Eine digitale Schnitzeljagd

An kaum einem anderen Indie-Spiel der letzten Jahre haben sich die Geister der Spielergemeinschaft so sehr geschieden, wie an »Gone Home«. Ein...

von Geron1985 am: 20.10.2014

An kaum einem anderen Indie-Spiel der letzten Jahre haben sich die Geister der Spielergemeinschaft so sehr geschieden, wie an »Gone Home«. Ein brillantes Kunstwerk nennen es die einen, einen simplen Laufsimulator die anderen. Was steckt denn nun wirklich in »Gone Home«? Eine Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss. Mit diesem kleinen Review versuche ich, dem einen oder anderen dabei zu helfen und gebe meine persönliche Antwort. Ist es ein Meisterwerk oder doch nur ein Laufsimulator?

 

Gameplay:

»Gone Home« spielt sich aus der Ego-Perspektive, ganz wie die übrigen kleinen Mystery-Horror-Adventures à la »Slender« oder »Daylight« auch. Nur, dass »Gone Home« eben kein echtes Horrorspiel ist, sondern sich ganz dem Mystery verschreibt. Während von draußen der Regen gegen die Fenster prasselt bewegen wir uns auf der Suche nach Hinweisen und Antworten durch das dunkle, große Herrenhaus. Die Hinweise, die meist von unserer kleinen Schwester Samantha kommen, finden wir im gesamten Haus verteilt. »Gone Home« lässt sich dabei keinem bisherigen Genre einwandfrei zuordnen. Es ist kein echtes Adventure, denn dafür fehlen die Rätsel, es ist auch kein interaktiver Film, denn dafür fehlen die Quicktime Events und ein Shooter oder Rollenspiel ist es schonmal gar nicht.

Vielmehr ist es eine digitale Schnitzeljagd, die uns von Hinweis zu Hinweis führt. Anfangs noch reichlich skeptisch, habe ich dieses Gameplay jedoch schnell ins Herz geschlossen. Denn auch wenn die rein spielerische Anspruch fehlt, so hat es doch seinen ganz eigenen Charme und wer auch im realen Leben Schnitzeljagden mag, wird sich an einem verregneten, kalten Abend mit »Gone Home« pudelwohl fühlen.

Trotzdem bin ich nach wie vor der Meinung, dass wenigstens das eine oder andere fordernde Rätsel auch diesem Spiel sehr gut getan hätte. Es hätten gar nicht viele sein müssen und auch gar keine echten Kopfnüsse, aber so ein bisschen rätseln schadet einfach nie, auch einem »Gone Home« nicht.

8/10

 

Story:

7. Juni 1995.

Nach einem Jahr in Europa kommt die junge Kaitlin endlich wieder nach Hause. Doch anstatt von ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester Samantha in Empfang genommen zu werden, findet sie nur ein verlassenes Haus und einen kurzen Brief von ihrer Schwester an der Eingangstür vor. Eine Entschuldigung dafür, dass niemand da ist, um die Heimkehrerin zu begrüßen. Aber warum ist ausgerechnet zu diesem eigentlich besonderen Anlass keiner da? Was ist bloß mit Kaitlins Eltern und Samantha geschehen?

Dieser Frage gilt es nun auf den Grund zu gehen. In der Rolle von Kaitlin stellt der Spieler das gesamte Haus auf den Kopf, sucht nach jedem noch so kleinem Hinweis und kommt nach und nach dem Geheimnis auf die Spur. Allmählich breitet sich die gesamte Geschichte der Familie vor einem aus und Kaitlin bringt dunkle Geheimnisse ans Licht.

Im Vordergrund steht ihre jüngere Schwester Samantha, genannt Sam, die während des letzten Jahres eine Entwicklung durchlebt hat, die ihr gesamtes Leben vollkommen und für immer verändert hat. Es ist eine sehr emotionale und persönliche Geschichte einer jungen Teenagerin, die den Spieler von Anfang an gefangen nimmt und bis zur letzten Minute nicht mehr los lässt.

Der Charakter von Sam ist hierbei sehr glaubwürdig und lebendig dargestellt und von einer großartigen (englischen) Sprecherin perfekt in Szene gesetzt.

Das Finale, die Auflösung des Plots ist es, was diese Geschichte zu einem Meisterwerk macht. Ein besonderer Kniff, so einfach und doch unvorhersehbar, der den Spieler am Ende mit einem richtigen »WTF-Moment« zurück lässt.

Eine absolut wunderbare, wenn auch kurze Geschichte.

10/10

 

Atmosphäre:

Das Entwicklerstudio The Fullbright Company schafft eine in »Gone Home« eine dunkle und gruselige Atmosphäre, die den Spieler schnell in seinen Bann zieht. Der Soundtrack und die düstere Optik harmonieren nahezu perfekt miteinander und passen fantastisch zur Story.

Draußen ist es bereits dunkel und der Regen prasselt gegen die Fensterscheiben, die Räume des großen Herrenhauses werden von eher spärlichem Licht erhellt, jedoch hell genug, dass es nicht unrealistisch wirkt oder man wichtige Hinweise übersehen könnte.

Poster, Comics, Magazine oder Eintrittskarten zu Kinofilmen, die Mitte der 90er Jahre aktuell waren, findet man überall, jedoch nicht in übertriebenem Maße, sondern glaubwürdig und realistisch und runden so das Bild ab. Der Stil der Zeit wurde somit gut getroffen und lässt den Spieler noch weiter in die Geschichte eintauchen.

Aber noch etwas erinnert an die Mitte der 90er Jahre: Nämlich die Grafik. Okay, ganz so schlimm ist es nicht, aber modern und auf der Höhe der Zeit sieht anders aus. Die groben 3D-Modelle und überwiegend detailarmen Texturen stören die ansonsten brillante Atmosphäre. Dank der allgemein aber dunkleren Optik fallen diese technischen Mängel zum Glück nicht allzu stark auf und es bleibt bei einem kleinen Schönheitsfehler im ansonsten tollen Gesamtwerk.

9/10

 

Balance:

Wie soll ich nun also die Balance von einem Spiel bewerten, dass gar keinen Anspruch auf spielerische Finesse und Herausforderung hat?

Nachdem ich zunächst dachte, der Unterpunkt Gameplay würde mir das meiste Kopfzerbrechen bereiten, ist es aber tatsächlich die Balance, die mir die größten Schwierigkeiten macht.

Das Spiel ist leicht. Sehr leicht. Geradezu idiotensicher leicht. Andererseits entfaltet sich aber gerade dadurch die Story erst in ihrer gesamten Pracht. Die Spielzeit beschränkt sich auf knappe 3 Stunden, was wenig ist, aber den Vorteil bietet, dass die komplette Geschichte ganz bequem und ohne Hektik an einem Abend zu schaffen ist. Und das ist mir zumindest lieber, als wenn die Spielzeit durch einen höheren Schwierigkeitsgrad auf etwa 4 Stunden gestreckt würde, was entweder mehr Hektik und Zeitdruck bedeuten würde, wenn man das Spiel an einem Abend schaffen möchte oder den Spieler zwingen würde, kurz vor Schluss zu speichern und am nächsten Abend die letzten vielleicht 30 Minuten zu spielen. So oder so würde die Atmosphäre bei einem so kleinen Spiel darunter enorm leiden.

So wie es jetzt ist, ist das Erzähltempo der Story ideal. Verzögerungen hätten vermutlich nur dazu geführt, dass der Spieler unweigerlich aus der Geschichte herausgerissen würde.

Zudem gilt es positiv herauszuheben, dass das Spiel immer genug Hinweise parat hat, damit der Spieler nicht ziel- und orientierungslos durch das Haus irrt. Die Aufgabe und das nächste Ziel ist zu jedem Zeitpunkt klar vor Augen und lange Lauf- und Suchpassagen gibt es nicht.

Und somit fällt meine Wertung für die Balance dann doch überaus positiv aus.

10/10

 

Umfang:

Hier fällt die Wertung nun wieder nicht so positiv aus. Mit knappen 3 Stunden Spielzeit und einem regulären Preis von 15,89€ bei GOG und 19,99€ bei Steam ist die Spielzeit einfach zu gering. Zwar sind für Atmosphäre und Balance 3 Stunden Spielzeit besser als 4 oder 5, aber ca. 7-8 Stunden, bei denen man sich das Spiel über ein komplettes Wochenende einteilen kann, wären noch schöner gewesen. Vor allem zu dem relativ hohen Preis.

Eine deutsche Synchronisation sucht man bei »Gone Home« ebenso vergebens, wie deutsche Untertitel. Das Spiel ist also ausschließlich auf Englisch. Immerhin gibt es deutsche Untertitel kostenlos im Internet zum Download.

Auch sonstiges Bonusmaterial gibt es leider nicht und den Soundtrack gibt es bloß kostenpflichtig zum Herunterladen.

3/10

 

Fazit:

40/50 Punkten -> 80%  


Wertung
Pro und Kontra
  • Packende, emotionale Geschichte
  • Großartige Sprecherin
  • Tolle Atmosphäre
  • Perfekt für einen verregneten Abend
  • Spannende Schnitzeljagd
  • Zu kurz
  • Keine deutsche Übersetzung (bloß deutsche Untertitel als Download)
  • Veraltete Grafik

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Weniger als 5 Stunden



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