Das Ende der Wayback-Machine? Klage könnte Internet Archive ruinieren

Weil das Internet Archive in seiner Online-Bibliothek e-Books verleiht, haben einige Verlage in den USA eine Urheberrechtsklage eingereicht. Sollte die Klage Erfolg haben, droht nicht nur dem Archive, sondern auch der Wayback Machine das Aus.

Eine Klage bedroht nicht nur das Internet Archive, sondern auch die Wayback Machine. Eine Klage bedroht nicht nur das Internet Archive, sondern auch die Wayback Machine.

Es klingt eigentlich wie eine gute Idee: Das Internet Archive bietet e-Books in einer Art digitalen Bibliothek zum Ausleihen an. Wer ein Buch für 14 Tage ausleihen möchte, muss sich lediglich für einen Nutzeraccount registrieren.

Dieses System ist mehreren großen US-Verlagen seit Neuestem aber ein Dorn im Auge. Sie haben laut Ars Technica kürzlich eine Klage gegen das Internet Archive wegen Urheberrechtsverletzungen eingereicht - und diese Klage könnte das Aus für das Internet Archive und damit auch für die Wayback Machine bedeuten.

Die National Emergency Library - Ein Corona-Projekt

Die e-Book-Bibliothek des Internet Archives versammelt rund 1,5 Millionen Bücher, die als eingescannte Version der gedruckten Exemplare angemeldeten Nutzern zum Ausleihen zur Verfügung stehen. Dieses sogenannte Open Library Projekt existiert seit 2006 - und wurde von den Verlagen bislang geduldet.

Warum klagen die Verlage ausgerechnet jetzt gegen das Internet Archive? Das IA hat seit dem Bestehen der Open Library argumentiert, die Bibliothek sei legal, weil man einschränke, wie oft ein Buch als e-Book zeitgleich ausgeliehen werden kann. Je nachdem, wie viele physische Kopien eines Buches das IA besitzt, können es entsprechend viele Nutzer gleichzeitig ausleihen.

Dieses Prinzip gilt aber seit Kurzem nicht mehr: Denn das IA hat im März die sogenannte National Emergency Library an den Start gebracht - und erlaubt jetzt aufgrund der Corona-Pandemie das Ausleihen digitalisierter Bücher ohne Limitierung der Exemplare.

Die Klage mehrerer Verlage gegen das IA überrascht deshalb kaum: Die Authors Guild der USA, eine Vereinigung von Schriftstellern und Autoren, hatte laut Heise schon im März die Entscheidung des IA kritisiert, die Bücher ohne Beschränkung öffentlich zugänglich zu machen.

Das Internet Archive bietet diverse Bücher als digitale Version zum Ausleihen an. Das Internet Archive bietet diverse Bücher als digitale Version zum Ausleihen an.

Ist die National Emergency Library (NEL) legal? Das IA argumentiert laut TheVerge, die angebotenen e-Books seien Scans der physischen Kopien und entsprächen damit nicht einer gekauften digitalen Buchversion. Deshalb gehe man auch keinen Lizenzvertrag mit den Verlagen ein.

Vier große Verlage, darunter Hachette, Penguin Random House, Wiley und Harper Collins, halten dieses Vorgehen aber für illegal. Sie argumentieren:

"Ohne irgendeine Lizenz oder Bezahlung an Autoren und Verlage scannt [das Internet Archive] Bücher, lädt diese illegal gescannten Bücher auf seine Server und verteilt digitale Kopien der Bücher in ihrer Gesamtheit [...]. Mit ein paar Klicks kann jeder Nutzer mit Internetzugang komplette digitale Kopien urheberrechtsgeschützter Bücher [...] herunterladen."

Urheberrechtsexperten beurteilen die Argumentation der Verlage als stichhaltig, wie Ars Technica berichtet. Das IA könnte mit dem sogenannten Fair-Use-Prinzip argumentieren, demzufolge die Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Inhalte unter bestimmten Bedingungen legal ist (beispielsweise zum Zweck der Berichterstattung, Bildung oder Wissenschaft). Dabei spielt auch eine Rolle, ob die Verwendung des wiedergegeben Werkes gewerbsmäßig stattfindet oder nicht.

Der Gründer des Internet Archives Brewster Kahle bezeichnete die Klage gegenüber TheVerge jedenfalls als »enttäuschend« und verwies auf den Status der NEL als Bibliothek:

"Als Bibliothek erwirbt das Internet Archive Bücher und verleiht sie, wie Bibliotheken es schon immer getan haben. Das unterstützt die Verlage und die Autoren und die Leser. Dass Verlage Bibliotheken für das Verleihen von Büchern verklagen - in diesem Fall, geschützte digitalisierte Versionen, während Schulen und Bibliotheken geschlossen sind - liegt in niemandes Interesse."

Welche Folgen hat die Klage möglicherweise für das Internet Archive? Die Klageschrift der Verlage beschuldigt das IA unter anderem, mehrere Millionen US-Dollar am Scannen von Büchern im Auftrag von Bibliotheken verdient zu haben. Sollte ein Gericht die Klage zugunsten der Verlage entscheiden, drohen dem Internet Archive Zahlungen in Höhe von bis zu 150.000 US-Dollar - pro Buch.

Sollte das IA den Gerichtsprozess verlieren, könnte es sich einer Schadensersatzsumme von mehreren Milliarden US-Dollar gegenüber sehen. Das würde das offiziell als gemeinnützig geführte IA finanziell ruinieren.

Die Wayback Machine könnte beim Rechtsstreit des IA mit den Verlagen unter die Räder kommen. Die Wayback Machine könnte beim Rechtsstreit des IA mit den Verlagen unter die Räder kommen.

Sollte es dazu kommen, droht auch der Wayback Machine das Aus. Diese wurde 2001 von Internet Archive als eine Art digitales Archiv des Internets gegründet. Nutzer können mithilfe der Wayback Machine mittlerweile mehr als 452 Milliarden Webseiten aufrufen und anschauen, wie die jeweilige Seite an einem bestimmten Datum aussah.

Wenn das IA seine Dienste aufgrund der Urheberrechtsklage einstellen muss, könnten auch die im Rahmen der Wayback Machine gespeicherten Webseiten verschwinden - und das wäre ein echter Verlust, oder was meint ihr?

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