In England soll ein Kraftwerk entstehen, das alle anderen seiner Art in den Schatten stellt

Das Mersey-Tidal-Power-Projekt soll mit 28 Turbinen den Großraum Liverpool einmal mit Energie versorgen.

Die Stadt Liverpool will eine Gezeitenkraftwerk bauen. (Bildquelle: Pixabayewirz) Die Stadt Liverpool will eine Gezeitenkraftwerk bauen. (Bildquelle: Pixabay/ewirz)

Die Welt steht angesichts der globalen Klimakrise vor der dringenden Notwendigkeit, nachhaltige Energiequellen zu erschließen und fossile Brennstoffe durch umweltfreundliche Alternativen zu ersetzen.

In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Gezeitenenergie an Bedeutung, da sie eine berechenbare erneuerbare Energiequelle darstellt. Im Vereinigten Königreich, einem Land mit einer reichen maritimen Geschichte und einer starken Abhängigkeit von konventionellen Energieressourcen, kann die Förderung von Gezeitenkraftwerken zielführend sein.

Liverpool plant ein rekordverdächtiges Projekt

So plant die im Nordwesten Englands liegende Metropole und (noch) Heimat von Jürgen Klopp Liverpool gerade den Bau des größten Gezeitenkraftwerks der Welt.

Das Mersey-Tidal-Power-Projekt soll ab dem Jahr 2040 einsatzbereit sein. (Bildquelle: Liverpool City Region Combined Authority) Das Mersey-Tidal-Power-Projekt soll ab dem Jahr 2040 einsatzbereit sein. (Bildquelle: Liverpool City Region Combined Authority)

Liverpool liegt an der Mündung des Flusses Mersey in die Irische See, der sich aufgrund seiner starken Hebung und Senkung durch die Gezeitenkraft (der sogenannte Tidenhub beträgt zehn Meter) besonders gut für ein entsprechendes Kraftwerk eignet.

Die Überlegungen für ein derartiges Projekt reichen daher weit zurück. Erste Pläne sollen der Webseite Liverpool City Region zufolge (via New Atlas) bereits 1924 entstanden sein. In den 1980er-Jahren wurden Machbarkeitsstudien durchgeführt und mindestens seit 2015 ist eine Mersey-Staustufe im Gespräch.

Südkorea soll den Bau unterstützen

Jetzt soll aus den Plänen mithilfe der staatlichen südkoreanischen Wasserbehörde Korea Water Resources Corporation (kurz K-Water), das bereits Erfahrungen mit dem Bau von Gezeitenkraftwerken hat, endlich Realität werden. Ein entsprechender Kooperationsvertrag wurde im Jahr 2022 unterzeichnet.

Den aktuellen Bezug schafft die Berichterstattung von New Atlas, ohne die wir nicht auf das Projekt aufmerksam geworden wären. Es gibt zudem ein Video, das von der Liverpool City Region Combined Authority Ende 2023 veröffentlicht wurde:

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Was ist genau geplant?

Der tatsächliche Standort muss zwar noch festgelegt werden, dennoch steht bereits grob fest, wie die Anlage einmal aussehen soll. So ist ein Damm mit 28 Turbinen geplant, die es auf eine Gesamtkapazität von 700 Megawatt bringen und eine Million Haushalte mit Energie versorgen können.

Damit wäre das Mersey-Tidal-Power-Projekt die mit Abstand größte Gezeitenkraftanlage der Welt. Das bisher leistungsstärkste Kraftwerk liegt am Sihwa-See, einer künstlichen Lagune an der Küste Südkoreas, und bringt es auf 254 Megawatt. Betreiber des Kraftwerks Sihwa-ho ist das oben bereits erwähnte Institut K-Water.

Hinweis: Das Kraftwerk Sihwa-ho ist in einen Staudamm mit einer Länge von 12,7 Kilometern eingebettet. Der Kraftwerkanteil mit den Turbinen fällt allerdings deutlich kleiner aus. Insgesamt zehn Turbinen mit einer Leistung von je 25,4 Megawatt stehen dem Gezeitenkraftwerk zur Verfügung.

Vergleich mit anderen Energiegewinnungsformen

Um das einmal in Relation zu setzen: Die größten Kohlekraftwerke der Welt bringen es auf 6.000 Megawatt Leistung. Die größten Kernenergieanlagen kommen ebenfalls auf rund 6.000 Megawatt, ein Kraftwerk in Japan erzeugt netto sogar 8.000 Megawatt.

Das Mersey-Tidal-Power-Projekt will die 500.000 Einwohner der Stadt Liverpool (860.000 Einwohner im Großraum) ab dem Jahr 2040 mit Energie versorgen und mindestens bis ins Jahr 2160 betrieben werden.

Das Gezeitenkraftwerk soll dabei Teil einer komplexen Strategie für saubere Energie sein, die auch Offshore-Windkraftanlagen und Solarenergie beinhaltet. Sie wird dabei komplementär zu den vergleichsweise unbeständigen Energiequellen Wind und Sonne eingesetzt. Ziel der Stadt Liverpool ist es, bis zum Jahr 2040 vollständig emissionsfrei Strom zu produzieren.

Was soll das Mersey-Tidal-Power-Projekt kosten?

Dazu gibt es keine genauen Angaben. Das oben erwähnte Kraftwerk Sihwa-ho hat bis zu seiner Fertigstellung im Jahr 2011 jedoch etwa 560 Millionen US-Dollar (rund 512 Millionen Euro) verschlungen. Das bislang zweitgrößte Gezeitenkraftwerk La Rance wurde schon 1967 in Betrieb genommen und kostete, die Inflation nicht mit berücksichtigt, rund 95 Millionen Euro.

Wie funktionieren Gezeitenkraftwerke?

Die Funktionsweise solcher Anlagen ist denkbar einfach. Im Wasser liegende Turbinen werden von der Gezeitenströmung angetrieben. Fließt Wasser ein, drehen die Turbinen in die eine Richtung, fließt das Wasser ab, drehen sie in die andere.

Es gibt drei unterschiedliche Ansätze:

  • Gezeitendamm: Viele Kraftwerke werden mit einem Damm realisiert, hinter dem das Wasser gesammelt wird. Während es steigt, drehen die Turbinen bereits. Bei Ebbe werden die Schleusen geöffnet und das fallende Wasser treibt die Turbinen erneut an.
  • In-flow-Gezeitenkraftwerk: Hierbei gibt es keinen Damm, die Turbinen stehen frei in der Strömung. Sie sind grundlegend in der Lage, alle Formen von Strömungen auszunutzen (also auch unabhängig von den Gezeiten) und können daher kontinuierlicher Strom liefern.
  • Gezeitenlagune: Das funktioniert ähnlich wie der Gezeitendamm. Allerdings werden hier künstliche Lagunen geschaffen, die potenziell überall entlang einer Küstenlinie errichtet werden können, solange der Tidenhub ausreichend ist.

Was sind die Probleme mit Gezeitenkraftwerken?

Gezeitenkraftwerke liefern zwar berechenbar Energie, sie sind jedoch von Ebbe und Flut abhängig und liefern daher nicht konstant die gleiche Menge Strom.

Der Betrieb mit Salzwasser führt außerdem zu einem schnellen Verschleiß, weshalb ein erheblicher Wartungsaufwand besteht.

Dazu kommt, dass Gezeitenkraftwerke (allen voran jene auf Basis eines Gezeitendamms) die Flora und Fauna von Küstengewässern negativ beeinflussen können. Das liegt daran, dass die Ökosysteme an den Rhythmus von Ebbe und Flut angepasst sind. Durch Dämme wird dieser Rhythmus verändert. Zudem wird auch die Wanderung von Wassertieren empfindlich gestört.

Wie viele Gezeitenkraftwerke gibt es?

Interessanterweise gibt es offenbar nur sehr wenige Gezeitenkraftwerke. Die Webseite t3n berichtet von acht Anlagen, laut eines Wikipedia-Eintrages und eines Dokuments der International Renewable Energy Agency sind es sogar nur fünf.

Was sagt ihr zu dem Projekt? Glaubt ihr, Gezeitenkraftwerke haben eine Zukunft? Oder denkt ihr, dass sie eher eine Nische bei der Energieversorgung bleiben? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!

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