Die beste Zeit zum Reisen

Alle deine Freunde waren bereits dort, jeder erzählt dir, wie toll es war. Im Endeffekt wohl doch nicht so toll, denn jetzt ist es ja auch nichts...

von 4nt14ll3s am: 21.04.2015

Alle deine Freunde waren bereits dort, jeder erzählt dir, wie toll es war. Im Endeffekt wohl doch nicht so toll, denn jetzt ist es ja auch nichts besonderes mehr. Uns egal, wir packen unsere Sachen und machen uns selbst auf nach Los Santos – notfalls, ach bestenfalls sogar alleine und das zur schönsten Jahreszeit.

Siebzehnter September 2013: Die letzten warmen Tage des Jahres neigen sich allmählich dem Ende zu, die Blätter an, vor und unter dem Bäumen haben sich bereits hellgelb bis dunkelbraun verfärbt, die Sonne scheint sich immer früher zu verdrücken, nachdem sie sich morgens bereits immer mehr Zeit mit dem Aufgehen gelassen hat. Es wird Herbst. Doch kein Grund melancholisch zu werden, denn mit GTA V erscheint im Herbst 2013 ein vermeintlicher Meilenstein der Videospielgeschichte, der uns das graue, regnerische Wetter draußen vergessen lässt und uns stattdessen ins meist sonnige Los Santos entführt.

Naja, zumindest die meisten von uns. Denn während Rockstar für mich als PC-Spieler kein Flugticket in die bereits aus GTA San Andreas bekannte Metropole bereithält, lassen es sich meine Konsolen-Freunde nicht nehmen, mir meinen Facebook-Feed mit ihren Urlaubsfotos zu zu kleistern. Immerhin habe ich noch meine treuen PC-Gefährten. Total War: Rome 2, Arma 3, Amnesia – A Machine for Pigs – wir halten zusammen, wir entziehen uns dem Hype, wir überstehen diesen Herbst auch ohne GTA V. Denkste. Denn ehe ich mich versah, war die Konsole in die Reisetasche gepackt worden, alle meine Freunde in den Flieger nach Los Santos gesprungen und ich saß alleine da. Vor meinem PC.

Tja und jetzt – fast 2 Jahre später – ist es endlich soweit. Endlich geht es für mich auch nach Los Santos, endlich darf ich auch die Bodybuilder am Strand umschubsen, endlich bei Trevor Phillips Inc. (wobei Inc nicht für Incoprorated sondern Industries steht) an der Meth-Produktion beteiligt sein, endlich an einem Triathlon teilnehmen und endlich meine untreue Ehefrau am besten nicht im sondern beim Tennis schlagen. Jetzt zeig ich es euch. Ihr wolltet nicht auf mich warten. Jetzt fliege ich nach Los Santos und es ist größer, schöner, sonniger und besser als jemals zuvor. Blöd nur – es interessiert keinen mehr.  

Alleine im Urlaub

Aber alleine zu reisen hat auch seine Vorteile. So bleibt mir viel mehr Zeit die Menschen und die Kultur kennenzulernen. Keine nächtlichen Trips in irgendwelche Bars, kein Kater am nächsten Morgen, der uns dazu verdammt, im Hotel zu bleiben. Nur ich und die riesigen Weiten von Los Santos und Blaine County.

Und Las Santos hat einiges an Kultur zu bieten. Kein Wunder, ist eines der größten Wahrzeichen der an Los Angeles angelehnten Metropole doch das Vinewood-Sign in den gleichnamigen Vinewood-Hills. Dort haben sich die reichen und berühmten Einwohner von San Andreas niedergelassen. Prächtige Villen mit Pools und eigenen Tennisplätzen zieren hier die verwinkelten Straßen bis an den Rand der Stadt. Weiter unten am Vinewood-Boulevard befinden sich zahlreiche Theaters und Kinosäle, der Stadtbezirk Richman beherbergt sogar einen Golfplatz.

Doch weiter südlich bekommen die Einwohner der Stadt nicht viel mit vom Glanz und Glamour der Oberschicht. In East und South Los Santos dominieren Straßengangs die Stadtbezirke, während die Menschen im nördlichen Blaine County in kleinen Hütten und Trailerparks leben. Aber ich bin nicht einer dieser Touristen, die sich in drei-viertel langen Cargoshorts mit Sonnenbrille am Vespucci-Beach die Sonne auf den Buckel scheinen lassen. Ich möchte hinter die Fassaden der Stadt blicken, sehen wie die Menschen in den ärmeren Teilen der Stadt leben und wissen, wer diese Menschen sind. Und so treffe ich gleich zu Beginn meiner Reise auf Franklin.

Ein Hoch auf die Einheimischen

Franklin, ein kleiner Ganove aus South Los Santos, ist eigentlich gar kein richtiger Ganove. Eigentlich möchte er bloß raus aus dem kleinen Haus, in dem er zusammen mit seiner Tante lebt und die dort regelmäßig im Rahmen ihrer „New-Age-Femnists“-Bewegung mit ihren Freundinnen Beckenbodenübungen veranstaltet. Sein Freund Lamar sorgt aber dafür, dass Franklin immer wieder an zwielichtigen Aktionen beteiligt ist und trotzdem merkt man ihm jedes Mal an, dass er gar nicht Teil dieses South LS-Ganglebens sein möchte. Gut für ihn, dass ihm nach kurzer Zeit, im Laufe einer absolut legitimen und rechtlich-einwandfreien Autorückführung, Michael De Santo über den Weg läuft. Der hat früher eigentlich Michael Townley geheißen, doch nach einem gescheiterten Raubüberfall nahe der kanadischen Grenze wurde er in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen und musste dadurch sein altes Leben aufgeben. Obwohl er nun ein wunderschönes Haus samt Pool und Tennisplatz in Vinewood besitzt, in dem er zusammen mit seiner Familie lebt, lässt diese es nicht aus, ihm bei jeder Gelegenheit zu zeigen, dass sie Ihn für einen absoluten Versager hält.

Im Laufe der Geschichte trifft Michael dann Trevor wieder, einen seiner ehemaligen Kollegen und derjenige der damals von dem Banküberfall entkommen konnte. Trevor ist, gelinde gesagt, absolut wahnsinnig und dennoch einer der interessanten Charaktere aus Los Santos. Doch nicht nur unsere drei Hauptcharaktere sind grandios geschrieben. Jede noch so kleine Nebenfigur ist bis ins Detail ausgearbeitet und einwandfrei vertont. Da macht es gar nichts, dass es wieder einmal nur eine englische Sprachausgabe gibt, da jeder Sprecher sein Potential voll auszuschöpfen scheint. Die Vertonung in Zusammenhang mit diesen so abwechslungsreichen und vielschichtigen Charakteren sorgt durchgehend für eine unglaublich dichte Atmosphäre, sei es in den Zwischensequenzen oder bei den obligatorischen Gesprächen, die die Figuren immer mal wieder während den Autofahrten führen.  

Ein Hauch von Monotonie 

Was man den Sprechern keineswegs vorwerfen kann, dem Missionsdesign hingegen schon, ist die Monotonie, mit der die Aufträge ablaufen. Nahezu jede Mission folgt dem gleichen Schema von Mission annehmen, zum Auftragsort fahren und sich anschließend wieder auf den Rückweg begeben. Zwar lockern die Gespräche die teilweise langen Fahrtwege angenehm auf, dennoch zeichnet sich bereits nach einiger Zeit ein gewisses Muster ab. Das soll jedoch nicht heißen, dass die Missionen langweilig werden: Neben zahlreichen Action-geladenen Aufträgen gibt es immer wieder Situationen, in denen wir unsere 45 Waffen brav in unseren beiden Hosentaschen lassen. Wir verladen riesige Container an einem Frachthafen, verkleiden uns als Computer-Freak und schleusen uns bei Life Invader, dem GTA V Facebook-Pendant, ein oder fahren unseren Sohn zu seinem Dealer, der uns daraufhin Drogen in unser Getränk mischt, sodass wir danach zu schriller 80er-Jahre Musik über Los Santos hinwegfliegen.

Und trotz allem gibt es auch immer wieder Momente, an denen ich mir doch eine Schnellreisefunktion wünschen würde. Mal endet eine Mission am unteren Ende der Stadt, die nächste Mission findet aber weiter oben, im nördlichen Teil von Blaine County statt. Das Handling der Fahrzeuge in GTA V ist klasse und es macht einen Heidenspaß sich durch den dichten Verkehr in Los Santos zu schlängeln und dennoch: Man trifft nahezu regelmäßig auf teils überzogene Fahrwege, die sich gerade dann wenn man unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht, ein wenig zäh anfühlen können. Watch Dogs hat dieses Problem besser gelöst, indem es zumindest eine Schnellreise zu den bereits freigeschalteten Unterschlüpfen ermöglicht hat.  

 

Die beste Zeit zum Reisen

Das tut dem Spielspaß aber kaum einen Abbruch und wer noch nie in Los Santos gewesen ist, sollte dies nun auf jeden Fall nachholen. Die PC-Version des Spiels bietet zahlreiche optische Verbesserungen, unter anderem eine höhere Weitsicht und die mit Abstand beste Kantenglättung. Zudem wurden im Vergleich zur Xbox360- und PS3-Version eine Egoperspektive hinzugefügt, die uns Los Santos auf eine ganz neue Art und Weise erleben lässt. Rockstar hat nicht einfach nur eine neue Kameraperspektive hinzugefügt, sondern sich auch viel Mühe bei der Umsetzung gegeben. Einziger Knackpunkt: Das Spiel lässt uns das Field-of-View nur sehr begrenzt regeln. Von der niedrigsten bis zur höchsten Einstellungen, gibt es kaum einen merklichen Unterschied, zudem zeigt uns das Menü auch keinerlei Zahlenwerte an, die uns sagen, wie hoch genau unser FOV denn nun eingestellt ist. Meines Empfindens nach könnte das Sichtfeld auf jeden Fall noch ein wenig größer ausfallen, immer mal wieder habe ich das Gefühl, vor allem beim Autofahren, einfach nicht genug sehen zu können.

Eine weitere Besonderheit der PC-Version ist Rockstars hauseigener DRM-Schutz. Das Spiel muss Online über den Social Club registriert werden, danach ist es im Singleplayer jederzeit auch Offline spielbar. Zwar ist dieses DRM-Tool keineswegs aufdringlich oder zu irgendeinem Zeitpunkt störend, dennoch lässt es aber einige Komfortfunktionen vermissen. So gibt es beispielsweise keine direkte Instant-Messaging-Funktion. Wer also mit Leuten spielt, die keine Steam-Version von GTA V besitzen, muss jedes Mal in dem Moment in dem eine Nachricht ankommt, auf POS1 drücken, um die Nachricht direkt lesen zu können. Ansonsten öffnet sich das Hauptfenster des Social Clubs und wir können nur umständlich über den Zahnrad-Button auf unsere eingegangen Nachrichten zugreifen.

Das tollste Feature der PC-Version ist allerdings der integrierte Video-Editor. Damit lassen sich wahlweise direkt Szenen aufnehmen oder aber die letzten Spielminuten abspeichern. Diese Szenen dürfen wir anschließend im Editor schneiden, zusammenfügen, mit Effekten verzieren und mit Musik untermalen. Zudem gibt es einen Regisseur-Modus. In diesem dürfen wir in die Rolle eines jeden beliebigen Charakters (oder sogar Tiers) des Spiels schlüpfen und können damit unsere eigenen Kurzfilme drehen. Das erste Video „Running Man“, das mit diesem Tool entstanden ist, zeigt bereits eindrucksvoll was alles möglich ist und man kann sich bereits auf grandiose Videos der Community freuen, die in Zukunft entstehen werden.  

 

Fazit

Das gleiche Spiel wie vor fast zwei Jahren. Das gleiche Spiel, das jeder schon gespielt und jeder schon bis in den Himmel gelobt hat. Tja, was soll's. Wir mussten warten, wir waren geduldig und jetzt kriegen wir GTA V in seiner bestmöglichen Form. Die Portierung ist absolut gelungen, auf dem PC bietet GTA V die schönste Optik und das bei 60 Bildern pro Sekunde. Hinzukommt der klasse Video-Editor mitsamt Regisseur-Modus. Es mag nicht alles perfekt sein, manche Missions-Schemata wiederholen sich gelegentlich zu oft, manche Leute klagen über Probleme mit dem Social Club und dennoch: Die Verschiebung hat sich gelohnt, Rockstar hat das bestmögliche aus GTA V herausgeholt. Ich bin froh, gewartet zu haben. Mir ist egal, ob alle das Spiel bereits wieder langweilig finden, ob sie keine Lust mehr haben, News über GTA V zu lesen oder ob sie meine Einladung zu einem GTA V-Abend ablehnen. Dann spiele ich es halt alleine, ich habe lange drauf gewartet und genieße den Hype um diesen von Grund auf gelungen PC-Port eines erstklassigen Spiels.  

 

 

 

 

 

 


Wertung
Pro und Kontra
  • Erstklassige Synchronisation...
  • Abwechslungsreiche Missionen...
  • Ausgezeichnet-überzeichnete Charaktere
  • Riesige, wunderschön designte Spielwelt
  • Viele verschiedene Fahrzeuge, Boote, Flugzeuge
  • PC-Exklusive Features: Videoeditor und Regisseur-Modus
  • Dichte Atmosphäre
  • Wunderbar aufpolierte Grafik
  • ... allerdings nur in Englisch
  • ... denen etwas zu oft das gleiche Schema zugrunde liegt
  • Teilweise starke Framedrops in wäldlichen Gebieten
  • Social Club als DRM-Maßnahme

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



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