Sieben Minuten. Die Handlung von Black Mirror 3setzt sieben Minuten nach dem Schluss des Vorgängers ein. Das Ende von Black Mirror 2war so offen wie ein Scheunentor und eine einzige Werbung für eine dritte Folge. Die damit so eine Art zweiter Teil des zweiten Teils ist, denn durch die übergangslose Fortsetzung wirkt es so, als habe der Publisher Dtp ein überlanges Spiel in zwei Hälften geteilt. Macht ja nix, wenn dann Qualität und Länge stimmen. Aber was machen die, die bisher noch nie im Zeichen des Schwarzen Spiegels gerätselt haben? Am besten erst mal den zu seiner Zeit wegweisenden ersten Teil spielen - und dann den zweiten Teil. Denn wer direkt mit Teil 3 in die Horror-Adventure-Reihe einsteigen will, versteht zu Beginn nur Bahnhof und Schlossabbrennen.
Ein junger Mann mit einer Fackel
Also: Es ist sieben Minuten nach Gemetzel, Flammeninferno und dämonischem Blutritual. Ein junger Mann mit einer Fackel in der Hand stürzt aus dem Wald mitten hinein in Black Mirror 3, sein Gesicht eine einzige Grimasse der Furcht. Unter irrem Geschrei flitzt der Kerl durch die nächtliche Botanik. »Hilfe, meine Mutter ist tot und meine Schwester, die Akademie, der Orden!« Und so weiter. Vielleicht keine so gute Idee, mit lodernder Fackel um ein gerade niederbrennendes Schloss zu rennen. So wird unser Held, der aus dem zweiten Teil bestens bekannte Darren Michaels alias Adrian Gordon, vom Fleck weg verhaftet.
Diese Anfangssequenz enthüllt grundlegende Stärken und Schwächen des Gruselabenteuers, und es zeigt sich für viele Spieler schon hier, ob sie mit Black Mirror 3 warm werden können. Denn man muss dazu über ein ausgeprägtes »Kopfkino« verfügen, also Spaß haben an Geschichten, die man durch seine Fantasie und Vorstellungskraft anreichert. Das Ausgangsmaterial dazu ist gut. Grafik und Animationen erreichen zwar längst nicht den neuesten Stand, aber sowohl Musik als auch Geräuscheffekte, die exzellente Vertonung aller Dialoge sowie die fesselnde Gruselgeschichte über die seit dem Jahr 1213 mit einem schrecklichen Fluch belegte Adelsfamilie Gordon schaffen die Basis für spannende Unterhaltung. Sofern man eben in der Lage ist, sich ausdrucksstarke Mimik und Gestik dazuzudenken.
Black Mirror 3 - Screenshots ansehen
Wer dramaturgische Schnitte und wechselnde Kameraperspektiven in Dialogen und Zwischensequenzen braucht, um der Handlung die Dramatik und den Protagonisten ihre Emotionen abzunehmen, den können vielleicht die ausgefuchsten Rätselketten und Aufgaben Marke »Kopfnuss« bei der Stange halten, die Story wird ihn kaum erreichen. Dazu wirkt es einfach zu schwach, wenn eine Figur in einer Bildschirmecke über tragische Schicksale monologisiert oder gar von abgrundtiefer Bosheit überwältigt mit Teufelsstimme Drohungen hervorpresst, aber dabei steif und starr bleibt und höchstens mal rührend ungelenk mit den Armen wedelt. Erzählen kann Black Mirror 3, spannend unterhalten auch, aber ganz sicher nicht inszenieren, da muss die Imagination des Spielers aushelfen.
Der letzte Gordon
Aber nochmal alles zurück auf Anfang: Der Amerikaner Darren Michaels ist gar keiner und heißt auch nicht so. Erst ist vielmehr der letzte männliche Nachfahre namens Adrian des besagten englischen Adelsgeschlechts Gordon, dessen Geschichte weit bis ins Mittelalter zurückreicht. Aus Angst vor dem Familienfluch, der aus den männlichen Gordons meuchelnde Monster macht, wurde Baby Adrian samt Mutter unter falschem Namen (Michaels) in die USA verschifft und in England mittels gefälschter Sterbeurkunden für tot erklärt.
Nun versucht Adrian, das Geheimnis des Fluchs zu lüften und das Böse zu vernichten. Dabei sammelt er zunächst eifrig Beweise für seine Unschuld. Schließlich wird er vom oberfiesen Kommissar verdächtigt, eine Frau ermordet, ein Schloss abgefackelt und dabei den Tod von vier weiteren Menschen verschuldet zu haben, darunter seine Mutter. Kein Wunder, dass er jeden Tag einen Pflichttermin bei einer Psychologin hat, die ihn zu seinen bizarren Alpträumen und Visionen befragt. Denn urplötzlich befallen den eigentlich sanften, freundlichen Adrian finsterste Mordfantasien, in denen er seinem Gegenüber schon mal einen Bleistift durchs Auge hämmert oder ihm mit Zerstückelung droht. Hier bringt Black Mirror 3 einen der Erfolgsfaktoren der Serie ins Spiel: die immer wieder aufkeimende Ungewissheit, ob es den Fluch und damit eine böse Macht überhaupt gibt, oder ob das Geschlecht der Gordons ganz profan mächtig einen an der Waffel hat. Geisteskranke Schlächter, degeneriert bis ins Mark.
Gar nicht degeneriert sind die Rätsel von Black Mirror 3. Wir sammeln zunächst nützliche Dinge im traditionellen Klapp-Inventar am unteren Bildschirmrand, zum Beispiel eine Karte mit Schnellreisefunktion und ein Tagebuch, in dem die wichtigsten Handlungsstränge dokumentiert und die nächsten Aufgaben festgehalten werden. Lösungs-Tipps gibt es allerdings nicht. Die Bedienung ist durchweg komfortabel, die (abschaltbare) Hotspot-Anzeige weist auf die zahlreichen interaktiven Punkte hin. Allerdings sind in der Regel nur wenige Klickstellen handlungsrelevant. Es fehlt eine Rennen-Funktion per Doppelklick, lediglich zu interaktiven Punkten und Ausgängen »beamt« sich der Protagonist; im Handlungsverlauf übernimmt der Spieler auch mal einen anderen Charakter, um so »zweigleisig « Aufgaben zu lösen.
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