Making Games Report - Wie Ubisoft seine AAA-Produktionen managed

Was sind die zentralen Anforderungen an Führungskräfte in der Games-Branche? Nach welchen Kriterien sollen Aufgaben und Verantwortlichkeiten verteilt und kontrolliert werden? Die Ubisoft-Producer Christopher Schmitz und Holger Nathrath gehen diesen Fragen auf den Grund.

An der Entwicklung von Assassin's Creed: Brotherhood waren bei Ubisoft Montreal Hunderte Mitarbeiter beteiligt. Ihnen allen wurde innerhalb eines klar definierten Prozesses ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit gelassen. An der Entwicklung von Assassin's Creed: Brotherhood waren bei Ubisoft Montreal Hunderte Mitarbeiter beteiligt. Ihnen allen wurde innerhalb eines klar definierten Prozesses ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit gelassen.

Christopher Schmitz (Head of Production, Ubisoft Blue Byte) & Holger Nathrath (Senior Producer, Ubisoft Blue Byte): »Obwohl die Spielebranche nach wie vor eine junge Branche ist, entwickelt sie sich rasant und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das zeigt sich nicht nur an der stetig wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz und den stark steigenden Umsätzen der Branche, sondern schlägt sich auch in steigenden Budgets und damit einhergehend in wachsenden Produktions- und Profitabilitätsrisiken nieder.

Seit den ersten Versuchen interaktiver Bildschirmunterhaltung in Form von Ataris bahnbrechendem »Pong« aus dem Jahre 1972 hat sich die Branche von Grund auf gewandelt. Aus Projekten, die mit viel Selbstaufopferung häufig ohne relevante Kosten in einer Garage entwickelt wurden, sind internationale Multimillionenprojekte geworden, für die große Teams mit oft hunderten Mitarbeitern benötigt werden. Solche Produktionen stellen ein gigantisches organisatorisches Unterfangen dar und können im Falle eines Scheiterns auch einen Major Publisher schnell in eine finanzielle Schieflage bringen. Um diesen neuen Anforderungen gerecht werden zu können, sind in allen Bereichen der Projektdurchführung moderne Management-Methoden notwendig.

Der Status Quo

»Management« und »Leadership« sind Begriffe, auf die man in diesem Zusammenhang unweigerlich stößt. In großen Projektteams stellen die Teamorganisation und die Verteilung von Verantwortlichkeiten in Form von Führung und Management entscheidende Faktoren dar, die den Erfolg einer Produktion immens beeinflussen. Über sie wird nicht nur in der Management-Theorie heftig debattiert. Auch in der Praxis ergeben sich immer wieder Kontroversen darüber, welche Mitarbeiter eigentlich nun in welchem Bereich Führungsaufgaben übernehmen, das Projekt lenken und entsprechend also die Zügel in der Hand halten dürfen. Konflikte über Zuständigkeiten sind entsprechend an der Tagesordnung, denn häufig sind Organisationen durch ein vielschichtiges Geflecht aus formeller und informeller Führung, strukturierender, überwiegend organisatorischer Führung sowie inhaltlicher Leitung gekennzeichnet, die den Mitarbeitern das gemeinsame Ziel – die Vision – vermitteln soll.

Jeder Mitarbeiter im Team kann potenziell andere führen und damit Leadership-Aufgaben übernehmen. Jeder Mitarbeiter im Team kann potenziell andere führen und damit Leadership-Aufgaben übernehmen.

Vor einem solch heterogenen Hintergrund können innerhalb eines Teams extreme Kräfte frei werden, die sich in unkoordinierten Machtbestrebungen äußern und damit eventuell zu schweren Spannungen führen. Dazu reicht schon das schlichte Bestreben eines einzelnen Mitarbeiters, den an ihn gerichteten Erwartungen möglichst umfassend gerecht zu werden und eine ihm anvertraute Aufgabe gut zu erfüllen. Wenn dann ein anderer Mitarbeiter womöglich ein ähnlich definiertes Ziel verfolgt, besteht die Gefahr, dass sich beide irgendwann in die Quere kommen und potenziell in einen mehr oder weniger schweren Konflikt geraten. Dies ist alles andere als zielführend und für alle Projektbeteiligten wenig wünschenswert.

Ziel dieses Artikels ist es, diese Problematik ausführlich zu analysieren und mögliche Lösungsansätze für die optimale Gestaltung von Verantwortung – und damit Macht – innerhalb eines Teams zu entwickeln und kritisch zu hinterfragen: Braucht ein erfolgreiches Team einen starken Leader und »Keeper of the Vision«, während ein anderer für das administrative Management zuständig ist? Oder ist es wünschenswerter, die Verantwortung für die Gesamtvision, die Projektarbeit und die Organisation tief in das Team zu tragen und damit den Teammitgliedern ein höheres Maß an Selbstbestimmung zuzugestehen?

Um dies genauer zu untersuchen müssen die Konzepte von »Leadership« und »Management« differenzierter beleuchtet und gegeneinander abgegrenzt werden. Hierzu haben wir die akademische Diskussion aus der aktuellen Management-Literatur kritisch reflektiert und zusätzlich unsere eigenen Erfahrungen aus Produktionen wie »Die Siedler Online« oder »Anno 1404« sowie die Erkenntnisse anderer erfolgreicher Producer erfasst und ausgewertet.

Grundsätzliche Definition

Als einer der »Erfinder« der begrifflichen Abgrenzung zwischen Management und Leadership wird vielerorts John P. Kotter angesehen – einer der weltweit führenden Wirtschaftstheoretiker und emeritierter Professor der Harvard Business School. Erstmals in einer Publikation 1982 und später in seinem Buch »A Force For Change: How Leadership Differs From Management« beschreibt er den Unterschied zwischen Managern und Führern: »Die Rolle des Managers beinhaltet eher planerische und organisatorische Aspekte, darauf ausgerichtet Abläufe zu kontrollieren und zu steuern. Leadership bedeutet dagegen, geführte Personen durch Visionen zu inspirieren und zu motivieren.«

Transparente Kommunikation und Offenheit im Team lassen die Mitarbeiter Ziele besser verstehen und tragen die Leadership in alle Ebenen. Transparente Kommunikation und Offenheit im Team lassen die Mitarbeiter Ziele besser verstehen und tragen die Leadership in alle Ebenen.

Laut Kotter schafft Leadership Kreativität, Innovation, Sinnerfüllung und Wandel. Nach dieser Definition zeichnet sich ein guter Manager durch die Fähigkeit aus, Komplexität zu reduzieren und die Effizienz des laufenden Betriebs zu optimieren. Ein großer Leader ist ein Visionär, der die Zukunft im Blick hat und die Mitarbeiter mit auf die Reise nimmt.

1998 stellte Warren Bennis, Gründer des Leadership Institute an der University of Southern California, in seinem Buch »On Becoming a Leader« die beiden Rollen einander gegenüber:

Eigenschaften eines guten Managers
Der Manager administriert.
Der Manager erstellt und pflegt Pläne.
Manager konzentrieren sich auf Prozesse und Strukturen.
Manager verlassen sich auf Kontrolle.
Manager fragen wie und wann.
Manager haben ein Auge auf dem Ergebnis.
Manager akzeptieren den Status quo.

Eigenschaften eines guten Leaders
Der Leader treibt Innovation voran.
Der Leader ist ein Original.
Der Leader entwickelt.
Leader konzentrieren sich auf Menschen.
Leader vertrauen.
Leader fragen was und warum.
Leader haben Ihre Augen am Horizont.
Leader stellen den Status quo in Frage.
Quelle: Warren Bennis »On Becoming a Leader«



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Dieser Artikel erschien in Ausgabe 03/2011 des Making Games Magazins.

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