Seite 2: Interview mit Cevat Yerli von Crytek - »Spiele dauern bald nur noch zwei Stunden«

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Bereit für die nächste Hardware-Generation

Making Games: Aus Spielersicht stellt es sich so dar, dass wir derzeit eine Phase der technischen Stagnation erleben. Auf dem PC gilt das fast drei Jahre alte Crysis immer noch als das technisch beste Spiel. Wird es in den nächsten Jahren endlich eine neue Evolutionsstufe geben?

Cevat Yerli: Das hängt vor allem mit dem Konsolenzyklus zusammen, beim PC liegt es aber auch ein Stückweit an den Entwicklern. Wir haben von Crysis 1 zu Crysis 2 natürlich auch einen technischen Sprung gemacht, ohne dass es einen neuen Konsolenzyklus gab. Ich glaube einfach, Crysis hatte einen technischen Qualitätspegel, der schwer zu erreichen war.

Aber wenn natürlich jetzt eine Playstation 4 und eine Xbox 1080 -- oder wie sie auch immer heißen werden -- auf den Markt kommen, dann wird es vermutlich viele Entwickler geben, die eine Menge Geld für den nächsten Qualitätssprung ausgeben werden. Ich bin davon überzeugt, dass die neue Generation irgendwann 2012 oder 2013 kommen wird.

Crysis: Bis heute der Grafik-Maßstab für neue AAA-Shooter. Crysis: Bis heute der Grafik-Maßstab für neue AAA-Shooter.

Making Games: Wie werden sich die Entwicklungskosten und die Preise in Zukunft verändern?

Cevat Yerli: Die Entwicklungsbudgets werden steigen und zu einem bestimmten Zeitpunkt stagnieren. Die Technologiebasis wird teurer werden, gleichzeitig werden die Engine-Plattformen aber auch hochwertiger. Inhaltlich werden die Spiele kürzer werden. Ich gehe davon aus, dass wir bald Spiele sehen, die nur noch zwei Stunden dauern. Die Länge eines Spiels ist praktisch eine Behinderung für den Markt. Wenn die Spiele kürzer werden, erreicht man gleichzeitig auch mehr Spieler.

Die meisten Leute wollen einfach nur mal ein, zwei Stunden spielen -- wie bei einem Film eben. Und dafür wollen sie dann aber auch nur 20 Euro digital bezahlen und nicht 50 Euro im Laden ausgeben wie bisher. Dadurch werden auch die Produktionsiterationen kürzer, es wird eine technische Stabilität einkehren, Produktionswerte werden steigen und Budgets werden irgendwann zwischen dem aktuellen Stand und rund 50% teurer liegen.

Making Games: Was sind momentan die wichtigsten technischen Entwicklungen, die man als unabhängiges Studio im Blick haben sollte?

Cevat Yerli: Künstliche Intelligenz und Animationen sind derzeit die größten Baustellen in der Spieleentwicklung. Durch Fortschritte in diesen Bereichen wird man wesentlich bessere Spielerlebnisse erreichen und auch neue Märkte erschließen können. Bis zum Jahr 2015 werden wir definitiv eine Echtzeitgrafik erreichen, die der Optik von 3D-Kinofilmen wie Avatar in nichts mehr nachstehen wird.

Dieses und andere Interviews zur Zukunft der Spielebranche lesen Sie regelmäßig im Making Games Magazin. Dieses und andere Interviews zur Zukunft der Spielebranche lesen Sie regelmäßig im Making Games Magazin.

Das Ziel bei Animationen und KI ist dann, die Glaubwürdigkeit der Grafik nicht zu unterbrechen. Meiner Meinung nach muss eine Game Engine auch eine sehr gute KI und entsprechende Animationstechnologien liefern können. Die überzeugende Grafik wird dabei 2015 wahrscheinlich schneller zur Verfügung stehen. Dementsprechend wird sie auch nicht mehr der Unterscheidungsfaktor sein.

Making Games: Wie sehr muss man als unabhängiger Entwickler andere Plattformen beobachten? Kurz gesagt: Wann kommt das erste Crytek-Spiel für das iPad?

Cevat Yerli: Man muss schon blind sein, um diese Entwicklungen nicht wahrzunehmen. Jedes Unternehmen, das agil sein möchte, muss diese Plattformen zumindest in Betracht ziehen. Man muss aber natürlich schauen, dass auch die nötige »Money Power« dahinter steht. Ein Studio wie Crytek, das sich im Highend-Bereich bewegt, kann nicht auf die Schnelle ein kleines Team dafür zusammenstellen. Das iPad finde ich persönlich eine sehr interessante Plattform. Mein Wunsch ist es ja, ein Civilization-Spiel auf dem iPad zu sehen, das würde ich sofort kaufen.

Making Games: Und wann kommt »Social Crysis«, euer erstes Facebook-Spiel?

Cevat Yerli: Das müssen wir noch mal abwarten. Vielleicht ist das gar nicht so weit weg -- oder aber es ist noch ganz weit weg. (lacht)

Ich denke aber, dass Facebook nichts wirklich neu macht, sondern einfach die technische Infrastruktur besser ausnutzt. Es wird in Zukunft noch etwas anderes nötig sein, um Social Gaming voranzubringen und besser anzubieten.

Making Games: Ihr habt mittlerweile mehr als 600 Mitarbeiter. Muss man denn auch 2015 noch als unabhängiges Studio diese Größe haben oder vielleicht sogar noch größer sein? Oder erleben vielleicht kleinere Teams eine Renaissance?

Cevat Yerli: Die Größe des Teams hängt eher davon ab, was genau man machen möchte. Wenn ich jetzt ein Startup wäre, dann würde ich ein iPad-Game entwickeln. Ich würde aber auch gleichzeitig eine iPad-Engine entwickeln und versuchen, diese zu verkaufen. Und im Anschluss die IP vergrößern. Die nächste iPad-Version hat dann eventuell mehr Power, dann werde ich zum Triple-A-Entwickler. Und irgendwann mach ich dann vielleicht mal ein Xbox-Spiel. Man sollte sich also mit den Plattformen entwickeln und immer der eigenen Leidenschaft folgen. Man kann nicht überall sein, aber man sollte immer den Zeitgeist im Blick haben.

GameStar-Redakteur Heiko Klinge im Gespräch mit Cevat Yerli. GameStar-Redakteur Heiko Klinge im Gespräch mit Cevat Yerli.

Making Games: Kommen wir zur letzten Frage: Welches Spiel würdest du 2015 persönlich gerne spielen, wenn du die technische Entwicklung weiterdenkst?

Cevat Yerli: Ich würde schon gerne etwas am Fernseher spielen -- und zwar an einem Fernseher, an den keine Konsole angeschlossen ist. Ich denke, wir werden diesen Durchbruch bald erleben und am Fernseher Kommunikation und Unterhaltung, Spiel und Film verschmelzen sehen. Und das würde ich gerne bis 2015 erleben, das Genre ist mir dabei egal.

Es geht um den »Mind Shift« und den neuen Zeitgeist, wie ein Produkt konsumiert wird. Vielleicht mit Gestensteuerung, echter Videokommunikation oder sogar direkt als TV-Show übertragbar. Auf jeden Fall eine Verschmelzung verschiedener Unterhaltungsformen, die die Leistungsfähigkeit sowohl des Internets als auch des Computers ausnutzt.

Making Games: Dann sprechen wir uns in fünf Jahren wieder und schauen, wie viele deiner Ideen umgesetzt wurden. Vielen Dank für das Interview, Cevat!

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