Seite 2: Mit Steam OS auf dem Weg zur Steambox - Macht's Valve besser als der Windows-PC?

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Steam für Linux

Im Februar 2013 folgte dann der Steam-Client für Ubuntu Linux, für den es inzwischen 198 Titel gibt. Laut Newell sollen die bei diesen Projekten gewonnenen Erfahrungen helfen, künftig Spiele einfacher und schneller für Linux umzusetzen. Auch andere Studios sollen von Valves Arbeit profitieren. Dazu entwickeln die Half-Life-Erfinder derzeit nach Angaben von Newell einen Debugger, also ein Werkzeug, mit dem Programmierer ihren Code auf Fehler abklopfen und an die Hardware anpassen können. Ein solches Hilfsprogramm sei ein häufig geäußerter Wunsch von befreundeten Entwicklern.

Der nächste wichtige Schritt sei dann eine eigene Hardware-Basis für Linux - also die berüchtigte (allerdings von Newell nicht namentlich genante) Steambox, die bereits seit Monaten durch die Gerüchteküche geistert, über die bislang aber wenig Konkretes zu erfahren war. Das dürfte sich aber bald ändern, denn Valve will endlich offizielle Informationen zu den hauseigenen Hardware-Plänen veröffentlichen.

Steam Big Picture - Screenshots ansehen

Universell spielen - egal wo und womit

Ein wichtiger Bestandteil von Valves Zukunftsvision ist laut Newell die Verschmelzung der »Wohnzimmer-Erfahrung« des Konsolenlagers und der »Schreibtisch-Erfahrung« bei PCs. Unter anderem deshalb habe Valve Ende vergangenen Jahres den »Big Picture Mode« in Steam eingebaut. Das ist quasi eine Vollbildoberfläche des Steam-Clients für den Fernseher, die sich mit dem Gamepad statt mit Maus und Tastatur steuern lässt und die für diese Eingabemethode optimierte Spiele sowie einen Webbrowser integriert. Newell störte sich in seinem Vortrag daran, dass Konsolen bislang ihre eigene Nische belegten und schlecht mit anderen Unterhaltungsgeräten zusammenarbeiteten.

Auch das ist eine unbelegte und einigermaßen befremdliche These angesichts der Tatsache, dass sich schon die Xbox 360 und die Playstation 3 im Heimnetzwerk recht wohl fühlen (Film- und Musikübertragung, Steuerung per Smartphone etc.) und die Verknüpfungsmöglichkeiten mit der kommenden Generation noch wachsen sollen. Im Folgenden griff Newell allerdings einen validen Kritikpunkt auf: Dass sich Kunden mehrere Versionen ein und desselben Spiels für verschiedene Plattformen kaufen müssen, wundert nicht nur ihn.

Die neuen Konsolen Playstation 4 und Xbox One dringen mit ihrer Indy-Unterstützung in die bisherige Domäne von Steam vor. Die neuen Konsolen Playstation 4 und Xbox One dringen mit ihrer Indy-Unterstützung in die bisherige Domäne von Steam vor.

Newell hielt dem sein Ideal von universellen Spielen entgegen, die man im Wohnzimmer genauso genießen könne wie unterwegs oder am Schreibtisch und die sich mit dem Gamepad genauso gut steuern ließen wie per Touchscreen oder der Maus. »Linux ist offensichtlich die geeignetste Plattform, um dieses Ideal zu erreichen - nicht die proprietären Systeme anderer Hersteller. Nur Linux kann Mobilgeräte, den Desktop und das Wohnzimmer zusammenführen«, behauptete Newell. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, gab er freilich zu. Seinen Angaben zufolge würden derzeit nur rund 1 Prozent aller Spieler das Open-Source-OS unterstützen.

Was kann Steam OS?

Viele altgediente PC-Spieler lassen Gabe Newells Analysen und Zukunftsvision etwas ratlos zurück. So blendete der Milliardär in seiner Ansprache einige Eigenheiten und aktuelle Entwicklungen der Branche schlichtweg aus. Beispielsweise die Tatsache, dass Microsoft und Sony (sowie in geringerem Umfang auch Nintendo oder Apple) ebenfalls fieberhaft daran arbeiten, die mobile Spielewelt der Smartphones und Tablets mit der stationären der Konsolen und PCs zu verbinden. Oder dass PCs eben nicht nur als Spielemaschinen verwendet werden, sondern auch als Arbeits- und Unterhaltungsgeräte.

In puncto Komfort und Anwendungsvielfalt genießen Windows und OS X noch manche Vorteile gegenüber Linux - was sich mit entsprechendem Aufwand aber sicherlich lösen lässt. Auch berücksichtigt Newell nicht, dass Xbox Live und das Playstation Network inzwischen Indie-Entwickler (wenn auch noch nicht Modder) mit offenen Armen willkommen heißen. Und Newells zunächst verlockender Vision vom universellen, plattformunabhängigen Spiel steht entgegen, dass sich etwa ein iPhone-Programm nicht nur in der Steuerung von einem typischen PC-Titel unterscheidet, sondern auch inhaltlich anders angelegt ist - eben auf den Einsatz unterwegs zugeschnitten ist.

Gabe Newell auf einem früheren Vortrag auf der Game Developers Conference. Der Valve-Boss hat sich in der Vergangenheit immer wieder über angebliche Fehlentwicklungen im Spielemarkt beklagt. (Bild: Masem, Creative Commons 2.0) Gabe Newell auf einem früheren Vortrag auf der Game Developers Conference. Der Valve-Boss hat sich in der Vergangenheit immer wieder über angebliche Fehlentwicklungen im Spielemarkt beklagt. (Bild: Masem, Creative Commons 2.0)

Viele Anhänger des Open-Source-Lagers stehen Valves Plänen ebenfalls eher skeptisch gegenüber. Zwar müsste auch ein Steam OS freie Software sein, da das die Lizenzbestimmungen der zugrunde liegenden Programme erzwingen, aber geschlossene Software unter Linux auszuführen, ist kein Problem. Insofern wird aus einem offenen Betriebssystem mit einer geschlossenen DRM-Software wie Steam - auch wenn sie unbestritten sehr komfortabel und dank Summer- und Winter-Sales teils auch preislich sehr attraktiv ist - noch immer keine offene Plattform, wie Newell das behauptet. Auch dürfte seine Aussage »Open Source ist die Spielezukunft« wenn überhaupt nur auf das Betriebssystem einer möglichen Steambox zutreffen, aber ganz sicher nicht auf die Spiele selbst.

Der Hersteller Xi3 preschte vor Monaten mit einem Prototypen vor - um Valves offizielle Steambox soll es sich bei dem kaum spieletauglichen Winzling jedoch nicht handeln. Der Hersteller Xi3 preschte vor Monaten mit einem Prototypen vor - um Valves offizielle Steambox soll es sich bei dem kaum spieletauglichen Winzling jedoch nicht handeln.

Wir gehen momentan davon aus, das Steam OS neben dem Betriebssystem auch ein vorinstalliertes Steam enthält, dass womöglich direkt in die Big-Picture-Oberfläche starten kann. Auch ist davon auszugehen, dass sich SteamOS wie Ubuntu Linux auf jedem vorhandenen PC einsetzen lässt - und ebenso als Software einer kommenden Steambox dient. Dabei soll es dann möglich sein, Steam-Spiele, die nur unter Windows laufen, über das heimische Netzwerk zur Steambox am Fernseher zu streamen.

Wie gut das funktioniert und ob Valve die gerade bei Shootern kritischen Latenzen im Griff behalten kann, bleibt abzuwarten - zumindest beim Streaming übers Internet schaffen das die entsprechenden Anbieter wie Online oder Gaikai derzeit nicht, mal ganz abgesehen vom matschigen Bild. Aber selbst im internen Netzwerk gibt es hier große Stolpersteine, als Beispiel sei nur WLAN genannt - nicht jeder hat seinen Spiele-PC per Kabel mit dem Wohnzimmer gekoppelt.

Manche hoffnungsvollen Nachwuchsstudios sind schon daran gescheitert, ihre Projekt bei Steam unterzubringen oder haben sich bewusst gegen die Restriktionen der Distributionsplattform (Kontoverknüpfung, Knebelverträge) entschieden. Newell mag sich darüber beklagen, dass Apple, Microsoft und Sony Mauern um ihre Systeme herum errichten und die Freiheit ihrer Kunden und Entwickler einschränken. Er erwähnt aber nicht, dass seine Firma bislang genauso verfahren ist. Ob Valves Linux-Projekt Erfolg beschieden ist, wird ganz wesentlich davon abhängen, wie offen und frei die geplante Hardware tatsächlich ausfällt. Wird die Steambox das versprochene grenzenlose Spielerparadies mit weitreichenden Aufrüstmöglichkeiten oder nur eine weitere abgeschottete Konsole? Bald wissen wir mehr.

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