Red Dead Redemption... oder die Rückkehr des Westerns

Von Black Baron · 26. Juni 2010 · Aktualisiert am 22. Januar 2011 ·
Kategorien:
  1. Red Dead Redemption... der harte Weg eines Outlaws, der von seiner Vergangenheit eingeholt wird


    So lässt sich die Story dieses epischen Westerns am kürzesten zusammenfassen. Aber gerecht wird man diesem Meisterwerk von Rockstar mit diesen knappen Worten lange nicht. Auch wenn sie zum meist eher wortkargen Protagonisten des Spiels - John Marston - sehr gut passen. Red Dead Redemption erzählt die Geschichte eines Revolverhelden und ehemaligen Bandenkriminellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs die Ära des sogenannten "Wilde Westens" zu Ende ging.

    This is America! A Land of Oportunity!

    Die Weiten des nordamerikanischen Kontinents werden zunehmend dichter besiedelt und "zivilisierter". Zeitungen berichten regelmäßig über wichtige Ereignisse, die Eisenbahn verbindet wichtige Städte und Handelsposten miteinander, in größeren Siedlungen gibt es zunehmend Elektrizität und neben der Telegraphie gibt es in jeder Kleinstadt mindestens einen Telefon-Apparat. Viel ist also vom Wilden Westen nicht mehr übrig. Aber es gibt sie noch, die Cowboys, die sich bei Ranchern mit Viehtreiberei und Pferdezureiten verdingen. Die Wildnis erfordert es nach wie vor, dass man besser bewaffnet ausreitet. Und ja, auch das ist ein Stichwort: Auch wenn sogar schon vereinzelte Automobile zu sehen sind, so ist das Pferd immer noch das wichtigste Transportmittel für Hinz und Kunz.

    Und was ebenso wie die Zivilisation immer mehr zunimmt sind die umherstreifenden Banden. Denn schließlich gibt es auch immer mehr zu holen. Aufgegebene Siedlungen im - für das Spiel erfundene - fiktiven Bundesstaat New Austin und im angrenzenden nördlichen Gebiet von Mexiko werden fast schon scharenweise von Gesetzlosen besetzt und dienen als Unterschlupf. Und auch als festungsähnlicher Schutz gegen die zwar hart durchgreifenden, aber doch zahlenmäßig unterlegenen Gesetzeshütern. Wohl dem, der gut mit seinem Schießeisen umzugehen weiß. Und John Marston kann das besonders gut.

    Held wider Willen

    Im Laufe dieses aufregenden und faszinierenden Westernabenteuers muss Marston seine Schnelligkeit ständig unter Beweis stellen. Doch was treibt den Mann an? John Marston ist ein Waisenkind, seine Mutter war Prostituierte und sein Vater ein Unbekannter mit einem frivolen Laster. John war also alles andere als ein Wunschkind und dementsprechend schwierig war seine Kindheit, die ihn schließlich in die Arme einer Bande Gesetzloser unter Führung des charismatischen Dutch Van der Linde brachte. Alle waren überzeugt von ihrem "freien Leben" ohne Zwänge und Gesetze, auch waren sie davon überzeugt mit ihren Überfällen auf Reiche, um das Geld an Arme und Bedürftige zu geben. Hört sich sehr nach "Robin Hood des Wilden Westens" an. Das änderte sich aber irgendwann, als jener charismatische Anführer scheinbar "verrückt" wurde - so drückt es John Marston immer wieder aus - und die Ideale der Bande über den Haufen warf und immer wieder den Abzug betätigte... meist mit der Mündung in Richtung Unschuldiger.

    Marston fand allmählich sein Gewissen, doch die entscheidende Wende kam bei einem Überfall, als er angeschossen wurde. Seine Kameraden ließen ihn wissentlich zurück, um ihn dem Tod zu überlassen. Doch Marston überlebte, entsagte dem Leben als Gesetzloser und entschloss sich mit seiner Familie ein normales Leben zu führen.

    Doch er hat die Rechnung nicht mit der Regierung der Vereinigten Staaten gemacht. Ein aussichtsreicher Kandidat auf den Gouverneurs-Stuhl New Austins schickt Federal-Agents los, um mit Hilfe von Marston die letzten Outlaw-Legenden des Landes zur Strecke zu bringen, um seiner Kandidatur mehr Nachdruck zu verleihen. Da die Agents nicht mit Marstons Kooperation rechnen, entführen sie kurzerhand Marstons Frau Abigail und seinen Sohn Jack, um sie als Druckmittel zu benutzen. Marston wird so zum Spielball der Willkür von Verbrechern mit Dienstmarke. Um seiner Familie Willen lässt er sich darauf ein und wird mit dem Zug von der Stadt Blackwater in die staubige Prärie von New Austin gebracht, in eine kleine Stadt namens Armadilo. Sein Auftrag: Bill Williamson töten, einst enger Freund und Weggefährte Marstons, als dieser noch in Dutch Van der Linde's Bande unterwegs war.

    Niemals aufgeben

    Marston versucht alles, damit sich sein alter Freund freiwillig den Behörden stellt, doch erkennt er Williamson nicht wieder, sondern hat einen durchgeknallten Outlaw-Boss vor sich, der Marston einfach über den Haufen schießt und ihn erneut dem Tod überlässt. Zu Marstons Glück kommt jedoch eine junge Rancherin - Bonnie MacFarlane - zufällig vorbei und liest den bewusstlosen Pistolero auf, pflegt ihn gesund. Zum Dank hilft Marston nach seiner Genesung auf der Ranch der MacFarlanes aus und reitet anschließend zu einem langen Abenteuer aus, welches ihm etliche Kisten Munition für Revolver und Gewehr, viele zurückgelegte Meilen auf dem Rücken von Pferden und auch einen Besuch im mitten in einer Bürgerrevolte steckenden Mexiko abverlangt.

    Soweit zur Story, die zwar eigentlich nicht besonders originell ist, aber mit vielen interessanten und teils auch skurilen Charakteren aufwartet und nicht zuletzt auch etwas Sozialkritik transportiert. Wie alle Rockstar-Titel. Was Red Dead Redemption allerdings besonders von der GTA-Serie unterscheidet: Es ist ernster, dreckiger, keine Videospiel-Satire. Es lässt sich am Besten mit dem Western-Klassiker "Spiel mir das Lied vom Tod" vergleichen, wer den kennt weiß, dass es bierernst zur Sache geht. Humor ist zwar nicht völlig außen vor, doch kommt der bei Weitem nicht so überdreht wie gewohnt daher.

    Mehr als ein Besuch in einer Filmwesternstadt

    Die Atmosphäre des Spiels ist genial und atmet den Western förmlich. Das fängt bei der genretypischen minimalistischen Musik an (nochmals ein Verweis auf "Spiel mir das Lied vom Tod"), geht über den äußerst authentischen Grafikstil (vor allem die Tageszeiten sind extrem gut gelungen), die ebenso authentischen Waffen (allesamt - im Gegensatz zu GTA - Nachbildungen echter Waffen aus jener Zeit), das extrem gelungene Reitsystem und und und... sobald man ein paar Stunden mit dem Spiel verbracht hat ist man regelrecht bezaubert und gefangen von dieser Welt. Wo sich GTA meist als tolle und abwechslungsreiche Spielwiese für Achievement-Jäger erwiesen hat, so belohnt auch RDR Spieler mit Sinn für Herausforderungen. Der Fokus liegt allerdings klar auf der Story.

    Ein weiterer Unterschied zur GTA-Serie ist auch die geradlinigere Missionsführung. Man fühlt sich nicht zu Beginn damit überfordert, wenn es darum geht sich zu entscheiden wo man als erstes hinreitet. Und szenariobedingt ist in New Austin auch weit weniger los als in Liberty City. Trotzdem bietet RDR Rockstar-typisch etliche Nebentätigkeiten, die meisten darauf ausgerichtet neben Kurzweil auch Dollarnoten zu bringen. Da gibt es Saloons mit Pokertischen, Black Jack, Würfelpoker (auch fürs echte Leben ein sehr cooles Spiel), Five-Finger-Fillet, Armdrücken, Hufeisenwerfen, Pferdezureiten, Kopfgeldjagd. Daneben gibt es auch zufällige Ereignisse, die sich je nach Ruf und Status des Helden mehr oder weniger häufen - einer der wenigen kleinen Schwachpunkte des Programms. Hier gilt es meist Leuten in Not zu helfen, z.B. einem Händler dessen Kutsche grade überfallen wird, ein Mann, dessen geliebte Frau gehenkt werden soll, ein Ladenbesitzer, der gerade bestohlen wurde und und und. Anfangs macht es noch viel Spaß diesen vielen Tätigkeiten nachzugehen, aber gerade die sich bald immer mehr wiederholenden Zufallsereignisse in der Wildnis verlieren schnell ihren Reiz. Da aber gerade die "Helfer in der Not"-Aktionen hauptsächlich dazu dienen sich sogenannte Ehren-Punkte zu verschaffen, um seinen Status als Held aufzuwerten, kann man diese auch getrost ignorieren, wenn man nicht wirklich möchte. Konsequenzen für das Ignorieren gibt es nämlich nicht.

    Ehre, wem Ehre gebührt

    Sehr wohl jedoch für schurkische Aktionen wie das grundlose Erschießen von Passanten. Auch kann man bei den Zufallseigenissen die Rolle des Schurken übernehmen und anstelle der Bedürftigen den Gesetzlosen unter die Arme greifen. Das Ganze gehört zum eher leicht aufgesetzt wirkenden Moral-System des Spiels, das den Spieler nach seiner Ehre und seinem Status klassifiziert. Je ehrenhafter man sich verhält, um so mehr wird man von den Leuten geschätzt, je mehr gute Taten man vollbringt, um so bekannter wird man und irgendwann hört man überall die Leute über John Marston reden. Das Ganze geht auch umgekehrt, man kann sich auch einen verruchten Status aneignen, bei dem einem die Leute mit Abscheu und Furcht begegnen. Für die Story hat dies jedoch keinerlei Einfluss, bestenfalls in ein paar wenigen Dialogzeilen. Jedoch hilft dieses System sich mehr mit dem Protagonisten zu identifizieren. Man kann also ganz nach eigener Neigung bei Notfällen wegschauen, selber noch drauf treten oder - ganz selbstloser Samariter - helfen. In den Kontext passt jede Version. Denn Marston ist ein in gewisser Weise moralischer Mensch, dem man sowohl die Rolle des wütendenden Outlaws ohne Skrupel wie den entschlossenen Geläuterten, der nur seine Familie retten will, abkauft.

    Die Wildnis, der Feind

    Ein weiteres dickes Atmosphäre-Plus ist die reichhaltige Fauna der Spielwelt. Es kreucht und fleucht an allen Ecken und Enden. Von herumhopelnden Kaninchen und zischelnden Klapperschlangen über keifernde Kojoten und kläffende Wölfe bis hin zu äußerst schnellen und auch hinterhältigen Pumas (die meiner Meinung nach mit Abstand gefährlichsten Tiere im Spiel!). Auch zu Luft ist einiges los, denn es gibt auch viele Vogelarten im Spiel. Singvögel, Krähen, Adler, Geier, Eulen, alles mögliche ist dabei. Das trägt ungemein zur Glaubwürdigkeit des Spiels bei. Später kriegt man es auch mit Bären zu tun, wenn man allerdings aufmerksam ist kann man diese zwar sehr gefährlichen, aber auch relativ schwerfälligen Biester aus großer Distanz erlegen. Und man kann erlegte Tiere auch häuten, doch dient dies in erster Linie zum erfüllen bestimmter Herausforderungen, um diverse Klamotten im Spiel freizuschalten. Doch man kann diese "Tierprodukte" sogar relativ gewinnbringend weiterverkaufen. Auch gibt es bestimmte Kräuter, die man eben für jene Herausforderungen und vereinzelte Missionen zu sammeln hat. Vor Western macht das WoW-Farm-Syndrom auch nicht halt, allerdings hält sich die Zwangssammelei sehr in überschaubare und akzeptable Grenzen. Allerdings ist es nicht immer ohne Risiko auf Jagd nach Tieren oder die Suche nach Kräutern zu gehen, denn in manchen Gebieten kann es schon mal sehr gefährlich werden vom Pferd abzusitzen.

    Ritt in den Sonnenuntergang

    Apropos Pferd: Auch wenn die Gäule in Red Dead Redemption keine Namen haben - von wegen Jolly Jumper - und insgesamt ähnlich entbehrlich wie die Fahrzeuge in der GTA-Serie sind, so hat sich Rockstar sehr ins Zeug gelegt das Reiten gut umzusetzen. Und das ist auch gelungen! Während das Reiten in Assassin's Creed bereits recht gut umgesetzt worden ist, so topt RDR diese Leistung bei Weitem. Wenn man die Fortbewegung nur mit dem Analogstick lenkt, so schreitet das Pferd langsam vorran. Will man das Tempo steigern gibt man dem Pferd mittels A-Taste die Sporen. Hält man die A-Taste anschließend gedrückt wird das Temponiveau gehalten. Bei wiederholtem Drücken kann man das Pferd zu einem kurzen Sprint anspornen, der allerdings nur über eine kurze Distanz geht und die Ausdauer des Pferdes allmählich erschöpft. Wenn man dem Pferd zu viel abverlangt fängt es an zu rebellieren, bis es sich aufbäumt und seinen Reiter abwirft oder sogar an Erschöpfung sterben kann. Abhilfe verschaffen hier käuflich zu erwerbende Utensilien wie Ausdauerpillen oder Äpfel. Vor allem für einen längeren Fluchtritt oder eine Verfolgungsjadg sehr praktisch. Auf Befehl springt das Pferd über Hindernisse, weitestgehend tut es dies allerdings auch selbstständig, schließlich will ja kein Viech einfach in einen Zaun rennen. Insgesamt ist das Pferd sehr gut kontrollierbar und es macht Spaß von A nach B zu reiten, nicht zuletzt wegen der prächtigen Optik der Landschaften. Man kann sich aber auch eine Kutsche schnappen, mit dem Zug fahren, der regelmäßig durch die Landschaft fährt, oder auch die Postkutsche nehmen. Für ganz fixe Leute gibt es auch die Möglichkeit abseits der Wege und außerhalb von Stadtgrenzen ein Camp aufzuschlagen, dort zu speichern und auch auf der Karte markierte Wegpunkte ohne Verzug anzureisen.

    Für eine Handvoll Dollar

    Ein weiterer Punkt ist die Wirtschaft im Spiel. Auch hier zeigt sich RDR gegenüber GTA handzahmer und sorgenfreier, denn das Geld braucht man in erster Linie für den Kauf besserer Waffen. Dummerweise lassen sich die alten Kniffen jedoch nicht weiterverkaufen, wahrscheinlich um Dinge wie das Pokern oder die Kopfgeldjagd - beides durchaus lukrativ - zu rechtfertigen. Neben den Waffen sind auch "feste Pferde" das kostspieligste, was man in den verschiedenen Läden erwerben kann. Munition muss man jedoch selten nachkaufen - anders als in GTA etwa - denn die Feinde hinterlassen davon genug. Jedoch kann man genauso wie in GTA in manchen Siedlungen eine Behausung erwerben, die als Speicherpunkt und Schlafplatz - spielerisch zum Überbrücken der Nächte - dient. Dabei befindet sich dort auch immer eine Kiste, die man einmal täglich nach Munition plündern kann und so immer einen Mindestvorrat an Kugeln hat. Ansonsten lassen sich Utensilien wie Kleidung oder Medizin in Gemischtwarenläden, Ärztepraxen und bei Schneidern erwerben, Schießeisen natürlich bei Waffenhändlern. Aber ähnlich wie das Moralsystem ist auch das Wirtschaftssystem von RDR auch eher dazu gut, um die Atmosphäre des Spiels runder zu machen. Zu wenig Geld hat man wohl nur, wenn man ständig bei den Glücksspielen verliert, was durchaus vorkommen kann, wenn man zu viel riskiert.

    Schießerei am O. K. Corral

    Bei all diesen Ausführungen sind wir noch nicht einmal zum Kern des Spiels gelangt: Dem Kampfsystem. Das funktioniert sowohl per Pedes als auch zu Ross. Anders als in GTA, in dem zwangsweise das Schussfeld während des Fahrens eingeschränkt ist, kann man auch zu Pferde in alle Himmelsrichtungen zielen, da das Pferd während des Zielens weitgehend den Verläufen von Pfaden und Wegen folgt und auch hier die Gefahr "vor die Wand zu rennen" nicht gegeben ist. Das Schießen zu Pferd ist nicht immer ganz leicht, besonders gegen andere Reiter, wenn man es genau nimmt ist es jedoch im Grunde zu einfach. Das klingt Paradox, liegt aber insgesamt am Kampfsystem. In den Standardeinstellungen greift das Spiel dem geneigten Zocker nämlich mit einem sehr großzügigen Autoaiming-System unter die Arme. In manchen Gefechten ist dies ein Segen, da es oft sehr schwierig ist sich gegen die meist in der deutlichen Überzahl befindlichen Feinde zu behaupten, bei kleinen Gegnergruppen ist es oft allerdings zu banal und man muss bestenfalls etwas nachjustieren, um tatsächlich den Gegner hinter der Deckung zu erwischen.

    Eine weitere Erleichterung ist das "Dead Eye" genannte System, welches im Laufe des Spieles in 3 Stufen ausgebaut wird. Ist es anfangs wenig mehr als ein Zeitlupenmodus, der einen Energievorrat aufbraucht, so entwickelt es sich zu einem unter Umständen gefechtsbestimmenden Zeitlupenmodus mit Zonentreffersystem, ähnlich dem V.A.T.S. aus Fallout, nur dass man hier nicht unendlich Zeit hat eine Wahl zu treffen. So lassen sich z.B. Waffen aus den Händen der Gegner schießen - manchmal von Vorteil, wenn man dem Gegner nur eine Lektion erteilen will. Besonders sinnvoll ist diese Fähigkeit auch dann, wenn man Gegner hinter Deckung ausschalten will oder es mit zähen Gegnern bzw. Tieren zu tun hat und nur ein Kopfschuss eine schnelle Entscheidung bringt. Gerade flinke Tiere wie Wölfe und ganz besonders Pumas machen diese Fähigkeit teils sogar überlebenswichtig.

    Wer zieht schneller?

    Eine weitere - und sehr atmosphärische - Besonderheit sind die Duelle: Immer wieder wird Marston beim Schlendern durch die kleinen Städtchen von Rüpeln schwach von der Seite angeredet und zu einem Duell herausgefordert, manchmal muss er sich auch mit Widersachen in den Story-Missionen duellieren. Das Spiel inszeniert diese sehr stilecht, mit einem Kamera-Closeup auf die Gesichter der Kontrahenten. Anschließend gilt es im richtigen Moment zu ziehen, wobei es hier automatisch in den Dead-Eye-Modus geht. So hat man Gelegenheit genau zu zielen und bestimmte Körperstellen ins Visier zu nehmen oder mit einem einzelnen fatalen Treffer schnell zu gewinnen. Viele Duelle lassen sich auch mit einer Entwaffnung des Gegners entscheiden, was auch nicht gerade einfach, dafür aber umso cooler ist, als den Opponenten einfach über den Haufen zu schießen.

    Revolver oder doch lieber Flinte?

    Bei den vielen Gefechten fühlen sich die Waffen jedoch nicht immer sehr realistisch an. Die Durchschlagskraft ist einigermaßen glaubwürdig und variiert auch sinnvoll. Ein Repetiergewehr hat nicht ganz so viel Dampf und ist auf Distanz ungenauer, als ein Jagdgewehr, dafür umso sinnvoller beim berittenen Kampf und Kampf gegen eine Übermacht, da die Feuerrate höher ist. Eine Schrotlinte macht Sinn in engen Räumen wegen der hohen Durchschlagskraft auf kurze Distanz - solche Gelegenheiten gibt es aber nicht oft - während Revolver und Pistolen wohl in erster Linie in Duellen zum Eisatz kommen. Hin und wieder kann man auch feststehende Maschinengewehre übernehmen, die allerdings den Dead-Eye-Einsatz nicht erlauben und meist eher für Moorhuhn-Sequenzen zum Einsatz kommen und eher Sperrfeuer als präzise Schüsse ermöglichen. Die übrigen Waffen sind aber vor allem im Dead-Eye-Modus gespenstisch präzise. So lässt sich ein Gegner in mehr als hundert Metern Entfernung auf diese Weise auch per Revolver genauso effizient ausschalten, als mit einem Scharfschützengewehr, da man in der 3. Stufe des Dead-Eye-Modus die Schüsse "setzen" und bei Betätigung des Abzugs eine automatische Salve vom Stapel lassen kann. Allerdings ist das Ganze halb so wild, denn schließlich spielt man eine der letzten - fiktiven - Revolverlegenden des Wilden Westens.

    Fritz, bist du da? *Peng*

    Und auch wenn die KI nicht über ein "grabe dich hinter der nächsten Deckung ein, steh wie ein Depp auf und lass dich über den Haufen schießen" hinaus geht, so sind die Gefechte stets spannend, da man aufpassen muss nicht flankiert zu werden, was bei der häufigen Übermacht leicht passieren kann. Also trotz der angeführten Schwächen und der sehr "arcademäßigen" Mechaniken sind die Gefechte relativ vielschichtig und machen unterm Strich sehr viel Spaß, weil sie flüssig von der Hand gehen. Und das ist manchmal eben wichtiger, als Realismus.

    Wie im Fernsehen

    Aber ich glaube allein das Zusehen macht wahrscheinlich schon viel Spaß, denn es knallt und pfeift hier genauso wie in den tollen Spaghetti-Western eines Sergio Leone, nach jedem Schuss steigt über dem Schützen eine oft verräterische Schmauchwolke auf, Funken schlagen aus den Mündungen, Pferde werden aufgeschreckt, die Kombatanten rufen sich Beleidigungen zu, werfen hin und wieder sogar mal mit Dynamitstangen. Willkommen im Wilden Westen, wo noch das Gesetz des Stärkeren herrscht!

    Eldorado der Konsolentechnik

    In technischer Sicht macht das Spiel - zumindest auf der XBox 360, die ich hier stehen habe - eine äußerst gute Figur. Es gibt zwar hin und wieder mal Interface-Aussetzer nach Zwischensequenzen und ganz selten mal Wegfindungsprobleme bei der KI, allerdings liefert das Grafikgerüst eine grandiose Leistung ab! Das Spiel zeigt, wozu die mittlerweile fast 5 Jahre alte Konsole fähig ist, die Performance knickt selten ein, trotz stark belebter Umgebungen. Oftmals sind ganze Rudel von Tieren gleichzeitig auf dem Schirm zu sehen - eben wegen der großen Vielfalt - und auch in den Städten tummeln sich stets einige Leute, die sich miteinander unterhalten. Auch wenn die Tagesabläufe kaum über Trinken an der Bar, Pokerspiele und angeregte Unterhaltungen hinausgehen. Optisch ist das Spiel eine Wucht, die Texturen sind knackig und sehr plastisch, die Beleuchtung ist sehr glaubwürdig. Wenn man durch die Mittagshitze in der Wüste Mexikos reitet, dann blendet einen der helle Sand, die Hitze wabert in der Entfernung. Die Wettereffekte sind auch überaus gelungen, ebenso die Tag/Nacht-Wechsel, die sehr stimmungsvoll sind. Auch die Sichtweite beeindruckt, man sieht nie entfernte Gebirge oder Ähnliches aufploppen,was nicht etwa durch einen Distanznebel kaschiert wird, sondern durch eine offenkundig sehr gewiefte Skalierung der Details, sowohl was Objektdichte und -Vielfalt, als auch Textur-Details angeht. Städte sieht man schon von Weitem und durch den detailreichen Gesamteindruck der Landschaften fällt die fortlaufende Detailskallierung kaum auf. Da waren andere Titel auf der Weißen Lady schon deutlich schwächer auf der Brust, sowohl in Sachen Performance als auch Optik! Sicherlich macht sich auch die Tatsache bezahlt, dass sich eine steppen- und wüstenähnliche Landschaft leichter berechnen lässt, als eine Großstadt mit Wolkenkratzern, vielen Autos und Passanten.

    Ein Blick sagt mehr als tausend Worte

    Einziger Schwachpunkt ist vielleicht die beschränkte Mimik der Charaktere, die nur wenig Emotionen erahnen lassen. Dafür gelingt es oft gut zumindest mit scharfen Blicken und ausdrucksstarken Augen typische Westerndialoge abzuwickeln. Ein weiterer Ausgleich kommt durch den insgesamt brillanten Sound und durch die grandiose Vertonung der Dialoge, ebenso durch die professionelle Inszenierung der Gespräche, rockstartypisch nur auf Englisch, mit deutschen Untertiteln. Doch wie auch bei den GTA-Spielen ist das wohl besser so, da die markige Art der Leute von damals mit dem originalen Akzent nicht durch eine schnöde Synchro verloren geht - die Mexikaner z.B. reden viel Spanisch und holpern entsprechend mit gebrochenem Englisch rum, sehr atmosphärisch!

    Fazit

    Red Dead Redemption ist ein sehr modernes Open-World-Spiel, welches den Zauber eines seit einigen Jahren in der Kinolandschaft verloren gegangenen Genres wiederbelebt. Rockstar warf all seine Erfahrung mit diesem Spielegenre in die Waagschale und hat damit ein Meisterwerk erschaffen, welches seine geistigen Vorgänger der GTA-Serie womöglich sogar übertrumpft. Während die Gangster-Epen eher viele kleine Geschichten erzählten, die mehr als Rahmen für die vielen verschiedenen Herausforderungen und Minispiele dienten, so ist Red Dead Redemption ein weitläufiges Abenteuer mit viel Spannung und Emotion, das die große spielerische Freiheit eher zur Authentizität nutzt. Ich kann dieses Spiel nur dringend jedem PS3- und XBox-360-Besitzer empfehlen! Und ich hoffe sehr stark, dass das Spiel vielleicht doch noch seinen Weg auf den PC findet, auch wenn Rockstar entsprechende Vorhaben noch dementiert.

Kommentare

Um einen Kommentar zu schreiben, melde dich einfach an und werde Mitglied!
Top