Sondern, weil derjenige leider zu weit weg ist. Sonst könnte ich ihm auf ur-männliche Konversationsart sagen, wie überaus wertvoll ich seine Art halte, sogar in einer Sprache, die er versteht: Mit ner Sympathie-bekundenden Kopfnuss zum Beispiel ;-)
    Selbstverständlich nur ein Versehen, ein blöder Unfall!
    Wodurch ich letztlich selbst nur in die Falle des Stereotypen tappte und sein Bild damit nur noch mehr festigte, wenn auch schmerzhaft.

    Was ist männlich?
    Was ist weiblich?

    Dies sind uralte Fragen, die immer wieder auf's Neue beantwortet werden müssen. Wir koppeln so elendig viel in Sachen Eigen-Identität zusammen mit dem Geschlecht, das wir haben, sind so vorgeprägt und manipuliert von einer Gesellschaft, für die es praktisch ist, polare Rollenbilder zu besitzen. Weil gut geregelt und kalkulierbar. Wir erkennen gar nicht, wie dumm wir sind, wenn wir solchen Manipulations-Versuchen nachgeben, erachten es als menschlich, gegeben, natürlich. Aber es ist nur Bullshit.

    Denn die Wahrheit ist: Wir wissen es nicht.
    Wir haben nur vage Ahnungen. Die zudem einem permanenten Wandel unterliegen. Es ist genauso, wie mit der Intelligenz: Wir alle meinen, wir wüssten, was das ist. Gibt ja auch Tests für. Diese Ahnung löst sich jedoch in Wohlgefallen auf, sobald es ans Eingemachte geht, an die Details, sobald wir mit der Lupe drauf schauen. Dann wird es wie in der Quantenphysik: Unscharf.
    Und damit kompliziert.

    DAS - und nichts anderes - ist in meinen Augen der wahre Grund, warum es heute immer noch Menschen gibt, die an starren Rollenbildern festhalten. Weil alles andere zu kompliziert wäre. Denn dann wäre man plötzlich nicht mehr Mann oder Frau, Deutscher oder Ausländer, hätte nicht mehr schwarze oder weisse Haut, homo oder hetero, jung oder alt, Intellektueller oder Pöbel, arm oder reich.

    Nein, plötzlich wäre man ein Individuum!
    Das so ist, wie es eben ist.
    Das macht zu vielen Leuten Angst.
    Darin sehe ich die grösste Irone konservativen Denkens, das auch dasselbe bei den Geschlechterrollen ist: Dass es immer wieder etwas wie ein Götzenbild anbetet, von dem es nicht nur keine Ahnung hat, sondern es insgeheim sogar fürchtet:
    Freiheit - im Wortsinne.
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  5. 8Lisa91
    @Bakefish: Vll kennst du einfach nur die richtigen Leute? :)

    @TheVG: Danke für deinen Kommentar :)
    Da hast du vollkommen recht. Übertreiben muss man es nicht. Weder die Begeisterung für die Hobbys der anderen noch im Bereich Pflege. Nicht umsonst wird die Nase gerümpft, wenn Frauen viel zu viel Parfum auftragen oder Männer in einer Wolke (des berüchtigten - und gefürchteten) Kölnisch Wasser 4711 verschwinden.
    Natürlich sollte man sich nicht bis zur Selbstaufgabe in die Interessen der anderen stürzen, aber ein bisschen offenes und aufrichtiges Interesse ist doch immer schön :)
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  6. TheVG
    Schöner Denkansatz und danke für ein bisschen anderes Bild zum Thema, wo Sexismus noch um einiges schlimmer ausfällt wie im beschriebenen Dialog.

    Da es zwei Autoren sind, die diese Story geschrieben und/oder erdacht haben, will ich eine Inszenierung nicht grundsätzlich ausschließen. Aber abgesehen davon kenne ich nicht wenige, die gerne hätten, wenn sich die Frau/Freundin für des Mannes Hobbys begeistern kann, umgekehrt ja auch. Sich immer nur getrennt mit etwas zu beschäftigen, weil sich die Interessen nicht decken, ist auch langweilig. Andererseits: Gegensätze ziehen sich an :)

    Beim Thema Pediküre sollten sich aber beide Geschlechter nicht zu sehr darauf einlassen, finde ich. Ich kann es jedenfalls nicht leiden, wenn Frauen derart penetrant riechen, dass es in der Nase kribbelt. Natürlichkeit ist Trumpf, und Pflege kann man auch übertreiben. Da muss man die Männer jetzt nicht auch noch drauf hinschubsen, nur weil Frauen das aus "freien" Stücken so exzessiv nutzen.
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  7. Bakefish
    Wow... tja, zeigt mir mal wieder, dass ich zu wenige Menschen kenne. Dass jemand eine zockende Frau als unweiblich erachtet, habe ich so auch noch nicht gehört.
    Zum Glück denken viele aber nicht so. Sowohl von männlicher als auch weiblicher Seite.
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  8. 8Lisa91
    Dankeschön :)
    Mich persönlich würde das auch nicht stören. Ich würde auch einen Mann nicht als unmännlich bezeichnen, nur weil er sich pflegt bzw. solche Dienste in Anspruch nimmt. Frauen sagen sogar oft, dass weiche Männerhände schön sind ;)
    Ich würde das als persönliche Freiheit sehen, das zu tun, bei dem man sich wohlfühlt.
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  9. Voigt
    Sehr schöner Blogeintrag, mal eine Gegenfrage. Persönlich (m) würde ich mir nichts bei denken wenn ein Mann jeden Montag zur Pediküre gehen würde, was ist gegen gepflegte Nägel zu sagen. Wie siehst du/ihr das?
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