Seite 4: Fallout 4 im Test - Ein heikler Deal

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Brutalität in Zeitlupe

So viel zu Geschichte und Geschichten - doch wie spielt sich Fallout 4 denn nun? Generell besser als seine Vorgänger. Erstens weil mein Charakter schneller läuft und sogar sprinten kann. Letzteres kostet Aktionspunkte, wofür ich die sonst brauche, erkläre ich gleich. Die Lauferei verkürzt die früher meist quälend langsame Fortbewegung per pedes enorm.

Zweitens hat Bethesda das »Shooter-Gefühl« aufpoliert, sowohl mit dem Gamepad als auch mit Maus und Tastatur spielen sich die Schießereien deutlich geschmeidiger als in Fallout 3 sowie New Vegas. Das macht aus Fallout 4 zwar kein Halo oder Call of Duty, wirkt sich aber doch spürbar aus. Allerdings lediglich in der Ego-Perspektive, die optionale Third-Person-Ansicht bleibt umständlich, vor allem in engen Räumen. Außerdem wären noch mehr Schusskomfort schön gewesen, als passionierter Schleicher hätte ich mir beispielsweise eine Um-Ecken-Lehnfunktion gewünscht, um Gegner aus dem Versteck heraus auszuknipsen. Auch ballerwütige Mit-der-Tür-in-Haus-Faller werden eine echte Deckungsfunktion vermissen.

Die Schießereien aus der Hüfte spielen sich in Fallout 4 wesentlich flüssiger. Solchen Ghuls können wir übrigens Arme und Beine abschießen – und die Strahlungszombies kämpfen trotzdem weiter. Die Schießereien aus der Hüfte spielen sich in Fallout 4 wesentlich flüssiger. Solchen Ghuls können wir übrigens Arme und Beine abschießen – und die Strahlungszombies kämpfen trotzdem weiter.

Aber was soll's, Fallout 4 ist ja kein Shooter. Zum ebenso gezielten wie taktischen Ausschalten kann ich nämlich immer noch den traditionellen V.A.T.S.-Modus verwenden. Darin visiere ich - gegen Aktionspunkte-Kosten - gezielt die Körperteile der Gegner an. Die lassen sich dadurch verkrüppeln, zum Beispiel können Feinde mit kaputten Beinen zwar noch laufen, aber nur langsam. Zumindest theoretisch. Meiner Erfahrung nach wirkt sich das Verkrüppeln nämlich weniger stark aus als in früheren Fallouts, in denen Kontrahenten mit Behinderung fast gar nichts mehr zustande brachten. Dafür lohnt sich der V.A.T.S.-Einsatz also kaum, auch wenn er Spaß macht.

So ist das V.A.T.S.-System taktisch nicht immer wichtig, manchmal aber eben doch. Beispielsweise, wenn ich einer dick gepanzerten Todeskralle gezielt in ihren verwundbaren Bauch lasere. Monströse Militärroboter wiederum überhitzen beim Dauerfeuern so sehr, dass sie danach einige Sekunden lang abkühlen müssen - und ich kann gezielt ihren empfindlichen Fusionskern aufs Korn nehmen. Zudem lassen sich im V.A.T.S. abermals platzende Köpfe und abfallende Gliedmaßen beobachten, Fallout 4 geizt nicht mit Gewalt. Das mag manche Spieler stören, kann aber auch befriedigend sein.

Zeitlupen-V.A.T.S. Die Zeit im V.A.T.S. wird jetzt nur noch verlangsamt statt angehalten, sodass Feinde uns weiter angreifen können.

Kritische Treffer Kritische Schläge und Schüsse lösen wir im V.A.T.S.-Modus nun selbst aus.

Befriedigend ist auch die neue Mechanik für kritische Treffer. Die sind nun kein reines Zufallsprodukt mehr, sondern lassen sich im V.A.T.S. manuell auslösen. Normale V.A.T.S.-Treffer füllen nämlich eine Leiste. Sobald die voll ist, darf ich einen kritischen Schlag oder Schuss auslösen, der mehr Schaden anrichtet und garantiert trifft - eine coole, kleine Belohnung für den V.A.T.S.-Einsatz. Der kritische Schuss sollte dann natürlich ein verwundbares oder bereits angeschlagenes Körperteil treffen. Mit Perks lässt sich die Häufigkeit kritischer Treffer zudem steigern.

Anders als früher pausiert Fallout 4 in der Zielansicht übrigens nicht mehr komplett, sondern läuft in Zeitlupe weiter. Das ist sogar sinnvoll, weil ich so in Ruhe warten kann, bis mir die verlangsamten Feinde ihre empfindlichsten Körperteile zuwenden. Außerdem lassen sich Granaten direkt im Anflug abschießen. Werfen darf ich die Sprengkörper aber nicht mehr im V.A.T.S.-Modus, sondern nur noch außerhalb.

Fallout 4 - Ist das V.A.T.S. als Spielelement überflüssig? Video starten 11:52 Fallout 4 - Ist das V.A.T.S. als Spielelement überflüssig?

Schleichen fürs Überleben

Apropos: Im Gegensatz zu früheren Fallouts sind Granaten sehr nützlich, weil sie auch starke Gegner zuverlässig ausschalten. Zugleich wurden die Granaten im Test schnell zu meinem größten Feind, weil vor allem Raider mit Sprengwaren um sich schmeißen, als ob's kein Morgen gäbe. Besonders in engen Räumen kann das enorme Probleme verursachen, zumal mich Fallout 4 schon früh ins Häusergefecht gegen Banditen schickt. Einige frühe Missionen werden dadurch unnötig schwer.

Hin und wieder toben im Ödland radioaktive Stürme, die uns selbst dann verstrahlen, wenn wir irgendwo unterstehen. Sicher sind wir nur in Gebieten, die mit Ladebildschirmen von der Außenwelt getrennt sind. Hin und wieder toben im Ödland radioaktive Stürme, die uns selbst dann verstrahlen, wenn wir irgendwo unterstehen. Sicher sind wir nur in Gebieten, die mit Ladebildschirmen von der Außenwelt getrennt sind.

Auch in späteren Einsätzen schwankt die Balance manchmal stark, etwa wenn ein Feind überraschend einen »Fat Man« dabei hat, einen Mini-Atombombenwerfer. Da beiße ich schon bei einem Treffer ins Gras. Meine Überlebenschancen in solchen Fällen steigen deutlich, wenn ich als Schleicher antrete und die Situation vorher ausspähe. Zudem richten Treffer aus dem Hinterhalt mehr Schaden an. Weil aber nicht jeder Rollenspieler gerne vorsichtig herumkriecht, wäre es schön gewesen, wenn Bethesda alle Spielstile gleichwertig behandelt hätte. Andererseits sind spätere Story-Missionen tendenziell zu einfach.

Immerhin lassen sich die sechs Schwierigkeitsgrade jederzeit umschalten. Je höher, desto härter teilen die Gegner aus und desto schwächer ich selbst. Noch dazu bringen Stimpacks & Co. auf der höchsten Stufe »Überleben« weniger Lebenspunkte zurück. Im Gegenzug finde ich mehr legendäre Items. Die Stärke der Gegner passt sich überdies dezent an meinen Charakterlevel an, auf hohen Stufen treffe ich häufiger zähere Varianten der Standardgegner - in eine Gruppe Normale-Supermutanten mischen sich dann beispielsweise auch einige kampfstärkere Exemplare. Das ist aber nicht nervig, sondern hält im Gegenteil die Herausforderung hoch.

Per Terminal haben wir einen Wachroboter gehackt, die für uns Jagd auf Synths machen. Per Terminal haben wir einen Wachroboter gehackt, die für uns Jagd auf Synths machen.

Einen echten Hardcore-Modus wie in Fallout: New Vegas, in dem man auch essen, trinken und schlafen musste, hat Fallout 4 aber nicht. Und Strahlung senkt sich nicht mehr meine Attribute, sondern (wie im Mobile-Ableger Fallout Shelter) die maximale Gesundheit: Je mehr Radioaktivität ich »aufsauge«, desto weniger sonstigen Schaden vertrage ich. Zumindest, bis ich die Strahlung mit RadAway-Pillen oder einem Arztbesuch wieder loswerde. Ein kluges System, weil leicht verständlich und dennoch taktisch wichtig.

Auch Waffen und Rüstungen nutzen sich nicht mehr ab und müssen nicht mehr repariert werden. Ich persönlich finde das schade, weil es mich in früheren Fallouts zwang, beim Waffenwechsel taktischer zu denken: Das fast kaputte Plasmagewehr hob ich lieber für Notfälle auf, weil ich mir die Reparatur nicht leisten konnte. Andererseits waren Verschleiß und Flickpflicht auch immer dezent nervig. Wohl eher eine Geschmacksfrage.

Mein eigener Panzer!

Die Third-Person-Perspektive ist cool, aber unhandlich. Die Third-Person-Perspektive ist cool, aber unhandlich.

Nur eines kann in Fallout 4 trotzdem kaputtgehen und will dann repariert werden: die Powerrüstung. In früheren Fallout war die einfach eine besonders dicke Klamotte, für die ich einen bestimmten Perk brauchte. Jetzt brauche ich keinen Perk mehr, dafür ist die Powerrüstung endlich das, was sie schon immer hätte sein sollen: ein echter Kampfanzug! Von hinten steigt mein Held in das zwei Meter hohe Stahl-Exoskelett ein und stampft fortan als Ein-Mann-Panzer ins Gefecht. Ich vertrage mehr Schaden, kann mehr schleppen (zum Beispiel eine Minigun), bin besser vor Strahlung geschützt und selbst das Interface-Designändert sich. Ein großartiges Gefühl!

Kein Wunder, dass mir Fallout 4 schon im allerersten Ruinenkaff, durch das ich spaziere, eine eigene Powerrüstung samt Minigun spendiert und mich im Stahlmantel eine Todeskralle umpusten lässt. Den Kampfanzug darf ich sogar behalten und an entsprechenden Stationen einlagern, reparieren sowie mit Upgrades ausstatten, etwa einem Elektroschocker oder einem Unsichtbarkeitsmodul. Dafür brauche ich neben dem Material (dazu gleich mehr) auch die entsprechenden Fähigkeiten, fortschrittliche Rüstungsmodule setzen hochstufige Perks voraus.

Kampf in der Powerrüstung Die Todeskralle ist selbst mit Minigun ein harter Brocken, wenn wir nicht auf ihren ungeschützten Bauch halten.

Am Anzug schrauben Die Powerrüstung auszubessern und zu pflegen, ist ein wichtiges Spielelement. Perks, die unterschiedliche Rüstungsarten verbessern, gibt’s nicht, also ist mehr immer besser.

Einsteigeanimation Da wir in der fetten Vorkriegsrüstung sogar schleichen können, gibt’s eigentlich keinen Grund, sie nicht mitzunehmen.

Das Herumschrauben an meinen Powerrüstungen (ich kann beliebig viele besitzen, muss sie aber erst mal in der Spielwelt finden) verströmt ein grandioses Iron-Man-Feeling, mein Kampfanzug wird rasch mein ganzer Stolz. Schwächen hat er allerdings auch. Erstens macht er mich zwar mächtig, aber nicht unverwundbar, vor allem Granaten dellen die Rüstung schneller ein, als ich »Ihr verdammten Raider!« brüllen kann. Zweitens braucht die Powerrüstung seltene Fusionskerne als »Batterien«, bei längeren Ausflügen sollte ich immer einige davon dabeihaben. Sonst muss ich meinen saftlosen Anzug stehen lassen.

Witzig übrigens: Wenn ich im Kampfgebiet aus einer noch geladenen Powerrüstung aussteige (was jederzeit geht, etwa, wenn ich eine Werkbank verwenden will), riskiere ich, dass ein Gegner einsteigt uns den Kampfanzug gegen mich einsetzte-sodass ich meine eigene Powerrüstung zerstören muss. Nicht, dass mir das passiert wäre. Ähem. Jedenfalls schön, dass Bethesda an solche Details gedacht hat.

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