Die Herausforderungen von gutem Gamedesign – Ein Einblick in die Entwicklung von Founders' Fortune

Dieses Thema im Forum "Entwicklerforum" wurde erstellt von RobotK, 14. April 2019.

  1. RobotK

    RobotK
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    28. Januar 2019
    Beiträge:
    5

    Hallo liebe Gamestar-Community,

    vielleicht erinnert sich der ein oder andere an meinen letzten Post zu unserem Koloniesimulator Founders‘ Fortune. Inzwischen sind wir in der Entwicklung um einiges weitergekommen und haben gestern mit dem Kolonisten-Update einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Fertigstellung erreicht. Ich dachte mir ich gebe euch mal einen kleinen Einblick in unseren Entwicklungsprozess und habe dazu einen kleinen Artikel verfasst:


    Das Problem mit neuen Gameplay-Mechaniken

    Wir alle hier verbringen gern Zeit mit Videospielen, erleben Geschichten, erkunden fremde Welten, sammeln wertvolle Ausrüstung, messen uns mit anderen Spielern oder der KI... Unsere Vorlieben sind verschieden und manifestieren sich in einer sehr heterogenen Spielelandschaft. Besonders in den letzten Jahren ist die Auswahl vor allem dank zahlreicher Indiespiele geradezu explodiert. Diese bedienen hauptsächlich speziellere Nischen, die für große Studios oftmals nicht rentabel wären. Meist kommt es vor allem hier zu Innovation: Ganz neue Gameplay-Ideen entstehen, die sich über die Jahre weiter entwickeln, wachsen und letztendlich auch von ganz großen Studios aufgegriffen werden können. Gute Beispiele aus hierfür sind Dota oder Playerunknown’s Battlegrounds. Beide Projekte, ursprünglich als Mod gestartet, waren maßgeblich für die Entwicklung neuer Spielegenres verantwortlich.

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    Brendan Green, der Creative Director von Bluehole, arbeite vor dem Erfolg PUBGs an Battle Royale Mods für Arma II und Arma III.

    Doch warum gehen diese Entwicklungen meist von kleineren Indiestudios oder gar Einzelpersonen aus? Haben große Spieleschmieden wie EA, Ubisoft und Co mit so viel finanziellem Spielraum im Rücken nicht mehr Möglichkeiten? Seit ich selbst damit begonnen habe Videospiele zu entwickeln, konnte ich einen Einblick von einer ganz anderen Perspektive bekommen:

    Gutes Gamedesign ist sehr schwer und an neuen Mechaniken muss sehr lange gefeilt werden!

    Die auch auf Gamestar geführte Diskussion rund um die Probleme bei Anthems Entwickler Bioware verdeutlichen diese Erkenntnis. Haben doch auch sie über Jahre hinweg die verschiedensten Ansätze für ihren Lootshooter verfolgt, sich jedoch erst sehr spät auf eine Grundausrichtung des Spiels geeinigt. Ich verweise an dieser Stelle auf den äußerst interessanten Bericht von Jason Schreier!

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    Leider verlor Bioware viel Zeit mit der Suche nach der richtigen Richtung für Anthem. Ob sie diese noch finden werden steht in den Sternen.

    Dass Bioware so lange brauchte, um eine gute Gameplaymechanik zu finden kann ich inzwischen besser nachvollziehen: Schnell sind viele tolle Ideen gesammelt, Konzepte erstellt und Pläne geschmiedet. Für unser Spiel hatte ich zum Beispiel bereits an zwei Tagen 25 Seiten Stichpunkte an möglichen Features und Inhalten gesammelt. Am Ende läuft es aber meist doch ganz anders als ursprünglich geplant und es muss nachgebessert werden. Ein Beispiel gefällig?


    Unausgereiftes Gamedesign im Farming Update von Founders‘ Fortune


    Vor etwas mehr als einem Monat brachten wir nach langer Arbeit das Farming-Update für unseren Koloniesimulator heraus. Darin erweiterten wir das Nahrungssystem unseres Spiels indem wir die Ernährungsansprüche der Kolonisten mit der Zeit ansteigen ließen. Auf dem Papier hörte sich das ganz gut an: Wir fügten neben Tomaten und Äpfel nun auch Kartoffeln, Kürbisse Erdbeeren und Weizen in das Spiel ein und entwickelten eine dreistufige Kochmechanik (Lagerfeueressen, Küchenessen, Bäkereiessen). Da die Pflanzen jeweils nur in bestimmten Jahreszeiten wachsen und es im Winter keine Möglichkeit gibt an Nahrung zu kommen, waren wir davon überzeugt, dass diese Mechanik durchaus ein paar Stunden herausfordern und unterhalten würde.

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    In unser Farming Update steckten wir viel Zeit und Hoffnungen. Leider konnte das Gameplay unsere Erwartungen nicht erfüllen.

    Naja, schön sieht das Ganze ja zumindest aus und auch unsere Spieler freuten sich auf das angeteaserte Update! Den erhofften Sprung in langfristiger Unterhaltung hatten wir damit jedoch nicht geschafft. Der durchschnittliche Spieler verbrachte nur zwei Stunden in unserem Spiel. Mit Blick auf den Median waren es sogar nur knapp 50 Minuten. Für eine Alpha ist das schon in Ordnung, aber vor dem Farming Update war die Spielzeit bereits ähnlich hoch.

    Auch so manche Gameplaymechaniken, die das Spiel komplexer machen sollten, waren nicht zwangsläufig eine Bereicherung. So bestand eine Chance, dass Kolonisten sich Wunden zuziehen konnten, die dann mit Bandagen verbunden werden mussten. Letztere wurden extra über eine spezielle Werkbank hergestellt, wofür ein Arzt auf Stufe 1 und ein paar Einheiten Baumwolle nötig waren. Diese zugegebenermaßen doch recht umständliche Mechanik führte dazu, dass es im Ernstfall leider oft zu unnötig hohen Verlusten kam. Noch dazu war sie nicht wirklich selbsterklärend, wir mussten also Tutorial-Texte schreiben und wer liest sich die schon gerne durch? Das Ende vom Lied: Schon wieder Zeit „fehlinvestiert“. Ich verwende hier bewusst Anführungszeichen, da es oftmals einfach nicht möglich ist sowas vorauszuahnen. Nicht umsonst werden neue Mechaniken in der Spieleentwicklung über Protoyping und Grayboxing erst getestet, bevor sie richtig produziert werden.

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    Waren erst einmal alle Pflanzen angebaut und die neuen Produktionsmöbel erworben, hatte das Update nicht mehr viel Unterhaltungswert.


    Besseres Gamedesign?


    Wir haben das auf die harte Tour lernen müssen, aber Irren ist ja menschlich wie man so schön sagt und aus Fehlern lernt man! Für das Kolonisten-Update, das wir gestern veröffentlichten, passten wir unseren Entwicklungsprozess etwas an: Zunächst hatten unsere Einfälle gesammelt und testeten sie isoliert in extra dafür angefertigten Spielumgebungen. Wir gingen dabei jeweils in ganz unterschiedliche Richtungen und experimentierten mit neuen Gegnern, Handelsmechaniken und der Psychologie unserer Kolonisten, an der wir letztendlich auch hängenbleiben sollten. So konnten wir ermitteln welche Idee unser Spiel am meisten in die richtige Richtung lenken würde.

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    Um neue Mechaniken in Spielen zu testen, wird auf "Grayboxing" zurückgegriffen. Einfache geometrische Formen dienen hier als Platzhalter für zeitintensivere Modelle, während auf Animationen größtenteils verzichtet wird.
    Die Allerheilslösung ist das natürlich nicht! Den Einfluss von rein visuellen Spielelementen kann man (zumindest meiner Meinung nach) nicht immer mit Grayboxing erfassen. Stellt euch vor ihr testet einen Aufbauspiel mit sehr rudimentär implementierter Handelsmechanik, bei der unsichtbare Käufer an Ständen (einfache Boxen) Waren kaufen. Die Mechanik selbst kann so zwar schnell angetestet werden, visuell ansprechend ist das Ganze aber nicht. Dazu kommt, dass man sich in einem Entwicklerteam natürlich nicht immer einig ist! Zwar sind wir nur zu zweit, aber dennoch geraten wir mit unseren Vorstellungen und Gameplayvorlieben des Öfteren aneinander. Emotional aufgeladene Diskussionen sind dann manchmal unausweichlich, denn jeder will das Bestmögliche für das Spiel...

    Jedes Spiel braucht Ziele, auf die man hinspielen kann und die über längere, sich teils wiederholende Abschnitte hinwegtrösten sollen. In vielen neueren Onlinespielen wie beispielsweise The Division 2, Anthem oder auch Call of Duty, übernimmt diese Aufgabe das Loot, an dem sich netterweise auch eine Menge Geld über Mikrotransaktionen verdienen lässt (Lootboxen hust hust). Weitere Beispiele für motivierende Ziele wären: Das Abschließen einer Geschichte, das Meistern einer Gameplaymechanik, das Besiegen von immer mehr Gegnern, Steigende Zahlen (Wirtschaftssimulation oder Schadenswerte), ...

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    Bei einem Anblick wie diesem, dürfte dem ein oder anderen Spieler sicher das Herz aufgehen! :D

    Für das neue Update haben wir uns letztendlich für drei tiefgründigere Gameplayänderungen entschieden, wobei eine als zusätzliches Hauptziel neben unserem Technologiebaum funktionieren soll, während die beiden anderen als eine Art Zwischenbeschäftigung dienen sollen:

    1. Die Erwartungen unserer Kolonisten (Hauptziel)
    Um die Kolonie wirtschaftlich voranzutreiben ist es nötig weitere Siedler aufzunehmen. Ging das zuvor noch ohne Voraussetzungen ganz automatisch, ist es jetzt zunächst nötig die Bedürfnisse der Kolonisten zu erfüllen und ihren Lebensstandard auf ein gewisses Niveau zu bringen. Erst sobald das erreicht ist, wird die Kolonie von potenziellen Neuankömmlingen als lebenswert genug empfunden. Mit diesem System konnten wir bereits bestehende Spielinhalte, wie zum Beispiel das Bauen oder die Farmingmechanik aufgreifen und sinnvoll erweitern. Wachstum ist in Strategie- bzw. Aufbauspielen dabei ein ganz natürliches Ziel und sorgt für Motivation aber auch gleichzeitig für mehr Arbeit für den Spieler. Neue Siedler bestehen schließlich auf die gleiche Grundversorgung wie die anderen Einwohner der Kolonie und erhöhen gleichzeitig wiederum deren Ansprüche. Bis zur nächsten Wachstumsmöglichkeit ist der Spieler also wieder gut beschäftigt! Toll oder?

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    Unser Wilhelm hätte am liebsten nur bestes Essen und die vornehmsten Möbel. Außerdem scheint er eifersüchtig auf Konrad zu sein, der anscheinend ein schöneres Schlafzimmer sein eigen nennen kann.​

    2. Die Stimmung unserer Kolonisten (Zwischenbeschäftigung)
    Um das Ganze etwas aufzubrechen soll der Spieler zwischen den einzelnen Meilensteinen kleinere Teilziele verfolgen. Dazu rücken wir die Siedler etwas weiter in den Mittelpunkt. Ihre Stimmung und Emotionen sollten die Spieler ständig im Auge behalten und gegebenenfalls entsprechend mit Maßnahmen reagieren. Vernachlässigt er die Siedler zu Gunsten von Forschung, werden sie unzufrieden, machen ihrem Ärger Luft und ziehen so die Aufmerksamkeit auf sich. Diese Nervenzusammenbrüche sind klar von Dwarf Fortress oder auch Rimworld inspiriert, sollen aber in unserem Spiel nicht die Überhand nehmen. Rimworlds Hauptentwickler Tynan Sylvester sieht seinen sehr erfolgreiches Spiel schließlich als Geschichtensimulator, weshalb auch exzellent spielende Spieler dort ständig mit Problemen und teils doch recht unfair wirkenden Krisen konfrontiert werden. In einem Vortrag gibt er ganz interessante Einblicke in die Entwicklung des Spiels. Wer des Englischen mächtig ist und Rimworld gespielt hat, sollte sich diesen unbedingt etwas ansehen!

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    Haben unsere Kolonisten schlechte Laune, legen sie auch mal die Arbeit nieder oder haben einen kleinen Wutanfall. Wenn sie dann gerade mit scharfen Werkzeugen gearbeitet haben, kann das schnell problematisch werden. ;)

    3. Die Wünsche der Kolonisten (Zwischenbeschäftigung & teilweise für Hauptziel nötig)
    Ähnlich wie in Sims haben wir den Siedlern individuelle Wünsche verpasst, die in Abhängigkeit des Spielfortschritts variieren können. Die Kolonisten verlangen zum Beispiel nach neuen Möbelstücken, Technologien oder Beförderungen. Dabei soll das Erfüllen von Wünschen nicht als reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme dienen, sondern auch langfristig Vorteile mit sich bringen: Kommt der Spieler den Sehnsüchten seiner Schützlinge nach, erhalten diese neben temporären Stimmungsboni „Lebenszufriedenheitspunkte“ (schönes Wort oder?). Mit diesen lassen sich ihre Charaktereigenschaften editieren, was sie wiederum zu wertvolleren Mitgliedern der Kolonie macht.

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    Wünschen können sich unsere Kolonisten vieles: Neue Möbel, eine Beförderung, die Erforschung einer Technologie, ... Manchmal geben sie sich aber auch schon mit einer bestimmten Mahlzeit zufrieden.​


    Abschließende Gedanken


    Während uns das Umdenken wirklich weiterhalf und wir mit dem aktuellen Update ein deutlich besseres Gefühl haben (Der Einfluss auf die Spielzeit wird sich in den nächsten Wochen zeigen), ist es natürlich auch weiterhin schwierig die Gefühle und Erfahrungen von Spielern vorauszusagen. Mit jedem Spiel, das sich durchsetzen kann und erfolgreich ist, scheitert eine x-fache Zahl an Entwicklern mit ihrer Idee und all ihre harte Arbeit bleibt unbeachtet. In diesem Kontext lässt sich der interne Stress bei vielen großen Videospielentwicklern wohl noch besser nachvollziehen. Es greifen so viele Teilbereiche ineinander, doch am Ende ist das Produkt nur so stark wie das schwächste Glied in der Kette…

    Ich hoffe euch hat mein Einblick in die Entwicklung von Founders’Fortune gefallen. Solltet ihr selbst beurteilen wollen, ob unsere neuen Mechaniken besser funktionieren, könnt ihr euch die kostenlose Alpha-Version mit Kolonisten-Update von unserer Website (www.foundersfortune.com) herunterladen! :D

    Auf unserem Forum, Twitter, Instagram oder einfach per Mail könnt ihr uns jederzeit Fragen stellen, Feedback geben oder uns eure Wünsche und Anregungen mitteilen. Auch auf den von Fans moderierten Discord Server und Subreddit sind wir selbstverständlich anzutreffen. ;)

    Vielen Dank fürs Lesen und viel Spaß beim Spielen!

    René

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    Zuletzt bearbeitet: 14. April 2019
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