Tiger Woods schlägt wieder, und zwar in Tiger Woods PGA Tour Online! Wer die amerikanischen Boulevard-Nachrichten verfolgt, wird nun sinnieren, ob es nicht vielmehr ›Tiger Woods wird wieder geschlagen!‹ heißen müsste. Schließlich kursierte unlängst das Gerücht, der Erfolgsgolfer sei von seiner Ehefrau mit dem Neuner-Eisen malträtiert worden. Wir beziehen uns hier jedoch auf das Comeback des Tigers, denn nach über zwei Jahren im Konsolen-Exil bringt EA Sports die Tiger Woods-Serie zurück auf den PC.
Tiger Woods Online ist freilich kein gewöhnliches Golfspiel, sondern ein Browsertitel: Die Menüs und die 3D-Darstellung laufen in Ihrem Internet-Programm, Sie müssen lediglich eine 3,1 Megabyte kleine Anzeige-Software herunterladen.
Zur Anmeldung benötigen Sie ein Benutzerkonto beim Online-Dienst von Electronic Arts, einen »EA Account«. In der Standard-Version kostet Tiger Woods Online nichts; wer alle Plätze begolfen oder bestimmte Ausrüstung kaufen möchte, muss jedoch bezahlen -- dazu gleich mehr.
Im Strickmuster »Free-to-Play-Browserspiel mit Bezahlinhalten« à la Battlefield Heroes sieht EA Sports wohl die Zukunft seiner PC-Sportserien, mit Fifa Online fährt der Publisher schließlich dieselbe Schiene. Die Frage ist nur: Ist diese Zukunft wirklich wünschens- und spielenswert?
Spielerisch erstklassig
Spielerisch hat Tiger Woods Online den Umzug in den Browser bestens verkraftet. Die Internet-Fortsetzung hält das hohe Niveau der Vorgänger. Die Ballphysik ist gewohnt erstklassig, jeder Mauwurfshügel lenkt die Kugel glaubwürdig ab.
Auch der Untergrund wirkt sich nachvollziehbar aus; es macht schon einen Unterschied, ob Sie den Ball verzweifelt aus dem Sandbunker dreschen oder sanft übers Green schubsen. Dank zahlreicher Hilfsanzeigen können Sie Ihre Schläge bestens planen. Ebenfalls traditionskonform sind die gelungenen Steuerungsvarianten »Drei-Klick« (Mausklicks bestimmen die Schlagkraft) und »True Swing« (die Mausbewegung wird direkt in einen Schlag umgemünzt). Gamepads unterstützt Tiger Woods Online nicht.
Management und Drumherum
Abseits des Platzes bietet Tiger Woods Online vielfältige Management-Optionen, bei denen auch der »Online«-Aspekt zum Tragen kommt. So können Sie offizielle oder selbst erstellte Turniere gegen menschliche Rivalen austragen, sich in Ranglisten hocharbeiten, Freunde finden, Gruppen gründen und Mitspieler sponsern. Durch Letzteres verdienen Sie ein bisschen Geld mit, wenn ihr Schützling Erfolge sammelt.
Durch absolvierte Partien häufen Sie auch selbst Moneten und Erfahrung an. Den Erlös erhöhen Sie, indem Sie den Schwierigkeitsgrad steigern, von der Grashöhe über die Windstärke bis zur Abschlagposition lässt sich die Herausforderung detailliert anpassen.
Bei Levelaufstiegen verleiht Ihnen Tiger Woods Online neue Titel. So verbessern Sie unter anderem Ihr Handicap, was Ihre Punktwertung bei Turnieren beeinflusst. Mit Preisgeldern trainieren Sie Ihren Golfer, zum Beispiel werten Sie schrittweise seine Putt-Präzision oder seine Schlagkraft auf. Diese Rollenspiel-Anleihen motivieren, zumal sich alle Werte spürbar auswirken.
Optisch dürfen Sie Ihren Sportler allerdings kaum anpassen. So stehen nur vier marginal unterschiedliche Standard-Ballklopfer zur Auswahl, darunter keine Frau. Das verringert die Identifikation mit Ihrem Golfer, die gerade bei einem Online-Spiel wichtig wäre. Immerhin dürfen Sie Ihren Charakter mit Klamotten ausstaffieren. Und das bringt uns zum nächsten Punkt.
(Versteckte) Kosten
Im »Pro Shop« von Tiger Woods Online kaufen Sie Ausrüstung und Kleidung, Letztere bezahlen Sie mit erspielten Preisgeldern. Das bringt dauerhafte spielerische Vorteile: Ein neues Polohemd etwa steigert den monetären Bonus, den Sie bei einem Birdie verdienen.
Mit frischen Schlägern oder Bällen erhöhen Sie dagegen einige Runden lang Ihre Schlagkraft oder Ihre Genauigkeit. Das kostet allerdings meistens kein Spielgeld, sondern Punkte. Die gibt's nur gegen echte Kohle, 1.000 Zähler kosten 12 Euro. Ein Driver schlägt mit 80 Punkten zu Buche, also mit rund einem Euro. Die Auswahl lässt allerdings zu wünschen übrig. Zum Beispiel bietet der Shop bloß sechs Schläger und neun Hemden feil. Da muss EA Sports noch viele Inhalte nachliefern.
Mit den Punkten bezahlen Sie nicht nur neue Ausrüstung, sondern auch Startgebühren für Turniere. In der Standard-Version sind nämlich nur drei der zehn Kurse kostenlos, für alle weiteren berappen Sie pro Partie 100 bis 150 Zähler (also 1,20 bis 1,80 Euro). Alternativ schalten Sie alle Plätze frei, indem Sie ein Abonnement abschließen, für 11 Euro pro Monat oder 65 Euro pro Jahr.
EA Sports beziffert die Kosten zwar mit 9 beziehungsweise 55 Euro, unterschlägt dabei aber die Mehrwertsteuer. Auch wenn Sie zusätzlich noch 1.500 Punkte bekommen: 65 Euro sind für ein Jahresabo eindeutig zu viel, zumal das Internet-Golf durchaus seine Schwächen hat.
Dröge Präsentation
Der größte Pferdefuß von Tiger Woods Online ist die trockene Präsentation. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen, Wettereffekte fehlen nämlich völlig. Selbst der Wind bläst nahezu unsichtbar, bei 50-Stundenkilometer-Böen wippen höchstens mal die Bäumchen.
Die Kurse selbst sind zwar schön gestaltet, die matschigen Bodentexturen und die detailarmen, teils ungelenk animierten Sportler wirken jedoch antiquierter als karierte Golfhosen. Gleiches gilt für die dünne Soundkulisse; außer kurzen Vorstellungs-Sprüchlein zu jedem Loch erklingen keine Kommentare. Am Platzrand stehen keine Zuschauer, andere Golfer erscheinen nur als Portrait-Symbole.
Schon klar, die sterile Aufmachung ist der Online-Tauglichkeit geschuldet, für ein Browserspiel sieht Tiger Woods Online sehr gut aus. Gegenüber klassischen PC-Sporttiteln oder dem schönen Konsolen-Tiger Woods wirkt die PC-Neuauflage aber angestaubt. EA Sports' PC-Zukunft mag konzeptionell und technisch spannend sein. Schön ist sie nicht.
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