The Game Awards 2014 - Mehr Werbeshow als Preisverleihung

Der Männer-TV-Sender Spike hat jahrelang die peinlichste Preisverleihung der Spielebranche auf die Beine gestellt. Mit The Game Awards wagt der Moderator Geoff Keighley einen Neustart. Unser Autor Dennis Kogel war in Las Vegas dabei und erlebte – eine Werbeveranstaltung.

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#worldpremiere! Weltpremiere! Exklusiv, exklusiv, exklusiv, ganz neu und hier und heute zum ersten Mal! Wenn die Oscars wie die Game Awards wären, dann liefen dort nur Teaser-Trailer für alle Marvel-Superheldenfilme der nächsten fünf Jahre. Über drei Stunden lang hat der Moderator Geoff Keighley eine Show präsentiert, die den Vorsatz hatte, Entwickler auszuzeichnen, ihr Publikum dann aber vor allem mit neuen Trailern beschoss. Die Preise selbst waren Nebensache.

Dabei verfolgte Keighley mit seinen Game Awards ein nobles Ziel: die Spiele-Preisverleihungen aus der Trash-TV-Tonne zu fischen. Das ist nötig. Der Vorläufer der Show hieß Video Game Awards (VGAs) und war eine Witzveranstaltung, die niemand in der Spieleindustrie ernst nehmen konnte, aber gerne nutzte, um Videospieltrailer im Fernsehen auszustrahlen, genauer gesagt: auf dem Männersender Spike.

Also auf einem Sendeplatz zwischen Reality-Shows über schlimme Tattoos, tolle Polizisten und Preisverleihungen an Sandra Bullock für »ein Jahrzehnt Hotness«. Moderiert wurden die VGAs von einem immer irgendwie deplatziert wirkenden Geoff Keighley und gelangweilten Stars wie Samuel L. Jackson.

Dennis Kogel

Der Tiefpunkt kam letztes Jahr: Weil die Quoten niedrig waren, wurde der Award umbenannt. Von VGA zu VGX (Weil ein X alles extremer, frischer, jugendlicher machtx!). Durch die Show führte Joel McHale (bekannt aus der TV-Serie »Community«), der nicht nur lustlos wirkte, sondern sich auchüber die gesamte Preisverleihung lustig machte und den mitmoderierenden Keighley zu einem stammelnden Versager degradierte. Für die Spielebranche waren die Video Game Awards keine gute Imagepflege, vom Glamour und der Bedeutung einer Oscar-Verleihung ungefähr so weit entfernt wie Uschis Pommesbude vom Sternerestaurant.

Mit Spielen werden weltweit Milliarden verdient, Millionen Menschen lieben und leben sie. Dennoch hat es die Industrie bislang nicht geschaffe, sich angemessen und würdevoll zu feiern. Dieses Jahr will es Keighley besser machen, fast in Eigenregie hat er die neuen Game Awards konzipiert und finanziert. Und mal ehrlich, es konnte ja nur besser werden.

Award-Tonne

Und, ja, klar, es wurde auch besser. Die Game Awards sind eine professionell produzierte, modern wirkende Show, die zeigt: Games-Kultur ist Mainstream. Über den Abend verteilt stellt der Late-Night-Superheld Conan O'Brien die Nominierten für den»Spiel des Jahres«-Award in kurzen, humorvollen Einspielern vor. Der 24-Star und Solid-Snake-Sprecher Kiefer Sutherland plaudert auf der Bühne mit Verehrung über seinen»Big Boss«Hideo Kojima, und deutet an: Hollywood schaut auf Spieleentwickler. Mit Neid.

Imagine Dragons musizieren mit Koji Kondo vor dem Horrormond aus The Legend of Zelda: Majora's Mask. Imagine Dragons musizieren mit Koji Kondo vor dem Horrormond aus The Legend of Zelda: Majora's Mask.

Dan Reynolds, Frontmann der Chartband Imagine Dragons, erzählt wie Atari die Kindheit geprägt und League of Legends die Aufnahmen zum neuen Album torpediert hat - und spielt dann gemeinsam mit seiner Band und der Videospielmusik-Ikone Koji Kondo (Super Mario Bros., The Legend of Zelda) »It's Time« auf der Bühne.

»Normalerweise geht es hier um eine Sache... um die Stars, die bezahlt werden, um ein paar Minuten lang so zu tun, als ob sie sich für Spiele interessieren«, scherzt Tim Schafer, Chef von Double Fine und gern gesehener Industrie-Event-Moderator, bei der Preisverleihung für die beste Schauspieler-Performance in einem Spiel, »aber nicht dieses Jahr! Dieses Jahr ist alles echt und Ihr bekommt Moderatoren wie mich! Vielleicht nicht so hübsch, aber viel, viel ...wie war das Wort noch mal? Billiger!«

Gamer, alles Gamer

Niemand wirkt, als müsse er da sein. Alle wollen - auch vielleicht, weil es anders gar nicht ginge. Geoff Keighley hat die Awards aus eigener Tasche finanziert und wer keine Reality-TV-Shows produziert, der hat eben auch kein Budget für Samuel L. Jackson. Das ist okay. Mehr noch: Das ist toll!

Geoff Keighley verleiht den Preis für das Spiel des Jahres an Dragon Age: Inquisition. Geoff Keighley verleiht den Preis für das Spiel des Jahres an Dragon Age: Inquisition.

Klar, die Bekundungen eines jeden Moderators zum Spielertum (»Bevor ich erfolgreicher Schauspieler und Multimillionär wurde, war ich ... ein Gamer!«) hatten etwas von einem konspirativen Treffen eines dunklen Kults: Yeah, wir sind Gamer, auch wenn wir's sonst nicht offen zugeben! Es ist aber immerhin schon ein Fortschritt angesichts von Preisverleihungen, in denen die Moderatoren sich für das Medium Spiel offensichtlich überhaupt nicht interessieren und damit auch nicht vertraut sind (Hallo, Deutscher Computerspielepreis!).

Der Rahmen und der Ton der Game Awards stimmen also. Bleiben bloß: die Preise. Die sind nach wie vor ein Witz. Nur einige wenige Trophäen werdenüberhaupt auf der Bühne verliehen, von Moderatoren wie Tim Schaefer, vorgestellt mit kleinen Einspielern und Dankesreden der Entwickler. Der Rest wird unzeremoniell unter der Bühne vergeben, sodass es das Publikum fast nicht mitbekommt.

»Eine Sache, die ich noch erwähnen wollte, Reggie«, sagt Keighley zum amerikanischen Nintendo-Boss Reggie Fils-Aime, nachdem Hearthstone als bestes Mobile Game ausgezeichnet wurde.»Ihr habt übrigens noch den Preis gewonnen fürs beste Kampfspiel mit Super Smash Bros. U. Und noch was: Bester Entwickler seid Ihr auch. Das geht auch an Nintendo.«

Der Preis für den besten Entwickler des Jahres! An Nintendo! Was für ein Zeichen der Jury! Was für ein diskussionswürdiger Moment! Abgehandelt in einem Nebensatz. Keighley hätte loben können, dass Nintendo bei aller vermeintlichen Totgesagtheit angesichts der schlechten Wii-U-Verkäufe immer noch ein Hort der Kreativität ist, ein Zauberland der bunten Ideen, die uns zurückversetzen in die eigene Kindheit, als wir mit großen Augen das neue Starfox über die Anspielstationen im Kaufhaus flimmern sahen. Beispielsweise.

Doch stattdessen geschieht was? Reggie dankt, Keighley holt noch den Hearthstone-Entwickler Eric Dodds zum Danken zu sich, und gleich darauf läuft schon der Trailer für das neue 3DS-Taktik-Spiel Codename STEAM. Hallo?

Der amerikanische Nintendo-Chef Reggie Fils-Aime guckt ernst: Er darf jetzt neue Trailer vorstellen. Der amerikanische Nintendo-Chef Reggie Fils-Aime guckt ernst: Er darf jetzt neue Trailer vorstellen.

Besonders verwirrend ist das, wenn Keighley den Preis für den eSportler des Jahres an den Call of Duty-Profi Matt»NaDeSHoT«Haag mit den Worten verleiht, man wolle der Gaming Community mehr Platz einräumen, und ihr dann aber tatsächlich nur ein paar Minuten Platz in der Show einräumt. Das ist bitter, weil die Preise von einer hochkarätigen Jury prominenter, internationaler Journalisten verliehen werden. Bloß: Niemanden kümmert das.

Selbst interessante, neue Kategorien wie »Games for Change«, in der Spiele wie This War of Mine nominiert waren und Ubisofts Erstes-Weltkriegs-Comicdrama Valiant Hearts gewann, werden nur ganz kurz angerissen. Stattdessen: Trailer. #worldpremieres. Genau wie auf Spike TV sind die Preise, die ausgezeichneten Spiele, die besonderen Menschen unwichtig. Wichtig ist das, was erst noch kommt. Denn nur das verkauft sich, nur das interessiert die Spieler. Scheint man in der Industrie zumindest zu denken.

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