Ich bin ein kompetitiver Mensch; unglaublich ehrgeizig und zielstrebig, dazu dann auch noch fleißig, sowie körperlich und mental ausdauernd. Perfekte Voraussetzungen für eine Sportkarriere, oder auch um im Gaming auf Leistung viel erreichen zu können. Rückblickend ist mir dies in meinem Sport, dem Fechten, tatsächlich auch gelungen, war in einer Sportfördergruppe und hatte auch im E-Sports vorzeigbare Erfolge. Mitte 20 habe ich aufgehört.
Gewinnen und Verlieren…
Wer kompetitiv spielt, egal ob im Sport oder am Rechner wird ihn kennen, den süßen Geschmack des Sieges, wenn alles zusammen kommt. Ein Hochgefühl und Rausch, möchte man oftmals meinen, aber leider nur von kurzer Dauer. Wenn man in etwas gut ist, gewinnt man oft. Man gewöhnt sich an den Triumph und schneller als einem lieb ist, erwartet man von sich selbst, noch mehr Erfolg zu haben. Um es verknappt zu sagen, der Erfolg wird der Normalfall und jede potentielle Niederlage verkommt zum Betriebsunfall. Und jeder kleine Unfall wird analysiert. Die Fehler und Schwächen gesucht, und viel zu oft, ist es gar nicht die Stärke des Gegners, sondern die eigene Unzulänglichkeit mit der man konfrontiert ist. Und das frisst sich in einen rein, zumindest in mich. Das nagende Gefühl, im entscheidenden Moment eben nicht das gebracht zu haben, was vielleicht möglich gewesen wäre. Letztlich war dies der Anfang des Weges, der über Zweifel immer mehr in Richtung Selbsthass führte.
ELO, Competitive Matchmaking und das 50:50-Dilemma
Schauspieler kennen es. Fifa-Spieler auch. Und in der Zwischenzeit ist es auch in Shootern Gang und Gäbe, dass man versucht gleichwertige Spieler gegeneinander zu stellen. Was auf dem Papier nach einer großartigen Idee für Zuschauer klingt, kann für den Spieler zu einer echten Tortur werden. Auf einmal geht es in jedem Gefecht (wie gesagt, ich war Fechter) um wichtige Weltranglistenpunkte. Und obwohl ich am Degen besser als 99,9% der Weltbevölkerung bin, kann ich nur eine ausgeglichene 50-50%-Sieg-Niederlagen-Bilanz aufweisen. Natürlich ‘weiß’ man, dass man gut ist, aber in der eigenen Bubble nimmt man dies nicht so wahr. Es gibt ein spannendes Zitat von Laurent Fignon, einem ehemaligen Radprofi: “Es wird nicht leichter, man fährt nur schneller!”
Exhibitions taugen nichts
Im Fechten gab es zu meiner aktiven Zeit vielleicht 100 Menschen, die besser waren als ich und nochmal so viele, die sich mit mir auf meinem Niveau messen konnten. Das führt dazu, dass ich gerade im Nachwuchstraining, in dem ich mich engagiert habe, nachdem es für die absolute Weltklasse eben nicht genug war, eben auch so war, dass ich meine Schüler dann doch deklassiert habe. (Körpergröße hilft natürlich auch). Dennoch war es dann so, dass wenn man auf der Plange stand, eben doch der Könner war, und man eben dann doch merkte, wie verbissen mancher versuchte, einen Treffer zu landen. Auch wenn das ganze oft freundschaftlich geprägt war, war es eben kein Spiel mehr, sondern doch Ernst. Man hat ja einen gewissen Ruf zu verteidigen, und man möchte ja auch nichts geschenkt haben. Auch dieses Verhalten hat mir die Freude an meinem Sport genommen.
Macht es besser. Seid besser als ich.
Diese ganzen Mechanismen nagen an einem. Seit mein Talent mit 12 Jahren jemandem aufgefallen ist, und ich gezielt gefördert wurde, stand ich auch unter sportpsychologischer Betreuung. Dies weiter auszuführen, würde hier den Rahmen sprengen, aber im Kern hat sie geholfen, dieses Leistungs-Hamsterrad für 15 Jahre in Bewegung zu halten. Ob ich dies als gut oder schlecht bewerten mag, ist eine ganz andere Frage. Der Sport hat mir Türen geöffnet. Aber der Preis war nicht gering. Ich hatte das Glück, halbwegs gut aufgehoben zu sein. Daher würde ich den Weg wohl wieder beschreiten. Aber mit Sorge sehe ich auch, dass dieselben kompetitiven Elemente, mit der Siegeszug des E-Sports, auch immer mehr in Kinderzimmern ankommen. Je kompetitiver das Umfeld wird, je größer das Rattenrennen um den Sieg wird, desto angespannter wird die eigene Stimmung. Und am Ende wird in den meisten Fällen aus Anspannung eben Frustration werden. Und so vergiften wir uns unsere Communities.
Nicht für den Leistungssport gemacht.
Die meisten Menschen sind mental nicht für den Leistungssport gemacht. Ich auch nicht. Nur mit intensiver, professioneller Betreuung konnte ich das durchstehen. Dies gilt wohl für die meisten. Daher ist es wichtig, sich selbst zu Kennen und eben den Stecker zu ziehen, aufzuhören, bevor man sich selbst oder andere um sich herum kaputt macht.
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