Die Haltung zum Hobby ist anders geworden...gefühlt und real
Analoge Gedanken 2.0
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In den letzten Monaten ertappe ich mich immer wieder bei einer Art Selbstreflexion, ich frage mich immer wieder ob meine Lust zu Spielen nachgelassen hat. Ob mir die Euphorie vielleicht langsam verloren gegangen ist und die Bereitschaft ähnlich viel - nicht nur Geld - wie früher in mein Hobby zu investieren...
Der lange Weg...
Nun findet jeder Zocker auf seine ganz eigene Weise in diese Welt. Bei mir ist das Ganze wie in einem anderen Beitrag ausführlich beleuchtet schon knapp 40 (1981) Jahre her. Seit damals begleitet mich diese Leidenschaft ungebrochen und durchgehend, sogar deutlich länger als mein ebenso ausgeprägter Hang zum Motorrad fahren, das fing erst 10 Jahre später an.
Umso mehr fühlt sich der Gedanke merkwürdig an, dass diese Dinge sich ändern könnten. Sicher, ein Zocker werde ich immer sein. Aber wie intensiv ich das Ganze betreibe, das stelle ich manchmal in Frage. Über einige wirklich krankhafte und ungesunde Phasen hinweg (z.B. exzessives WoW-Spielen) hatte ich immer ein konstant hohes Niveau, was meine Spielzeiten angeht. Da meine schulischen und später beruflichen Leistungen gepasst haben, gab es wenig Grund, daran etwas zu ändern. Meine Mutter und nach ihr meine Partnerinnen haben mir immer den Freiraum gelassen, der nötig war um mich da komplett auszuleben. Teilweise haben die Mädels ja selbst gespielt und waren auf diese Weise in gewisser Form "Komplizinnen".
Inzwischen stürme ich auf meinen 45. Geburtstag zu und obwohl ich weit davon entfernt bin das "durchschnittliche" Leben meiner Altersgenossen zu teilen spüre ich doch in gewissen Momenten eine Veränderung, die sich irgendwann wohl schleichend vollzogen haben muss. Ich kann Spiele auch mal wochenlang liegen lassen ohne die Story direkt zu einem Ende bringen zu müssen. Noch bei Mass Effect 3 hätte ich das nicht ausgehalten. Bei Witcher 3 jedoch war es schon so, das Spiel lag ewig halb gespielt herum. Das einzige Spiel, dass meinen alten Ehrgeiz noch einmal in voller Blüte ausgereizt hat war Read Dead Redemption 2 - und das sogar 4 mal inzwischen. 2 x PS4, 1 x Xbox One und nun einmal am PC...man kann mich doch noch kitzeln...
Atari 2600 - 1981 mein persönlicher Startpunkt in ein Leben als "Gamer".
Die Metaebene...
Mit der Metaebene beschreibt man in meinem Beruf die Fähigkeit, sich Situationen von einem neutralen, unvoreingenommenen Blickwinkel aus zu betrachten. Eigentlich bedeutet das, dass die Person selbst auf die Metaebene geht und die eigenen Umstände differenziert und gut reflektiert einschätzt.
In diesem Fall aber meine ich damit das, was ich über die Jahre von "Außenstehenden" zu Hören bekommen habe, wenn es um meinen Lifestyle und meine Hobbies ging. Die Aussagen waren teilweise sehr abwertend, auch wenn sie sehr oft nicht so gedacht waren. Lange bevor Gaming derart in der Mitte der Gesellschaft angekommen war musste man sich Einiges gefallen lassen von denen, die nicht mit der Materie vertraut waren. Die gewohnten Stereotypen von wegen dicker, pickeliger Nerd ohne reale Freunde sind da noch die witzigsten Vorurteile, mit denen man konfrontiert wird.
Auch heute noch darf ich mir Sachen anhören wie "Wann wirst Du mal erwachsen?", "Wie lang kann man so ein Leben führen?" oder "Bist Du nicht zu alt für Heavy Metal und Zocken?". Jetzt finde ich das lustig, früher hat mich das sauer gemacht. Und je näher mir die Person stand, desto wütender wurde ich durch solche Bemerkungen.
Ich fühlte mir missverstanden und vor Allem nicht gewertschätzt. Ich betrinke mich nicht, ich rauche nicht und ich habe - außer beruflich - Nichts mit Drogen zu tun. Anscheinend war es nötig, dann auf meinem Hobby oder meinen Tattoos herum zu mäkeln...
Ich hatte das Glück, dass meine Partnerinnen, meine Familie und große Teile meines Freundeskreises auch spielen und deswegen die "Angreifer" nur sehr selten aus meinem nahem Umfeld gekommen sind. Dennoch kam es natürlich vor und war dann besonders uncool.
Gelebte Realitäten...
Wenn ich mir überlege, wie viele Entscheidungen in meinem Leben getroffen worden sind nachdem ich sie auf ihre Konformität mit meinem Gamer-Dasein geprüft habe...lustig.
Mein Beruf...die Arbeitszeiten, der Verdienst...beides passt gut in dieses Leben. Mein Wohnort...örtliche Nähe zu bestimmten Geschäften, extrem schnelles Internet musste verfügbar sein. Sogar familiäre Entscheidungen wurden von mir getroffen unter Einbeziehung dieser Faktoren. Nachdem ich gesehen hatte, dass Freunde von mir durch ihre Entscheidung Kinder in die Welt zu setzen finanziell, zeitlich und auch nervlich teilweise komplett außer Gefecht gesetzt worden sind was ihre Freizeit angeht, war mir schnell klar, dass das SO kaum ein Weg für mich sein kann - zumindest in den Jahren bevor ich dann irgendwann einmal 40 geworden bin.
Noch heute habe ich oft Gespräche mit Freunden zu dem Thema. Merkwürdig, keiner dieser Männer sagt so was wie "Ach ja, Kinder sind soooo toll, ich würde alles wieder ganz genau so machen." - Frauen sagen so Etwas durchaus mal, Männer bisher nie. Die Jungs spielen wenn überhaupt nur noch Playstation, weil für hochwertige PC-Hardware einfach das Geld nicht mehr zur Verfügung steht wie in den Jahren vor der "Familienplanung".
Auf der anderen Seite spüre ich durchaus manchmal eine Art Lücke, wenn ich meinen Neffen, meinen Patenjungen oder sogar die Tochter meiner Ex-Frau in die Finger kriege zum Albern. Aber für alle Entscheidungen im Leben zahlt man eben einen Preis, nichts was man tut ist nur gut oder nur schlecht. Man trifft sie und steht dann dazu.
Familienplanung - extreme Auswirkungen auf die Möglichkeiten als Gamer...
Veränderung findet statt...
Was auf jeden Fall anders geworden ist mit fortschreitendem Alter sind die Spielgewohnheiten. Früher konnte ich viele verschiedene Spiele auf hohem Niveau spielen. Jetzt schaffe ich das nur noch bei 2 oder 3 Games, dann fällt das Leistungslevel deutlich ab. Auch die Stunden, die ich am Stück spielen kann wurden spürbar weniger. Früher waren 3 oder 4 Stunden Schlaf auch mal ausreichend - wenn ich das heute noch mache kann ich mich krank melden, Dienst wäre mir da nicht mehr möglich.
Dafür habe ich nun das Geld, mir deutlich mehr Spiele zu kaufen und sie zu testen. Klar, der Pile of Shame wächst laufend mit, aber das nimmt man irgendwie in Kauf, Hauptsache man ist irgendwie dabei. Gute und sehr interessante Spiele werden auf diese Weise leider nur angekratzt, zuletzt passierte mir das bei "Remnant - from the Ashes" - ich hab's tagelang immer wieder mit Freunden gespielt, dann machten mir Dienstplan und Tagesrhythmus einen Strich durch die Rechnung. Die Freunde zogen im Level davon und ich verlor die Lust, als "Kleiner" mit den Highlevels mitzulaufen.
In solchen Augenblicken spüre ich, dass sich Dinge nicht mehr anfühlen wir früher. Es ist eine gewisse Ambivalenz vorhanden. Einerseits ärgert es mich, dass ich nicht dabei sein kann wie ich gern will. Auf der anderen Seite spüre ich aber auch ein deutliches "Ach komm, ist doch echt egal...", dass sich dann breit macht. Das ist teilweise immer noch ungewohnt, fühlt sich aber nicht per se negativ an - sondern einfach nur anders als früher.
Remnant - blieb irgendwann leider "liegen"...die Zeit fehlte.
Die Jahre, die kommen mögen...
Ich werde immer ein Gamer bleiben, die Wahrscheinlichkeit auf komplette Veränderung ist in diesem Fall mit gleich Null zu bewerten. Die Tatsache, dass ich inzwischen aber lieber mal mit meiner Freundin über freie Tage in eine Blockhütte fahre oder was koche anstatt meine Freizeit zu großen Teilen vor dem Monitor zu verbringen betrachte ich entspannt und durchaus mit positiven Gefühlen. Der Leistungsgedanke ist weitreichend - allerdings nicht völlig - von mir gewichen und ich kann durch Spiele nur noch selten unter Stress geraten. Das ist gut so, sind sie doch der geplante und willkommene Ausgleich zu meiner fordernden und belastenden Arbeit in der Suchttherapie.
Mit Mitte 40 und einer derart ausgeprägten "Fahnentreue" was das Gaming angeht darf ich mich vermutlich inzwischen als einen Veteranen betrachten. Wo ich früher noch die Angst hatte, zum alten Eisen zu gehören und nicht mehr dazuzugehören verspüre ich nun eine entspannte Ausgeglichenheit. Ein Gefühl, dass es mir möglich macht auch mal zur Seite zu treten und den Jüngeren das Feld zu überlassen. Und mich auch an ihren Erfolgen zu erfreuen. Teilweise auf Sektoren, in denen ich einfach nicht mehr mithalten kann. Reflexe und Konzentration lassen zwischen 15 und 45 deutlich nach...Über den Autor
1975 auf die Welt losgelassen bekam ich 1982 von meinen Eltern zu Weihnachten ein Atari 2600 überreicht - seitdem nahm die Spirale ihren Lauf. Ich bin seit inzwischen etwa 40 Jahren "ingame". Durch verschiedene Berufe, Beziehungen, eine Ehe, Wohnorte und Weltanschauungen hindurch waren in meinem Leben in den letzten 25 Jahren nur 3 Sachen konstant: Motorräder. Heavy Metal. Gaming.
Yeager, manfred4281, snoopydoo und 17 anderen gefällt das.
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