Quo Vadis, GOG?

Von Gelöschter User 176480 · 29. April 2018 · Aktualisiert am 30. April 2018 ·
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  1. Die Einführung von Nutzerprofilen hat in der GOG-Community für einigen Wirbel gesorgt. Dabei könnte der neue offene Umgang mit den Nutzerdaten gar nicht so weit von den tatsächlichen Werten des Unternehmens entfernt sein – während das gegenwärtige Verhalten der Community ein Schuss ins eigene Bein sein dürfte.





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    Das Profil dieses Nutzers ist privat. Aber GOG gab vor der Änderung vom 30. April dennoch gerne bekannt, wieviele Spiele der Nutzer hat, wieviele Achievements und wieviele Stunden er über Galaxy er- und gespielt hat.


    "You guys and gals are […] the most
    sensitive for such changes"

    (GOG-Community Manager am 18. April 2018)

    "Wir wissen ja, dass ihr da besonders sensibel drauf reagiert", ließ uns der Community Manager vor einigen Tagen im GOG-Forum wissen. Die Einführung öffentlicher Nutzerprofile und damit die neuen Einstellungen zur Privatsphäre wurden zunächst nur dort angekündigt. Leider war die Voreinstellung aller neuen Optionen für alle Nutzer von GOG die jeweils freigiebigste, was die eigenen Daten angeht. Eine Checkbox war so verwirrend betitelt, dass man instinktiv das Gegenteil dessen wählte, was man eigentlich wollte. Seit Wochen bereits brodelte es in der Community, seit man sich in seinen GOG-Account ausgerechnet über das skandalumwitterte facebook einloggen konnte. Zu behaupten, die Community hätte auf GOGs neue Großzügigkeit mit den Daten seiner Nutzer "sensibel reagiert", war da bereits gepflegtes Understatement.

    Nun wurden am 23. April also Nutzerprofile eingeführt. Und natürlich sagten sich die GOG-Nutzer allesamt: "Ach ja doch, feine Sache, gibt’s bei Steam ja schon ewig, wirklich sensible Daten sind da ja nicht bei, und abschalten kann man das Datenrausgewurste ja auch, wenn man das unbedingt will…"

    Nein, das war natürlich nur ein Scherz. Nach der Einführung dieser Profile ging im GOG-Forum die Luzie ab. Der Community-Kern schrie in mehreren 50-seitigen Threads Mord und Totschlag, während die sicher gut gemeinten Befriedungsversuche einiger steamgeschulter GOG-Kunden zu den unfeinsten Anfeindungen führen. Erst am 30. April die erlösende Nachricht: Profile können nun ganz abgeschaltet werden. Für GOG scheint der PR-Gau absehbar gewesen zu sein, und das ohne Zweifel, immerhin „wussten sie ja, dass die Community sensibel reagiert“...?

    Warum wusste das GOG, und warum hat man dennoch obligatorische Nutzerprofile eingeführt? Für die Antwort müssen wir zunächst eine kleine Zeitreise mit der Wayback Machine unternehmen.



    "Don’t let your DRMs turn into nightmares.
    You won’t find any intrusive copy protection in our games;
    we hate draconian DRM schemes just as much as you do"

    (Service-Beschreibung auf gog.com, 2008)

    Als GOG 2008 an den Start ging, war Steam noch eine verhältnismäßig kleine Nummer. Valve verkaufte zu diesem Zeitpunkt gerade mal zwei-dreihundert Spiele über ihren Service – heute sind es über 15.000. Ein Steam-eigener Kopierschutz wurde überhaupt erst 2008 in diese Plattform integriert: Die meisten Entwickler griffen auf ihre eigenen Kopierschutzmaßnahmen zurück. Als die Mitarbeiter von GOG damals "DRM free" zu ihrem Kernkonzept erklärten, da wehrten sie sich also nicht gegen eine heute butterweich verlaufende regelmäßige Steamworks-Abfrage über ein omnipräsentes, ultraschnelles Internet. Sie wehrten sich gegen massiv spürbare, hochgradig unbequeme Einschränkungen der Freiheit und der Rechte des Nutzers.

    Die im obigen Zitat „Alptraum“ genannte Erfahrung dürfte vielen nur allzugut in Erinnerung geblieben sein. Erinnert ihr euch, wie bei Starforce und SecuROM immer das Laufwerk hupte, oder auch mal ganz den Dienst verweigerte? Wie eine erkleckliche Anzahl absurder Bugs allein durch den miserabel programmierten Kopierschutz auftraten? Wie ihr eure ganzen alten Starforce-Spiele, darunter die wunderschöne und sauteure Dreamfall Special Edition direkt aus Norwegen, nach der Installation von Windows 7 (2009) in die Tonne treten konntet? Wie die limitierten Aktivierungen von "Mass Effect" (2008) und "Bioshock" (2007) Verbraucherschützer auf die Barrikaden trieben? Wie ihr damals diesen bescheuerten Product Key eures Lieblingsspiels ums Verrecken nicht mehr gefunden habt? Das, sagten sich die GOG-Verantwortlichen sicher nicht ohne Grund, muss sich ändern. Die erheblich galanteren, jedoch kaum weniger invasiven heutigen Kopierschutzmethoden waren da noch kein Thema.

    Vielleicht, und das ist meine gewagte These an dieser Stelle, basiert der Erfolg von gog.com auf einem Missverständnis. Selbstverständlich dachten die Kunden, mit dem Verkauf von rein "DRM-freien" Spielen sei ein moralischer Grundsatz verbunden, eine schützende Hand über den Rechten und Freiheiten des Kunden. Was jedoch, wenn das nie die Vorstellung von GOGs Gründern gewesen ist? Was, wenn "DRM free" entgegen aller lähmend häufig debattierten Begriffsdefinitionen für GOG immer nur "hassle free" hieß, also exakt dieselbe Bequemlichkeit verkaufen sollte, die schließlich für Valves Erfolg so maßgeblich war?



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    Alternative - oder buchstäblich dasselbe in grün?



    "Customers won't want to pirate a game
    that's connected to 20 million gamers and a feature-rich
    platform. Features like Steam Achievements, Anti-Cheat,
    Auto-Updating, and Steam Cloud simply
    don't exist outside of Steam".

    (Valves Beschreibung der Steamworks Community Features, 2009)

    Steamworks, das war 2008 nicht nur eine neue (leicht zu umgehende) definitionsgemäße DRM-Maßnahme. Es war auch, unbemerkt von vielen, die Einführung des ultimativen Kopierschutzes schlechthin. Das Zauberwort, bei Valve ebenso wie bei Sony, Microsoft, EA und Ubisoft war "social media". Das Community-Erlebnis stand im Vordergrund, wurde zum eigentlichen unumgehbaren Kopierschutz. Dazu gab’s Patches nur noch per Steam-internem Update. „Achievements“ banden die Nutzer durch den Drang, mit anderen Spielern in Wettbewerb zu treten, an die Plattform. Der heilige Gral des Kopierschutzes war gefunden: Steamworks erzeugte nicht nur eine buchstäbliche Abhängigkeit, sondern kundenseitig auch eine ungeheure Markenloyalität und buchstäbliche Vergötterung der Geschäftsführung („Lord GabeN“), die allerhöchstens Apple zu Jobs-Zeiten für sich verbuchen konnte.

    Und, blendet man die sklavische Begriffsdefinition von „DRM“ einmal aus, führen notwendige Auto-Updates wie auch Achievements auch nur zu einer ständigen Serverkommunikation und unweigerlichen Online-Verifizierung, die sich technisch herzlich wenig von einer DRM-Maßnahme unterscheidet.

    Das als optional beworbene „Galaxy“ war für GOG also ein riesiger Schritt auf die eigentlichen wie uneigentlichen Kopierschutzmechanismen des Monopols zu; entsprechend argwöhnisch hat die Community reagiert. Nutzerprofile waren ohne Zweifel der nächste logische Schritt auf dem Schleichpfad zur Monopolkopie im Kleinformat. Nur der Account-Login über facebook – eine Frechheit, die Valve sich nicht geleistet hat – scheint für GOG einen anderen Weg vorzuzeichnen. Leider jedoch einen Weg der stärkeren Abhängigkeit von ihren „Trusted Partners“ und damit zu allem Überfluss auch einen noch übleren Weg, was die Privatsphäre der Nutzer angeht.





    “You are what matters, and we will be sure
    to involve you all more in what we're doing
    and why we're doing it.”

    (GOG-Statement zur Einführung regionaler Preisgestaltung, März 2014)

    GOG trippelt den Pfad zu Steam also Schritt für Schritt entlang, daher die unvermeidlichen Nutzerprofile. Es muss, meint GOG, und wenn die Community noch so heult. Es stellt sich dennoch die Frage, was sich das Unternehmen davon verspricht. Mehr AAA-Entwickler wird es dadurch nicht gewinnen können. Von einer Kundenloyalität im Stile der Steam-Community wird GOG stets nur träumen können, da der Kern ihrer Kundschaft aus einer, sagen wir, „idealistischeren“ Vorstellung der Werte des Unternehmens zu ihm gekommen ist. Aus der Schnittmenge der Nutzer, die sowohl Steam wie auch GOG nutzen, lassen sich auch keine Überläufer rekrutieren: Der Sog des Monopols ist zu stark, und seine technischen Möglichkeiten werden dem kleinen polnischen Anbieter stets weit überlegen sein.

    Sollte die GOG-Führungsetage jedoch einem Irrtum unterliegen, sowohl was den möglichen Erfolg ihres Handelns als auch seine Moralität angeht, wäre es an der Community, diesen Irrtum aufzudecken. Immerhin ist der moralische Einwand gegen invasive Kopierschutzmechanismen und der moralische Einwand gegen die Verletzung der Privatsphäre praktisch derselbe. Ein Konsens kann unmöglich so weit weg sein. Die dringend notwendige Diskussion wird jedoch ausbleiben, solange sich die lautesten Stimmen weniger der Argumentation und vielmehr der Drohung widmen: Da wurden Email-Adressen von Datenschutzorganisationen rumgereicht, man behauptete, die neue Richtlinie verstoße gegen EU-Recht, stolz ließen Nutzer ihren Namen auf Boykottlisten setzen, die unbeteiligten Support-Angestellten wurden mit immer derselben Frage überhäuft und wegen Anfeindungen zogen sich sowohl die GOG-Angestellten als auch die Profil-Fürsprecher aus dem Forum zurück.

    Nun hat GOG also eingelenkt und eine Option zur völligen Deaktivierung eines Nutzerprofils eingeführt. Eine Diskussion mit der Community und eine Neueinstellung der GOG-Richtung ist natürlich weiterhin notwendig. Ein Statement, das die moralischen Grundsätze der GOG-Bosse ohne das übliche Marketinggeschwurbel darlegt, ist von höchster Wichtigkeit. Die Zusammenarbeit mit facebook muss dringend überdacht werden. Nichts davon kann geschehen, während Community-Mitglieder sich lieber mit Rachefantasien, Beleidigungen und Erniedrigungen beschäftigen. Auf Augenhöhe begegnet man sich so keinesfalls. Gibt es noch eine Restidee der Gründermoral? Ich würde es gerne herausfinden.

Kommentare

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  1. Cr4sh
    Sehr guter Post, danke, habe mir schon gedacht, dass es da einen Shitstorm geben würde, war aber nicht so interessiert, das Forum zu verfolgen.
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  2. BIPOn
    Ich habe bisher keine einzige Minute meines Gameplays auf Galaxy geteilt, kein einziges Achievement freigeschaltet, nix dergleichen.

    Achtung, nicht als Beleidigung und Hatespeech auffassen: man ist schon selbst schuld, wenn man eine Funktion nutzt, um ein Spiel zu spielen ohne das vermaledeite STEAM nutzen zu müssen, dann aber mit GALAXY eine Funktion zu nutzen die nicht anders als Steam ist, da stimmt doch was nicht, merkt man eigentlich selber.

    Ich habe bisher wie gesagt immer nur die "Classical" Installer benutzt, und selbst mein neuster kauf "BATTLETECH" hat beim ersten Spielstart nur kurz gemekkert "You can register bla bla Account to play online", was ich abgelehnt habe und daher nicht mehr belästigt wurde. Wenn ich mir ein DRM-freies Game kaufe, und dafür hab ich GOG ja eben, dann installiere ich mir keine Plattform, die zwar kein DRM ist, aber meinen Status fest hält, meine Achievements zählt, und meinen "Freunden" mitteilt, was ich gerade spiele und wie lang.

    Dafür habe ich Steam, auf dem ich nur 2 Spiele regelmäßig spiele. So muss man das sehen. Ich meine, Valve werden jetzt wegen mir, weil ich nur 2 Spiele dort gekauft habe und spiele, nicht pleite gehen, aber ich sehe es mit GENUSS wenn auf Steam ein Spiel angeboten wird, ich auf GOG.com gehe, und dort das GLEICHE Spiel kaufen kann... jedem sollte klar sein, wohin meine nächsten Klicks dann führen ;)
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  3. darthmop1
    Da fragt man sich, ob die keine Risikoanalysen angehen.
    Es mag ja schön und gut sein, wenn sie ihren Usern eine Überraschung machen möchten doch es sollte vielleicht durch eine Umfrage erst mal ermittelt werden, ob überhaupt der Wunsch danach vorhanden ist und erst nach dem Resultat ein Konzept aufbauen.

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  4. Husky666
    Galaxy ist in so fern nicht das gleiche da es kein Zwang ist, Steam schon.

    Sonst ist es aber im Grunde das gleiche
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