Alone in the Dark Lesertest

Von nummer47 · 29. April 2024 · ·
Lesertest zum neuen Alone in the Dark
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  1. Eigentlich wollte ich eine normalen Lesertest erstellen. Dies scheint aber nicht (mehr?) zu gehen. Darum so:

    Manchmal wünscht man sich, dass alles gut geht. Das alles gut wird. Das gilt für meine stille Hoffnung, dass das neue Alone in the Dark vom schwedischen Studio Pieces Interactive an die glorreichen Zeiten dieser altgedienten Reihe anknüpfen kann. Und gleichzeitig gilt das auch für Emily Hartwood, die den Detektiv Edward Carnby angeheuert hat um ihren Onkel aus Derceto Manor herauszuholen. Einer Irrenanstalt, aus der er einen besorgniserregenden Brief an Emily geschrieben hat.

    Das ursprüngliche Alone in the Dark erschien im Jahr 1992 und gilt als Vater des Survival Horrors, ein Begriff den erst Resident Evil im Jahr 1996 erfunden und salonfähig gemacht hat. Das neue Alone in the Dark ist kein genaues Eins-zu-Eins-Remake, sondern es ist eine Anlehnung an das alte Spiel. Pieces Interactive nahm einen Grundteil der Geschichte und der Figuren und hat drumherum ein neues Spiel entwickelt, immer mit dem alten Spiel im Hinterkopf. Und so ist ein Spiel entstanden, welches man durchaus als "Horrorspiel der alten Schule" bezeichnen kann. Ein Spiel mit einem eher gemächlichen Tempo, ein paar knackigen Rätseln und natürlich auch unheimlichen Kreaturen. Man hat quasi das Spiel von damals genommen und in ein modernens Korsett gesteckt, mit modernem Gameplay, moderner Steuerung und auf Wunsch auch modernen Spielhilfen. Glücklicherweise nicht mit einem modernen Setting, da auch der neue Teil, ähnlich wie das Original, in den 1920ern angesiedelt ist.

    Ich muss an der Stelle gleich mal mit einem Thema aufräumen, mit dem das Spiel komischerweise geworben hat, welches ich aber gar nicht so sehe. Nämlich kosmischem Horror. Also Horror, der an Cthulhu angelehnt ist, an H.P. Lovecraft. Ja, Shub-Niggurath wird namentlich genannt, aber der Horror kommt eher aus der Voodoo-Richtung und vom Gruselfaktor würde ich den Titel mit dem Film das Geisterschloss (1999) vergleichen. Mit Lovecraft-Horror wollte man wohl bestimmte Käuferschichten ansprechen, aber die könnten vom eigentlichen Plot enttäuscht werden.

    Nach dem Intro müsst ihr euch erstmal entscheiden mit wem ihr spielen wollt. Mit Edward Carnby oder mit Emily Hartwood. Als alter Fan der Spielereihe (der alles was nach The New Nightmare kam verdrängt hat) fiel meine Wahl klar auf Edward, auch wenn ich mit seiner Synchronstimme erst ein wenig warm werden musste. Die beiden Protagonisten werden im übrigen von dem bekannten Schauspieler David Harbour und der nicht ganz so bekannten Schauspielerin Jodie Comer verkörpert. Nachdem wir einen Weg in das Haus gefunden haben, werden wir auch schon mit den illustren Bewohnern bekannt gemacht und hier habe ich selber erst gecheckt, dass Derceto Manor nicht das Herrenhaus der Hartwoods, sondern eben eine Art Anstalt ist, aus der wir Onkel Jeremy herausholen sollen. Schöne Idee, da wir so nicht nur durch ein verlassenes Herrenhaus stromern.

    Nach wenigen Spielminuten finden wir die Karte des Hauses, die uns nicht nur verrät welche Türen verschlossen sind und eventuell einen Schlüssel benötigen, die Karte zeichnet auch Rätsel ein und markiert diese erneut in einer anderen Farbe, wenn man sie lösen kann, also den benötigten Gegenstand oder etwa Tresorcode hat. Eine feine Hilfe, die sich aber auch abschalten lässt, wenn ihr euch zum Spielstart für den Oldschool-Weg entscheidet, also gänzlich ohne Hilfen auskommen wollt. Daneben gilt es vor dem eigentlichen Start sich noch für einen von drei Schwierigkeitsgraden zu entscheiden, die aber nur Einfluss auf die Kämpfe und nicht auf die Rätsel haben. Was ihr ebenfalls nach kurzer Zeit herausfindet ist, dass jede Notiz die ihr findet vertont ist. Das gibt ihnen eine gewisse Wichtigkeit und diese Infohappen verkommen nicht zum bloßen Sammelkram.

    Nachdem ihr das Zimmer von Jeremy gefunden habt, kommt ein Spielelement hinzu, welches ich so nicht erwartet habe, denn ihr verlasst plötzlich und unerwartet das Herrenhaus und findet euch im französischen Viertel in New Orleans wieder. Wie ihr kurze Zeit später herausfindet ist dies durch einen Talisman möglich, der euch die Möglichkeit verleiht zu verschiedenen Orten zu reisen. Ein wunderbarer Bruch mit der Erwartungshaltung sich für mehrere Stunden in einem Herrenhaus zu verlieren, weil dies eben nicht so ist. Euch erwarten eine Hafenanlage, Sümpfe, ein alter ägyptischer Tempel und.... na ja, ich will hier nicht zu viel spoilern. Stück für Stück erfahrt ihr einfach mehr und mehr warum Jeremy verschwunden ist und welchen Fluch es zu brechen gilt.

    Aber erstmal genug zur Story, kommen wir zu den zwei wichtigsten Teilen des Spiels, den Rätseln und den Kämpfen. Die Rätsel sind im Vergleich zu den Kämpfen die große Stärke des Spiels. Euch erwarten ein paar schöne Kopfnüsse, die nie zu schwer sind, die jedoch eure volle Aufmerksamkeit erfordern. Es gab im Spieldurchlauf nur ein Rätsel, welches mich zu schieren Verzweiflung gebracht hat und dessen Lösung ich googeln musste. Mal sehen ob ihr es herausfindet: Ihr seid in einem Hafen, bei einer Schifffahrtsgesellschaft und steht vor einem Safe, dessen Code ihr nicht kennt. Eurer einziger Anhaltspunkt ist ein Zettel auf dem die letzten 3 Sätze beziehungsweise Stichpunkte wichtig zu sein scheinen, zumal die deutsche Übersetzung hier mal so gar nicht hinhaut. Im englischen steht da: "What ist left, later is right and hell is back again." Die deutsche Übersetzung sagt dazu: "Links liegt Pein, rechts die Leere und willst du zurück so musst du dich dem Hass stellen."

    Na? Nun ich bin nicht drauf gekommen und bin nochmal 30 Minuten durch das ganze Level gerannt und habe geschaut ob ich etwas übersehen habe, habe nochmal alle Notizen gelesen und bin trotzdem nicht auf die Lösung gekommen. Soll ich es verraten? Okay. Die Lösung für den Code ist 4-5-4 und steckt in den Wörtern what, later und hell. Im deutschen Pein, Leere und Hass. Wörter mit 4, 5 und wieder 4 Buchstaben. Plump und dumm. Nicht ich, sondern dieses Rätsel. Das ist aber auch der Tiefpunkt des Spiels. Obwohl, da sind ja noch die Kämpfe.

    Ihr habt im Verlauf des ca. 10 Stunden langen Spiels Zugriff auf vier verschiedene Waffen. Einen Revolver beziehungsweise im Fall von Emily eine Pistole, eine Schrotflinte, eine Tommygun und eine Leuchtpistole. Hier und da liegen auch Nahkampfwaffen herum, wie ein Vorschlaghammer oder eine Axt. Diese gehen aber nach ein paar Schlägen auf die Monster zu Bruch. Ohne Nahkampfwaffe dann kein Nahkampf mehr, denn mit bloßen Fäusten können sich weder Emily noch Edward wehren. Trotz allem solltet ihr immer zuerst auf den Nahkampf setzen, da Munition rar gesät ist. Zusätzlich gibt es noch Wurfgegenstände wie Molotov-Cocktails für verheerende Feuerattacken und Ziegelsteine, die eher der Ablenkung, als dem Kampf dienen. Diese Wurfgegenstände wurden aber nicht sonderlich schön in das Spielgeschehen eingebaut, da man diese nach dem Aufnehmen auch werfen muss. Man kann sie also nicht für einen späteren Gebrauch mitnehmen. Nimmt man diese Gegenstände auf, so bewegen sich die beiden Hauptcharaktere nur noch im Schneckentempo voran. Also immer schön liegen lassen und nur dann einsetzen, wenn wirklich Monster kommen. Sind euch die Monster doch mal zu Nahe gekommen, so könnt ihr euch stilecht und sehr gut zum Setting passend mit einem Schluck aus eurem Flachmann heilen. Und damit euch Monster nicht so nah kommen erklärt das Spiel eine Sache leider gar nicht: dass man ausweichen kann. Wichtig, wenn ihr Kämpfe umgehen wollt, etwa bei einem zweiten Spieldurchlauf. Der lohnt sich im Übrigen nur, wenn ihr alle Sammelgegenstände haben oder alternative Enden freischalten wollt. Die Geschichte selber teilt sich leider, außer in Kapitel 4, nicht so auf wie ich es erwartet hätte. Wagt ihr also einen weiteren Spieldurchlauf, so spielt ihr zu Teilen die gleiche Story noch einmal. Ihr erfahrt also nicht was Emily gemacht hat, nachdem es Edward ins französische Viertel verschlagen hat, da es Emily ist, die es ins französische Viertel verschlägt wenn ihr mit ihr als Hauptcharakter spielt und ihr dann nicht wisst, was Edward in dieser Zeit macht. Alone in the Dark ist an der Stelle kein Resident Evil 2 mit den Wegen A und B, aber das war verschmerzbar.

    Die Charaktere im Spiel sind durch die Bank weg alle gut vertont. Auch die Musikuntermalung ist extrem stimmig und passt mit ihren Saxophonklängen sehr gut zum Setting. Und die Grafik? Technisch könnte es von den Charakteren besser sein. Auf der Playstation 4 haben wir andere Spiele mit besseren Charakteren gesehen, aber der Titel ist kein 100%iger Vollpreistitel und der Rest vom Spiel wirkt dank verwendeter Unreal-Engine immerhin wunderschön stimmig. Nicht nur Derceto, sondern auch alle anderen Umgebungen sind nahezu State-of-the-Art. Wie gesagt, nur schade, dass die Charaktere dem gegenüber so abfallen.

    Bei der von mir getesteten Konsolenfassung (PS5) möchte ich den Qualitätsmodus des Spiels lobend hervorheben. Meist ist es so: Ihr probiert den Qualitätsmodus aus, wechselt nur zum Test in den Performancemodus und seht dass dieser wirlich flüssiger läuft. Trotzdem wechselt ihr wieder zurück. Nachdem ihr das Ruckeln dort gesehen habt, wechselt ihr dann doch wieder in den Performancemodus. So oder so ähnlich läuft es zumindest bei mir mit den meisten Spielen. Nicht so bei Alone in the Dark. Der Qualitätsmodus läuft hier wirkich wunderbar stabil und ruckelt an keiner Stelle.

    Auch die Steuerung des Charakters geht immer sauber von der Hand und verwendbare Gegenstände werden mittels einen kleinen Kreises hervorgehoben. Komplettisten verwenden ab und an auch die Zoomtaste, mit der auch weiter entfernt liegende Gegenstände hervorgehoben werden. Aber auch ohne die hilfreiche Zoomfunktion muss man schon blind durch Derceto laufen um die Sammelgegenstände zu übersehen, die schließlich die Schrotflinte freischalten. Kleiner Nerv-Faktor bei den Gegenständen war nur, dass viele Kisten oder Schubladen leer waren. Das war etwas ermüdend und frustrierend. Allerdings können die auch nur leer gewesen sein, weil ich mit Medikits und Munition sehr sparsam war. Eine Frage, die ich auch nach dem zweiten Durchspielen nicht genau klären konnte.

    Ohne jetzt weiterhin drumherum zu reden: ich mag die alten Alone in the Dark-Titel, obwohl ich nicht einmal genau erklären kann warum. Eventuell liegt es, trotz dass der Titel der Urvater des Genres ist, am Underdog-Status gegenüber Resident Evil. Ich war nach dem ersten Spieldurchgang wirklich froh, dass das neue Alone in the Dark ein gutes Spiel geworden ist. Klar, viele nationale und internationale Tests sprechen dem Titel eine deutliche 8 von 10 aus. Und das war auch mein Gedanke beim Spielen. Ja, das ist ne 8 von 10 und das unterschreibe ich auch so. Ganz objektiv. Dieser eine Sammelgegenstand aber, okay, wirklich schön, dass ihr den eingebaut habt. Diese eine Szene, zusammen mit einer aufploppenden Trophäe. Wow, ihr habt wirklich verstanden was die Fans wollen. Aber dann kam im zweiten Spieldurchlauf, der nach sechseinhalb Stunden sein Ende fand dieses eine geheime Ende. Ein Ende dass mir zeigt, dass die Leute bei Pieces Interactive nicht nur mit viel Liebe sondern auch mit viel Verständnis für diese altgediente Reihe am Werk waren. Und mein Gott, dieses Ende rückt den Titel bei all den Nicklichkeiten die es gibt, am Ende trotz allem auf eine sehr persönliche 9 von 10.

    Ihr lest nicht gerne und hört lieber zu? Den Test gibt's auch hier als Podcast: hier klicken.

    Über den Autor

    nummer47
    Geb.1980 in der DDR. Dann zur Wende einen Atari 2600 bekommen und die Videospielleidenschaft war geweckt. Danach kam C64 und später PC. Jetzt auch allerlei Konsolenkram.
    Tsabotavoc und Bakefish gefällt das.

Kommentare

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  1. Tsabotavoc
    Ja. GameStar hat sich irgendwann dazu entschieden die Lesertest-Sektion einzustellen. Sie war ein Hort von Copyright-Verletzungen, Bots und Ähnlichem. Und irgendwann ging man dazu über das jeder Test, selbst der von altgedienten Lesertestveteranen, erst mal quergelesen werden musste bevor er freigegeben wurde.
    Ich nehme an darauf hatte man keinen Bock mehr vor Allem weil die Lesertests eh kaum frequentiert wurden. Es war viel Arbeit für wenig Klicks. Und jetzt macht man mehr wenig Arbeit für viele Klicks. Merkt man der Homepage auch an Allen Ecken an.
    1. nummer47
      Da der letzte Lesertest vom Februar 2022 ist, konnte ich mir sowas schon denken.
  2. Reddok
    Warum passt Voodoo nicht zu kosmischen Horror? Kosmischer Horror ist meiner Meinung nach, wenn normale Menschen aus ihrem täglichen Leben rausgerissen werden, mit unglaublichen Dingen konfrontiert werden, die keinen Sinn (in Bezug auf die Realität) ergeben, aber trotzdem existieren. Ihre Sicht auf die Welt ist so beschränkt, dass die Wahrheit sie Wahnsinnig macht. Rituale sind auch hin und wieder dabei, meiner Meinung nach macht es keinen Unterschied, ob es Voodoo ist, oder was anderes. Ich bin aber vielleicht nicht der große Experte, denn ich hab mir die Cthulhu-Collection geholt, hab mich durch das erste Buch gequält und das zweite zwischendrin abgebrochen, weil es mir zu langweilig war. Aber das Konzept finde ich super.

    Ich mochte das Spiel. Ich hoffe es wird fortgesetzt, aber nicht so wie damals. Ich hoffe sie gehen mehr in Richtung Eternal Darkness.
    1. nummer47
      Da muss ich dir recht geben. Natürlich kann Voodoo auch etwas mit außerweltlichem Horror zu tun haben. Aber gefühlt wollte man stärker in die Richtung von Call of Cthulhu oder The Sinking City gehen.
      Wie im Test gesagt, mich hat das nicht gestört.

      Von H.P. Lovecraft hatte ich mir mal Hörbücher angehört und fand diese auch sterbenslangweilig.
  3. Bakefish
    Für solche Titel habe ich ne Schwäche. Hatte das bisher gar nicht auf dem Schirm. Wird ausprobiert! :-)
    1. nummer47
      Oha. Da habe ich hoffentlich nicht zu große Hoffnungen geschürt
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