Im Lichte der Ankündigung von ME4

Eine Bewertung von Mass Effect 3 im Lichte der Ankündigung von ME4 Bekanntermaßen ist die Mass-Effect-Reihe um Commander Shepard (Protagonist) als...

von Hans_W am: 14.12.2012

Eine Bewertung von Mass Effect 3 im Lichte der Ankündigung von ME4

Bekanntermaßen ist die Mass-Effect-Reihe um Commander Shepard (Protagonist) als Trilogie gedacht. Trotz Ankündigung eines vierten Teils bleibt es dabei. Denn Shepards Weltrettungsunternehmen ist abgeschlossen. Nun sind die Tore geöffnet für weitläufige Spekulationen die Handlung des neuen Stücks betreffend, das erst in einigen Jahren (voraussichtlich 2014/2015) erscheinen wird. Im Zentrum stehen Fragen wie: Prequel oder Sequel? Welche Aspekte sollten fortgeführt werden und wo sind Neuerungen angebracht? Vor diesem Hintergrund blickt der Autor zurück auf die ersten drei Teile der Serie und wagt über eine Bewertung des dritten Teils einen Ausblick auf die kürzlich angekündigte vierte Episode.

In der Liste der Gemeinsamkeiten aller Teile steht die episodenhafte Erzählweise ganz oben. Die Handlung ist in für sich abgeschlossene Kapitel (bzw. Missionen) unterteilt und durch Nebenmissionen feingliedrig verästelt. Vor Beginn einer Mission wird eine Liste mit Parametern abgefragt, die die bisherigen Entscheidungen des Spielers widerspiegelt. Nach Abschluss der Mission wird diese Liste um neue Eintragungen ergänzt, woraus sich über die Dauer des Spiels eine gewaltig Kombinationsvielfalt ergibt, die zu erstaunlich interessanten Handlungsvariationen führt. Natürlich ist die Macht des Spielers begrenzt. Die Autoren wollen schließlich eine durchdachte Geschichte erzählen.

Die zweite wesentliche Gemeinsamkeit liegt in der Rekrutierung einer Mannschaft unterschiedlichster Charaktere, die mehr oder weniger selbstbestimmt und emotional unabhängig Handlungsverläufe, Shepards Entscheidungen und die Auswirkungen derselben kommentieren - und wenn nötig ins Geschehen eingreifen. Ihr Eigenleben führt immer wieder zu Konflikten und diese machen einen großen Reiz des Spiels aus. Der Spieler entwickelt in zahllosen Gesprächen Sympathie und Nähe zu den einen - Garrus und Liara - und Ablehnung zu anderen -  z.B. Tali, die mitsamt ihrem Volk beim Autor einen höchst negativen Eindruck hinterlassen hat. Während in einer Vielzahl anderer Spiele Personen in den Nebenrollen allein als Kommentatoren einer linearen, trittleiterartigen Handlung dienen, nimmt man den Personen in Mass Effect tatsächlich ab, ein von Shepards Erscheinen unabhängiges Vorleben geführt zu haben.

Das Kämpfen ist nicht nur spielerisch-technisches Element. Es verleiht auch der Geschichte erst einen Sinn: Kein Heldentum, keine Loyalität und Freundschaft ohne Kampf, Opfer und Dramatik. Natürlich soll mit den Kämpfen vor allem die Fingeraktivität nervöser Konsolenspieler befriedigt und damit die Verkaufszahl befördert werden. Aber da man den Schwierigkeitsgrad derart niedrig einstellen kann, dass das Durchlaufen der Kämpfe zur Makulatur (Moorhuhnjagd) schwindet, ist das Ballern wohl nur ein Nebenaspekt, kein substantieller Bestandteil. Spieler, deren Hauptaugenmerk auf Action ruht, sind enttäuscht. Zudem kann man fast jederzeit den Fortschritt speichern und vermeintliche Fehlentscheidungen in der Charakterentwicklung korrigieren.

Womit wir beim vierten Aspekt angelangt sind: dem rudimentären, dennoch befriedigenden, Rollenspielen entlehnten Charaktersystem mit unterschiedlichen Klassen und Fähigkeiten. Hier üben allerdings nur die sog. Paragon- und Renegade-Punkte, die sich seit durch Wahl gewisser Entscheidungen anhäufen, Einfluss auf den Verlauf der Story. Die Fähigkeitenentwicklung wirkt ansonsten nur auf das Kampfsystem und ist wie dasselbe eher nebensächlich. Die Kämpfe sind dennoch spaßig und belohnend, wenn nämlich eine Taktik aufgeht, die sich beispielsweise aus der Möglichkeit zur sinnvollen Kombination der Fähigkeiten des Squads ergibt.

Doch all den oben genannten Bestandteilen zum Trotz, würde das Konzept nicht ohne charismatischen Held funktionieren. Anders als in vielen anderen Rollenspielen muss sich die Hauptfigur (im Übrigen mit einer zumindest in der englischen Version exzellent vertonten weiblichen Variante) nicht - buchstäblich über Berge toten Ungeziefers - vom Niemand zum unnahbaren Weltenretter aufschwingen. Shepard ist schon von der ersten Spielminute an geachteter Offizier der Alliance (also der Menschenstreitkräfte), der nach einigen Stunden Spielzeit Kommando über mittelgroßes, hoch-modernes Schiff erhält. An dieser Basis ändert sich später nichts mehr. Während andere Rollenspiele den Hauptcharakter mit Rängen, Adelstiteln, Auszeichnungen, Immobilien etc. zuschütten (als müsste man den Helden bestechen, die Arbeit fortzuführen), besteht Shepards Machtzuwachs allein in der inspirierenden Strahlkraft seiner Überzeugungen und Taten.

Auf diesen Säulen ruht das Spielprinzip, wobei jede Episode eigene Schwerpunkte setzt. Mass Effect 1 lässt den Spieler in einem Vehikel zahllose Planeten erkunden und ertränkt den Spieler in Ausrüstungsgegenständen und Nebenmissionen. Mass Effect 2 schickt den Spieler auf Rekrutierungsreisen zum Aufbau eines umfänglichen Expertenteams für die finale suicide mission. Hier muss Shepard neben seiner generischen Heldentätigkeit als Moderator zwischen der Crew und Sozialarbeiter auftrumpfen. Mass Effect 3 schließlich kondensiert die allgemeinen Merkmale der beiden vorherigen Teile und fügt im Wesentlichen nichts Neues hinzu – das macht es aber so gut, dass sich Mass Effect 3 mit Recht als besten Teil der Trilogie bezeichnen darf. In ME3 ist praktisch alles Tun dem Sieg im Endkampf gegen die Reapers geschuldet. Was in Anbetracht der Bedrohung auch sehr vernünftig erscheint. Der Spieler sammelt mit jeder Unternehmung war assets und Punkte, die die Kriegsentwicklungsstufe beziffern. Die spannenden Missionen schließen lückenlos aneinander und dienen nicht mehr, wie in den beiden ersten Teilen als bloßer Überbau. Langweile Minispiele wie Planetenscannen, Computer-Hacken und Schlösserknacken sowie das simple Abklappern von Wegpunkten auf wüstengleichen Planeten fallen weg. Die Spannung bleibt über die gesamte Dauer des Spiels auf höchstem Niveau.

In technischer Hinsicht wagt der Autor mangels Wissen um den Stand der Technik keine Bewertung. Jedoch sollte ein Aspekt nicht unerwähnt bleiben: Während die Spielumgebung eher trist und klinisch erscheint, sind die Charaktermodelle, insbesondere Gesichter und Mimik exzellent gelungen und transportieren vorzüglich Emotionen. Hieran erkennt man, dass die Entwickler großen Wert auf Dialoge legen und alles andere eher nachrangig bewerten.

Welche Rückschlüsse kann man nun auf ME4 ziehen? Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der Entwickler Bioware die Stärken des Spiels nicht beschneiden wollen, die da sind: die Entscheidungsfreiheit, die Interaktion mit unabhängigen bzw. eigenwilligen Charakteren und einen charismatischen Helden. Unter dieser Voraussetzung erscheint die Implementierung einer offenen Spielwelt problematisch. Sie könnte – wie am Beispiel von Skyrim zu beobachten ist – die Story zu einer Belanglosigkeit entwerten. Auch bleibt zu hoffen, dass die Vita des Helden nicht die eines Hintersassens ist, der zum Imperator mutiert. Zahllose Beispiele belegen, dass dieses kitschige Prinzip für eine kluge und spannende Handlung nicht förderlich ist. Bemerkenswert ist, dass das Mass-Effect-Universum so umfang- und facettenreich ausfällt, dass zum jetzigen Zeitpunkt jede Überlegung eines Außenstehenden, die die grundsätzliche Handlung definieren soll, als reine Spekulation bezeichnet werden muss. Als Ausgangspunkt eines Prequels können im Prinzip sämtliche Episoden der Weltraumerkundung der Menschheit (gesetzt der Held ist Mensch) dienen, wie z.B. der Erstkontakt mit den Turians. Eine nahezu unbegrenzte Zahl an Geschichten liegt vor. Hier besteht für Bioware die Schwierigkeit, die Handlung so in die Geschichte einzubetten, dass sie zum einen die Tür öffnet für einen Nachfolger (ME5), dass sie des Weiteren verglichen mit Shepards Taten nicht zur Nebensächlichkeit verkommt und dass sie inhaltliche Ungereimtheiten vermeidet, die den Zusammenhang des Gesamtwerks nachhaltig schädigen. Ähnlich schwierig, aber nach vorne (also in die Zukunft gerichtet) offen wäre die Umsetzung ME4 als Sequel. Hier besteht allerdings das Problem, einen klugen Anschluss an das durch Shepard in ME3 hervorgerufene (dreifältige und dreifarbige) Schlussereignis zu finden. Wie soll dieser Kunstgriff gelingen ohne den Einsatz irritierender Zaubermittel / Handlungsbrüche? Man darf gespannt sein.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(5)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.